Exzellent zurück zum Ursprung

Im Restaurant sind die Fensterbögen aus massiver Eiche rund 4 Meter lang und zum Vestibül hin ausgerichtet. Bild: Röthlisberger Schreinerei AG

Denkmalpflege.  Sanierungen in historischen Gebäuden wie dem Casino Bern setzen bei den beteiligten Handwerkern besondere Fähigkeiten voraus. Sie müssen spezielle Vorgaben befolgen, raffinierte technische Details umsetzen und hochwertige Materialien verwenden.

Das Casino in Bern, ehemals Kultur Casino Bern, ist von 2017 bis 2019 im Auftrag der Burgergemeinde Bern umfassend saniert worden. Die Wiedereröffnung wurde noch vor Corona mit einem grossen Fest gefeiert. Federführender Architekt war Claudio Campanile von der Architektur Campanile + Michetti AG. Sein Ziel: den Charakter des ursprünglichen Casinos zurückholen. Die Schreinerei Röthlisberger in Gümligen, kurz Rö genannt, durfte für das Projekt spezielle Schreinerarbeiten ausführen. Die Anforderungen waren hoch und wurden von Rö mit viel Detailliebe ausgeführt.

Um einen besseren Einblick in die Tätigkeiten der Schreinerei Rö zu bekommen, werden deren Arbeiten in zwei grosse Bereiche unterteilt: in das Restaurant mit anschliessendem Salon d’Or und in den Konzertsaal. Neben diesen beiden Herzstücken entstanden noch weitere spezielle Arbeiten, die zum Gesamtprojekt gehörten und diesen Umbau einzigartig machten.

Restaurant mit Salon d’Or

An das Restaurant im Erdgeschoss ist ein Vestibül, eine repräsentative Eingangshalle, angebaut. Im Restaurant und im Salon d’Or wurden massgenau Wandverkleidungen aus Eichenmassivholz mit Kreuzgeflechtfüllungen gefertigt, die an das Wiener Geflecht erinnern. Die Wandverkleidungen wurden mit den Fensterlaibungen und Fensterverkleidungen so montiert, dass alles wie aus einem Guss aussieht. Hinter den Wandverkleidungen verstecken sich zum Teil Schränke mit modernsten Lautsprechern. Zudem wurden auf raffinierte Weise Türen, Schiebetüren und Fensterbögen mit einer Länge von ungefähr vier Metern in Eiche fabriziert. Die Fensterbögen sind zum Vestibül hin ausgerichtet, von dem man in Richtung Aare blickt. Sie waren nicht nur wegen der historischen Bogenform und der Dimensionen eine Herausforderung. Es waren auch statische Berechnungen für die Materialquerschnitte nötig. Und die Montage in der Höhe war nicht ganz einfach, weil das Glas aus einem Stück bestand. Traversen teilen die Bögen lediglich optisch in Segmente auf.

Damit sich die Weinliebhaber an einer grossen Auswahl an Rot- und Weissweinen erfreuen können, wurden riesige Weinvitrinen mit einer Länge von etwa vier Metern gefertigt. Die Möbel erstrecken sich über einen Teil des Raumes. So sieht man auf einen Blick, wie gross die Weinauswahl ist. Dahinter wurde eine Art begehbarer Weinschrank mit justierter Raumtemperatur konzipiert, damit sich jeder Wein beim Servieren perfekt entfaltet. «Dies musste bei der Konstruktion, Materialwahl und Abdichtung des Raumes durchdacht werden», sagt Andreas Kramer, Projektverantwortlicher bei der Schreinerei Rö.

Die grosse Bar im Restaurant macht mit einer Länge von 12 bis 14 Metern und einer Tiefe von sieben Metern ihrem Namen alle Ehre und war, wie viele andere Schreinerarbeiten, ein Highlight für die Fertigung.

Perfekte Akustik im Konzertsaal

Zweiter zentraler Punkt des Auftrags war der Konzertsaal. In diesem arbeitete man mit dem belgischen Akustikspezialisten Kahle Acoustics zusammen. Die Wandverkleidungen haben es in sich: Sie wurden so konzipiert, dass die Akustik im Saal je nach Anlass verändert werden kann und so den Zuschauerinnen und Zuschauern ein sauberer, schöner Klang geboten wird. So wird der Besuch eines Konzerts zum Musikgenuss. Die Komponenten im Bühnenbereich wurden deckend gestrichen, und es wurde ein aufwendiges Rednerpult geschreinert.

Daneben führten die Schreiner auch Arbeiten im Pausensaal durch und fertigten repräsentative Möbel, zum Teil mit Rundungen und anspruchsvollen Lösungen aus Eiche und Räuchereiche. Die Türen sind ebenfalls aus Eiche. «Sie sind komplex und technisch sehr interessant. Zu berücksichtigen waren einerseits die optischen Anforderungen – sie mussten zu den Wandverkleidungen passen – und andererseits die Lärm- und Brandschutzvorschriften. Darüber hinaus mussten technische Geräte wie Kartenleser und weitere Bestandteile eingebaut werden», sagt Kramer. Von aussen sehen die Türen exzellent aus, und das komplexe Innenleben ist erstaunlich.

Vorgaben seitens der Denkmalpflege

Das Architekturbüro hatte vorgängig alle Einzelheiten mit der Denkmalpflege abgeklärt. Diese war an einem Umbau interessiert, der das Casino näher zum Ursprung zurückführt. So konnte sich Rö auf die Schreinerarbeiten konzentrieren und für sich relevante technische Details mit den Architekten oder dem Akustiker absprechen, wodurch die Arbeit erleichtert wurde.

