Eine runde Sache

Bild: Winkler AG Jeder der sechs Bänke im Biergarten des Volkshauses Basel besteht aus zahlreichen dampfgebogenen Biegeteilen.

Sitzbänke.  Im Biergarten des Volkshauses Basel stehen sechs kreisrunde Bänke. Hinter der schlichten Erscheinung steckt eine aufwendige Planung sowie klassisches Schweizer Biegehandwerk. Allein die Beplankung ist eine Geschichte wert.

Elegant winden sich die sechs tiefgrünen Sitzbänke im Biergarten des Volkshauses Basel jeweils um eine Platane. Die äusserlich schlichte Erscheinung mag nahelegen, dass es sich dabei um einfach zu bauende Objekte handelt. Doch der Schein trügt.

Dampfbiegen für die Sitzlatten

Die «Baumbänke» brachten die Macher ganz schön an die Grenzen, wie Christoph Ramseier von der Schreinerei Wyss & Leuenberger in Dornach deutlich macht. Er war in enger Zusammenarbeit mit dem Holzbiegewerk Winkler AG aus dem aargauischen Felsenau verantwortlich für die Detailplanung der runden Sitzmöbel mit dem hölzernen Kern. Bei den Sitzlatten entschied er sich für dampfgebogene Eschenleisten. Ein Konturfräsen des Massivholzes ist nie infrage gekommen. Die dadurch entstandenen abholzigen Zonen hätten ein zu hohes Bruchrisiko dargestellt. Bei gebogenen Leisten läuft die Faser stets mit dem Material, was die Belastbarkeit stark erhöht.

Optische Wirkung im Zentrum

Eine der ersten planerischen Aufgaben bestand darin, die Sitzlatten auf der Stützkonstruktion zu verteilen. «Es ging vor allem darum, dass die Bänke optisch den Anforderungen der Architekten entsprechen», sagt Johannes Eckert, Werkstattchef bei der Winkler AG. Die Vorgaben waren klar: Die Abstände zwischen den einzelnen Latten mussten ausgewogen sein – und zwar mit dem Abstand, wie ihn die Architekten Herzog & de Meuron wünschten. Das bereitete auf der Sitzfläche keine Probleme. Dort, wo die Konturen der Sitzbank aber Rundungen beschreiben, gehe oft vergessen, dass der Durchmesser auf der Nutzseite nicht demjenigen auf der Auflageseite entspreche, spricht Johannes Eckert ein kniffliges Thema an. Setzt man zwischen den Latten, am Punkt der Befestigung also, gleiche Abstände, sind diese am äusseren Radius der konvexen Biegung faktisch zu gross. Die tatsächlichen Abstände wurden schliesslich mithilfe geometrischer Zeichnungen ermittelt.

Biegen mit Übermass

Als grosse Herausforderung beim Biegen der Sitzlatten stellte sich auch der ständig wechselnde Bogenradius heraus: Jeder der 25 Ringe, mit denen eine Sitzbank aufgebaut ist, verlangte nach einer anderen Biegeform – oder nach einem anderen «Modell», wie Roman Winkler, Geschäftsführer der Winkler AG, die mächtigen Biegeformen aus Holz nennt. Das bereitete den Biegeprofis allerdings kaum Kopfzerbrechen, lagern doch um die 1000 «Modelle» mit verschiedenen Radien in ihrem Fundus.

Erschwerend kam die unterschiedliche Biegerichtung der einzelnen Sitzlatten hinzu: Die liegenden Sitzlatten hätte man über ihre Schmalfläche biegen müssen, die stehenden Latten an der Rückenlehne über die breitere Fläche, die dazwischenliegende Beplankung in den Rundungen über ihre Kante. Dem Problem begegnete die Winkler AG, indem sie die Bearbeitungen an der gesamten Beplankung erst nach dem Biegen des rechteckigen Rohlings vornahm. Dafür wurde letzterer mit entsprechendem Übermass ausgehobelt.

Zusammenarbeit wichtig

Die grössten Schwierigkeiten sollten erst nach dem Biegen folgen, wie Christoph Ramseier klar macht: «Das Biegen war noch human», sagt er. Danach galt es, die Werkstücke mit ihrem rechteckigem Querschnitt auf die geforderte Kontur zu fräsen. Dafür benötigte Johannes Eckert geeignete Lehren.

