Erfolgreich in ein neues Leben

Curling ist wie Schach auf Eis. Hans Burgener (54) verfügt über die nötige strategische Raffinesse und über ein gutes Gefühl für die Länge des Steins. Bild: Michael Fund

Fünf Siege, sechs Niederlagen – so lautete die sportliche Bilanz des Schweizer Rollstuhlcurling-Nationalteams an den Paralympics in Pyeongchang. In der Endabrechnung reichte es zum 6. Rang. «Es wäre sicher ein bisschen mehr drin gelegen. Doch es gehört Wettkampfglück dazu, und das war diesmal nicht auf unserer Seite», sagt Hans Burgener. Der Grindelwaldner musste in Korea die Rolle des Ersatzmannes einnehmen. «Es ist nicht immer einfach, zuzuschauen und nicht selber ins Spiel eingreifen zu können.» Trotzdem überwiegt für ihn das Positive. «Ich war dabei», sagt er, «an einer Olympiade mit der Schweizer Delegation ins Stadion einzufahren, ist ein unbeschreibliches Gefühl.» Der 54-Jährige ist im Curling-Olymp angekommen. «Mehr geht nicht», sagt er. Das Diplom in seiner Wohnung wird ihn immer an das Abenteuer seines Lebens erinnern. Burgener hat erst vor acht Jahren durch eine Kollegin zum Curling gefunden – umso beeindruckender liest sich sein Palmarès: Mit dem Curling-Club Bern holte er an Schweizer Meis- terschaften bereits Gold, Silber und Bronze. Mit dem Nationalteam fuhr er gleich zweimal nach Pyeongchang – 2017 an die WM und 2018 an die Paralympics. Für seinen Erfolg arbeitet er hart – neben dem Eistraining mit dem Team Bern und der Nationalmannschaft trainiert er zu Hause Kraft und Kondition. Im Sommer spannt er sein Elektro-Handbike vor den Rollstuhl und spult rund um Interlaken und am Thunersee bis zu 2000 Kilometer ab. «Ausdauer hilft, im Spiel die Konzentration zu halten und fokussiert zu bleiben», erklärt er.

Gespielt wird im Rollstuhlcurling in Mixed-Teams mit vier Spielern. In der Nationalmannschaft übernimmt Burgener oft die Rolle des Leads: Er hat die Aufgabe, das Spiel zu eröffnen und die ersten beiden Steine möglichst gut zu platzieren. Da es im Rollstuhlcurling keine Wischer gibt, die die Laufrichtung des Steins beeinflussen können, sind Präzision und Gefühl ganz besonders gefragt. Ohne Geschicklichkeit und höchste Präzision geht es auch in Burgeners Berufsalltag nicht. «Beim Holzschnitzen muss man schon genau arbeiten», sagt er und fügt nach einer kleinen Pause lachend hinzu: «Aber man kann Fehler eher noch korrigieren als beim Curling.» Der gelernte Zimmermann musste nach einem Arbeitsunfall und einem langen Reha-Aufenthalt sein Leben komplett umkrempeln und sich beruflich neu orientieren. Mit der Ausbildung zum Holzschnitzer hatte er eine Möglichkeit gefunden, weiterhin im hölzigen Bereich zu arbeiten. Von seiner Wohnung muss er mit seinem Rollstuhl nur wenige Meter zurücklegen bis in die Werkstatt, wo er gerade die Rückenlehne einer Stabelle bearbeitet. Daneben liegt das scharfe Schnitzwerkzeug und das Bild eines Hirsches, das Burgener auf dem Werkstück abgepaust hat. «Das ist ziemlich aufwendig, die Arbeitsstunden schreibe ich erst gar nicht auf», erklärt er mit einem Lächeln. Das Wildtier hat er detailgetreu im Relief aus dem Holz herausgearbeitet.

Der Stuhl wird bald fertig sein, in Geschenkpapier verpackt und dem Geburtstagskind überreicht werden. Fotos von Kommoden, Uhren, Stühlen, Chaletbeschriftungen und weiteren Stücken mit Schnitzereien des 54-Jährigen füllen mittlerweile zwei dicke Ordner.

Es hat sich herumgesprochen, dass der Grindelwaldner sein Handwerk beherrscht, und er hat bereits Holzschnitzereien in alle Welt verschickt. «1990 habe ich angefangen. Seither hat sich das Geschäft sukzessive entwickelt.» Burgener ist froh, dass er nach seinem Unfall ein «Hölziger» bleiben konnte.

«An einer Olympiade mit der Schweizer Delegation ins Stadion einzufahren, ist ein unbeschreibliches Gefühl.»

sas

Veröffentlichung: 17. Mai 2018 / Ausgabe 20/2018

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