Für einen Grossteil der Arbeiten wurde Massivholz verwendet, was eine Grossbestellung an Holz erforderlich machte. Neben Eiche wurde auch die dunkle Räuchereiche verarbeitet. Das Zusammenspiel dieser beiden aufeinander abgestimmten Holzarten wirkt sehr gut. Ausserdem kam brüniertes Messing zum Einsatz, eine Spezialität aus dem Hause Rö und von der Schreinerei selbst bearbeitet. Es wurde für Verzierungen eingesetzt.

Die Kreuzgeflechtfüllungen der Wandverkleidungen wurden eigens für das Casino Bern konzipiert und von einer Institution in Bern lokal hergestellt. Zusätzliches Rollengeflecht wurde teilweise ebenfalls in dieser Institution, teilweise bei Rö selbst und zu einem grossen Teil in Asien gefertigt. Dies hatte lange Lieferzeiten zur Folge. Das Material traf erst ungefähr vier Monate vor Abschluss des gesamten Umbaus in Gümligen ein, eine Nachbestellung wäre aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen.

Erfolg dank Vielseitigkeit

Nebst dem Fachwissen der Holzbearbeitung hat sich die Schreinerei Rö in den vergangenen Jahrzehnten ein breites Know-how in Bezug auf Konstruktionen in Metall, Glas, Stein, Leder oder Textilien aufgebaut. Zusammen mit einem grossen Netzwerk an eingespielten Spezialisten lassen sich so fachübergreifend Lösungen aus einer Hand realisieren. Das macht Projekte wie den Innenausbau für das Casino Bern für die Mitarbeiter von Rö sehr interessant.

Um sich am Anfang in diesen umfangreichen Umbau hineinfühlen zu können, half die Fertigung von Prototypen, die mit dem Architekten besprochen werden konnten. Ansonsten ging Rö wie bei früher realisierten Projekten an den Umbau heran. Unter anderem wurden anhand vieler Farb- und Oberflächenmuster diverse Wandstrukturen rekonstruiert und mit alten Fotos abgeglichen, denn alte Pläne gab es kaum. Nur mit diesem Vorgehen konnte der Umbau geplant, realisiert und den Wünschen gerecht vollendet werden.

Zu den Herausforderungen gehörte der Umfang des Projekts. Wie bei vielen Umbauten kamen noch spontane Arbeiten hinzu, die anfangs nicht abzusehen waren. Der Übergabetermin des Projekts war jedoch definitiv, weil die Wiedereröffnung bereits publiziert worden war und Events im neu renovierten Casino gebucht waren.

Besonders herausfordernd war auch das Beziehen der rohen Füllungen der Wandverkleidungen mit den Rollengeflechten. Diese wurden eine bestimmte Zeit lang im Wasserbad eingeweicht. Das Verfahren musste zuerst anhand eines Prototyps entwickelt werden. So konnte garantiert werden, dass die Geflechte perfekt sitzen und den hohen Ansprüchen entsprechen.

Enge Zusammenarbeit

Herausfordernd, aber auch spannend war die Koordination der Arbeiten von Planern, Schreinern und Monteuren. In der Arbeitsvorbereitung waren zeitweise vier Planer am Konstruieren, in der Produktion waren bis zu zwölf Schreiner gleichzeitig an der Arbeit. Zu Spitzenzeiten war gleichzeitig ein Dutzend Monteure auf der Baustelle, alle mussten den Ablauf genau kennen.

Während all der Planungs-, Produktions- und Montagephasen haben zusammengerechnet rund 30 Schreiner von Rö auf die eine oder andere Weise an diesem Projekt mitgewirkt, was dieses definitiv als Gemeinschaftswerk auszeichnet.

Weil auf der Grossbaustelle viele Handwerker tätig waren, wurden die Räumlichkeiten je nach Bauprogramm genutzt für die Lagerung von Maschinen und Werkzeug.

Ein einzigartiges Projekt

Rückblickend würde Kramer nicht grundlegend etwas anders machen wollen. «Hätten wir verschiedene Elemente früher produziert, hätten wir riskiert, im Falle baulicher Änderungen mit viel Mehraufwand Anpassungen vornehmen oder gar neu produzieren zu müssen. Mich hat es beeindruckt, wie das Zusammenspiel der Mitarbeiter geklappt hat, auch unter erschwerten Bedingungen.» Auf die Frage, was ihm am besten gefällt, wenn er bei so vielen tollen und spannenden Arbeiten überhaupt einen Favoriten nennen könne, sagt Kramer: «Die Wandverkleidungen aus massiver Eiche mit den Kreuzgeflechtfüllungen in Messing gerahmt im Salon d’Or und im Restaurant gefallen mir sehr gut, weil sie definitiv einzigartig sind.»

Mit diesem Umbau wurde das Casino – wie beabsichtigt – wieder näher zu seinen Ursprüngen zurückgeführt, mit heutigen modernen Möglichkeiten und ohne den Stil zu verlieren. Die schwierige Aufgabe wurde erfolgreich gemeistert.

www.roethlisberger.chwww.cmarchitekten.ch

Michael Berger

Veröffentlichung: 29. Oktober 2020 / Ausgabe 44/2020

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