Er erhielt sie von Christoph Ramseier. Dieser liess die Bogensegmente aus MDF auf dem firmeneigenen CNC-Bearbeitungszentrum nach den im CAD ermittelten Konturen fräsen. «Wir mussten uns hundertprozentig auf die Genauigkeit der Lehren verlassen», spricht Johannes Eckert einen heiklen Punkt bei der Herstellung der Bänke an. «Wenn sie nicht gepasst hätten, wäre die ganze Biegearbeit umsonst gewesen», beschreibt der Schreinermeister ein Szenario, das zum Glück nicht eingetreten ist. «Den Fehler hätte man erst beim Zusammenbau bemerkt», ergänzt er.

Aufwendige Fräsarbeiten

Die Lehren aus MDF nutzte man, um die gebogenen Rohlinge an der Kehlmaschine zu besäumen. Anschliessend begann Johannes Eckert, die Querschnitte so zu bearbeiten, wie sie jede einzelne Sitzlatte aufgrund ihrer Lage an der Sitzbank brauchte. Die richtigen Schrägen ermittelte er aus der Zeichnung und übertrug sie mit der Schmiege auf den Fräser. Erst ein mehrstufiges Vorgehen brachte die gewünschte Kontur: Vorerst kehlte Johannes Eckert die beiden Flächen so, dass der Querschnitt einen Rhombus beschrieb – immer jeweils auf Null auslaufend. Anschliessend waren die Schmalflächen an der Reihe. Der Latten-querschnitt stellte nun wiederum ein Rechteck dar. Erst im Anschluss an diese beiden Arbeitsschritte rundete er die Kanten.

Vor- und Endmontage

Die gebogenen und fertig bearbeiteten Teile trocknete man auf die für den Aussenbereich vorgesehene Holzfeuchte. Vor der Montage im Biergarten des Volkshauses Basel setzte man die sechs Bänke ohne Farbanstrich in der Schreinerei zusammen. Jede einzelne Latte ist an drei Punkten durch rostfreie Schrauben mit der Unterkonstruktion verbunden. «Die ausreichende Fixierung wirkt einem nachträglichen Verziehen der gebogenen Werkteile entgegen», sagt Kurt Winkler, Inhaber der gleichnamigen Firma. Indem man bei den «Baumbänken» die einzelnen Ringe bereits bei der Planung in vier Kreissegmente aufgeteilt hatte, vereinfachte sich das Handling bei der Montage deutlich. Die tiefgrünen Sitzgelegenheiten bieten den Besuchern des Biergartens nun die Gelegenheit, sich zu erholen.

www.holzbiegen.chwww.w-l.chwww.volkshaus-basel.ch

ÜBER DAS Dampfbiegen von hOlz

Neben der Winkler AG in Felsenau führt auch die Graf Holzwaren AG in Sulgen Holzbiegearbeiten aller Art aus. Ihr Spezialgebiet sind Schlitten. Für Dampbiegeteile gelten laut den Spezialisten folgende Spezifikationen:

Vorteile von Dampfbiegeteilen

Dampfgebogenes Holz besitzt dieselben Eigenschaften wie gerade belassenes Holz. Die Biegeteile halten auch hohen mechanischen Belastungen stand. Gegenüber schichtverleimten Formteilen heben Konstrukteure vor allem die hohe Alterungsbeständigkeit hervor.

Holzqualität als Grundlage

Beim Dampfbiegen von Holz ist die Materialqualität von grosser Bedeutung. Um ein zufriedenstellendes Ergebnis gewährleisten zu können, wird feinjähriges, natürlich getrocknetes und astfreies Holz verlangt.

Biegbare Holzarten

Grundsätzlich sind alle Holzarten biegbar. Laubhölzer eignen sich jedoch viel besser als Nadelhölzer. Als besonders gut biegbar gelten die harten Laubhölzer.

Holzbiegen verlangt viel Gefühl und Erfahrung von der biegenden Person. Nur sie weiss mit den verschiedenen Einflussfaktoren wie Holzart, Dicke, Breite, Dämpfzeit, Pressdruck, Biegeradius oder Presszeit umzugehen.

Welcher Radius ist möglich?

Der kleinste biegbare Radius ist stark von der Holzart, der Holzqualität und der Materialdicke abhängig. Deshalb muss er von Projekt zu Projekt mit den Spezialisten besprochen werden.

Als Faustregel gilt das Vierfache der Holzdicke. Eine Leiste mit Querschnitt 25 mm würde demnach mit einem Radius von 100 mm um die Ecke gebogen. Je enger der Radius, desto stärker faltet sich das Holz im Bereich der Biegung. Diese Falten sind in der Regel nicht erwünscht.

www.graf-biegerei.ch

MW

Veröffentlichung: 09. Januar 2014 / Ausgabe 1-2/2014

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