Fest wie Stahl, weich wie Holz

Der elegante Pavillon hat vor dem Technikum Winterthur Wind und Wetter standgehalten. Bild: ZHAW

Forschung.  Holz und Faserverbundkunststoffe sind Materialien, die bauphysikalisch bestens zueinanderpassen. Das hat ein Forschungsteam der Hochschule Winterthur herausgefunden. Als Beweisstück entstand ein Pavillon aus Schaltafeln und glasfaserverstärktem Kunststoff.

Glasfaserkunststoff (GFK) lässt sich wie Holz bearbeiten und erreicht gleich hohe Festigkeiten wie Baustahl. Das bietet grosses Potenzial für den Einsatz im konstruktiven Holzbau. Dass der Holz-GFK-Verbundbau in der Praxis funktioniert, wurde anhand eines kleinen Pavillons bewiesen. Er stand dieses Jahr kurze Zeit auf dem Platz vor dem Technikum-Hauptgebäude in Winterthur ZH, heute Domizil der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Der elliptische Bau mit einer Grösse von 5 × 12 Metern in der Grundfläche und einer Gesamthöhe von 3,5 Metern bestand aus lediglich drei Baustoffen: handelsüblichen Schaltafeln (Dreischichtplatten), Platten aus Glasfaserkunststoff und Holzschrauben als Verbindungsmittel.

Ein Pavillon als Versuchsanlage

Der Pavillon diente der Fachgruppe Faserverbundkunststoff (FVK) an der ZHAW Winterthur als prototypische Versuchsanlage. Er sollte die Konstruktionsprinzipien für den Holz-GFK-Verbundbau verdeutlichen, die in einem mehrjährigen Forschungsprojekt gemeinsam mit den Partnern Zehnder Holz und Bau AG, Zimmerei und Schreinerei in Winterthur, und Walter Mäder AG, Produzentin von Kunstharzen und chemisch-technischen Baustoffen im aargauischen Killwangen, erarbeitet wurden. Unterstützt wurde das Forschungsprojekt auch durch die Fachgruppe Integrales Planen und Bauen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA).

Im Studienjahr 2015/2016 untersuchten Architekturstudierende zunächst verschiedene Pavillonbauten und entwarfen dann in Gruppen sechs eigene Konstruktionen aus Holz und GFK. Der Fokus wurde dabei auf materialgerechte und konstruktionsgetriebene Entwürfe gelegt. Einer der Pavillons konnte dann im Herbst 2016 mit den Studierenden realisiert werden. Dank der elementweisen Vorfertigung und der Leichtigkeit der Konstruktion war es schliesslich möglich, das Bauwerk ohne technische Hilfsmittel in nur vier Tagen Bauzeit zu errichten.

Für die Holzteile des Pavillons wurden rund 130 Buttholz-Schaltafeln der Tschopp Holzindustrie AG in Buttisholz LU mit den Massen 300 × 50 Zentimeter verbaut. Die meisten davon wurden im Originalmass für Boden und Aussenwand verwendet, zugeschnittene Tafeln dienten als Wandinnenseiten, Dachträger und Ringträger.

Das Holz übernimmt die Druckkräfte

Eine Plattform aus Schaltafeln bildete die Basis des Pavillons. Um das recht starke Gefälle des Geländes auszugleichen, wurde der Boden auf einen nivellierten Holzrost gelegt. Die drei Meter hohe Aussenwand entstand abwechselnd aus 50 Zentimeter breiten Schaltafeln und 3 Meter hohen, transluzenten Glasfaserkunststoffbahnen. Stück um Stück wurden die jeweils nächsten Wandelemente auf eingemessene Spurhölzer gestellt und mit den zugehörigen Dachträgern verbunden, bis die Pavillonwand geschlossen war.

Die Schaltafelelemente bildeten jetzt paarweise mit den Holz-GFK-Verbundträgern einen Rahmen. Dabei überragten die Träger die Wandkante um jeweils 15 Zentimeter, sodass sich das Dach mit einem Luftspalt etwas abhob. Das Dach selbst bestand aus einfachen GFK-Bahnen, die zwischen die Träger gespannt und mit diesen verschraubt waren. Zuletzt wurde oberhalb des Dachs ein elliptischer Ringträger montiert, der ebenfalls aus Schaltafeln elementweise vorgefertigt war. Er unterstützte die Gesamtstabilität. Bei allen Verbindungen war der GFK zwischen zwei Holzlagen befestigt. Die Schrauben konnten ohne Vorbohrung mit einem herkömmlichen Akkuschrauber direkt eingedreht werden. Die Tragweise der Konstruktion war besonders deutlich in den leichten Holz-GFK-Trägern zu erkennen; das Holz übernimmt die Druckkräfte, während Zug und Schub vom Glasfaserkunststoff übernommen werden.

Kunststoffbahnen selbst gefertigt

Glasfaserkunststoffplatten werden üblicherweise industriell gefertigt. Für den Pavillon wurden die Bahnen jedoch von den Studierenden vor Ort selbst hergestellt. Sie schichteten die Glasgewebematten für das Vakuum- Injektionsverfahren zwischen zwei Folien auf und verschlossen sie anschliessend luftdicht. Nachdem durch Unterdruck die Luft zwischen den Folien abgesaugt war, strömte flüssiges Kunstharz ein und füllte alle Hohlräume zwischen den Glasfasern. Die so entstandenen GFK-Bahnen von bis zu 4,6 Metern Länge wurden anschliessend zugeschnitten.

Im Pavillon waren 108 Quadratmeter GFK mit einem Gewicht von 630 Kilogramm verbaut. Vier Monate war das Bauwerk öffentlich zugänglich. Nach dem Abbau war die Zukunft ungewiss. Ein Wiederaufbau wäre einfach möglich. Wenn der Pavillon nicht mehr gebraucht wird, kommen zumindest die Schaltafeln wieder zum Einsatz: für ihren eigentlichen Zweck auf dem Bau.

Zur Autorin

Verfasserin dieses Beitrags ist Antje Sydow (AS). Die Ingenieurin ist Forschungsleiterin der Fachgruppe Faserverbundkunststoff (FVK) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur.Der Beitrag ist bereits in der Fachzeitschrift «Wir Holzbauer» erschienen.

www.zhaw.ch/fvk

as

Veröffentlichung: 12. Oktober 2017 / Ausgabe 41/2017

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