Finesse bis ins Detail

Klare Linien und grifflose Fronten zeichnen die Küche aus. Bild: Manuela Ziegler

Kreativität.  Schreiner Willi Sauter hat am Ermatinger Seeufer ein Wohnhaus gebaut. Wegen der strengen Bauauflagen stand ihm eine begrenzte Baufläche zur Verfügung. In der Architektur wie auch im Innenausbau musste jeder Quadratmeter optimal genutzt werden.

Leicht wirken die drei nebeneinanderstehenden Betonkuben, die den blauschimmernden Untersee durchblicken lassen. In geometrischer Strenge kontrastieren sie mit der lieblichen Kulisse. Das Wohnhaus wird flankiert von einer Garage sowie einem Geräteraum. Eigentlich wollte Bauherr und Schreiner Willi Sauter hier keine drei Gebäude errichten, schon ein Haus allein war lange kein Thema. Auf dem Erbgrundstück stand nur eine alte Scheune, die zwar eine Baufläche begründete, aber eine sehr kleine. Erst eine Verbreiterung des Seeradweges durch die Gemeinde Ermatingen TG mit einer Landabtretung brachte den Planungsprozess ins Rollen.

Bei der letztlich 12 × 12 m grossen Baufläche drehte sich in der Planung alles um die optimale Flächennutzung. Eine Unterkellerung wurde wegen der Hochwasserproblematik ausgeschlossen. Aufgrund der Bauauflagen stabilisierte man den Untergrund mit 14 m langen Pfählen und einem Streifenfundament. «Ein Kostentreiber», sagt Sauter. Die Herausforderungen für den verantwortlichen Architekten Florian Sauer vom Büro Dalla Corte + Völkle waren komplex. «Es galt, das enge Baukorsett optimal zu nutzen und eine ruhige Architektur zu schaffen, welche die Landschaft in den Vordergrund rückt und Durchsichten zum See lässt», sagt er. Das war ein Spagat, weil in dieser Lage nur eingeschossig gebaut werden darf. Kompromisslösung ist ein sogenanntes Attikageschoss, also ein zweites, auf der Vorder- und Rückseite des Hauses eingerücktes Stockwerk mit einem Flachdach. Genau die Haushöhe muss auch der jeweilige Abstand zum Nachbargrundstück betragen. Kleinbauten wie Garage und Geräteraum brauchen nur 1,5 m Abstand.

Wie eng das Baufenster im Verhältnis zur Grundstücksgrösse ist, zeigen die Masse: bei einer knapp 1900 m2 grossen Parzelle beträgt die Bruttogeschossfläche inklusive Wänden 185 m2.

Rahmenlos gearbeitet

Kein Wunder, ist die Bauhistorie beim Tüfteln um jeden Quadratmeter lang geworden. Doch Sauer gab nicht auf, der Architekturentwurf mit dem Flachdach und der klaren Öffnung der Wohnräume zum See hin überzeugte ihn. «Es musste ein Innenkonzept gefunden werden, das auch ohne Untergeschoss das Raumprogramm und die Wünsche des Bauherren abbildet», so der Architekt. Im Erdgeschoss liegen nun der Wohn-Ess-Bereich, ein Gästezimmer sowie ein Hauswirtschafts- und Technikraum, im Obergeschoss sind Schlaf- und Ankleideräume sowie das Badezimmer untergebracht. Die schlichte Formensprache der Architektur setzt sich auch im Innenausbau fort. «Die rahmenlose Glas-Tür-Konstruktion ist flächenbündig in die Fassade eingelassen», sagt Sauter, der die Arbeit selbst vorgenommen hat. Ein Motorenschloss mit Fingerscanner ermöglicht den Zutritt. Die Türfront wurde mit gebürstetem Fichten-Altholz verkleidet, ein Überrest aus der alten Scheune. Im Innern setzte der Schreiner wenige historische Akzente dezent fort, etwa in der Garderobenfront und im Spiegelrahmen.

Durchdachte Konstruktionen

Vom Gang aus besteht eine direkte Sichtachse zum See und auf die Trauerweide am Ufer. «Sie ist in etwa so alt wie ich», sagt Sauter über den besonderen Baum. Das vergleichsweise schmale Treppenhaus wirkt durch seine schnörkellose Innenarchitektur weitläufig. Die seitliche Betontreppe ins Obergeschoss ist mit einem Parkett aus angeräucherter Eiche belegt. Ein 5,30 m langer, runder Eichenholzhandlauf führt nach oben. Zur Flurseite hin besteht die Geländerbrüstung aus einer rot lackierten MDF-Front, eine Fortführung der Schranktüren für den Stauraum unter der Treppe. Die Gliederung der Front war durch die Grösse der MDF- Platten gegeben, verbunden wurden sie mit einer Nut-Feder-Konstruktion. Hingucker sind die längsseitig ausgefrästen Griffleisten der Schranktüren. «So erhielt ich eine einheitlich materialisierte Struktur der Fläche», sagt Sauter.

Ein ruhiges Bild schaffen die im ganzen Haus wandbündig angelegten metallenen Türzargen und Sockelleisten. «Die Sockelleisten sind im Aufbau deutlich aufwendiger», weiss Sauter. Im Rohbau wird ein Aluwinkel-Profil in der Wand vormontiert, die Wand- und Bodenisolation muss entsprechend angepasst werden, damit die Leiste nach dem Einbau des Bodens bündig mit der Wand abschliesst.

Pfiffige Details

Ruhe vermittelt auch das durchgehend verlegte Parkett aus angeräucherter, geölter Eiche mit verschieden breiten Riemen. Der Maserungsverlauf setzt sich bei den Kabelabdeckungen fort. Die grau-metallen lackierten MDF-Fronten der Küche bilden einen guten Kontrast zur Eiche. «Durch Grossklappen im oberen Bereich der integrierten Küchenzeile konnten wir die Raumhöhe von 2,76 m optimal als Staufläche ausnutzen», erklärt der Schreiner. Die Klapptüren lassen sich durch elektrische Öffnungen leicht bedienen. Bei der Kochinsel wünschte sich der Fachmann mehr Tiefe. Um genügend Platz am angrenzenden Esstisch zu behalten, entschied er sich für den Einbau flächenbündiger Schiebetüren. Pionierarbeit leistet der Bauherr beim Einbau der höhenverstellbaren Berbel-Deckenabzugshaube, die teilweise versenkbar ist. Ihr gläsernes rechteckiges Gehäuse ist verschiedenfarbig beleuchtbar. Eine Besonderheit bildet der zusätzlich im Deckenrahmen integrierte sogenannte Jetstream mit Abluftschlitzen zur Aussenlüftung. «Diese Konfiguration gibt es so genau ein Mal», meint Sauter. Bisher sei das Modell noch nie in eine Betondecke ohne Revisionsöffnungen verbaut worden, hätten Hersteller und Architekt argumentiert. «Der Sauter verbaut den Abluftkanal selbst in die Betondecke», zitiert der Fachmann sich selbst und schmunzelt. Für Revisionen kann das Glas in der Decke entfernt werden.

Abwägung von Kosten und Nutzen

Lichtdurchflutet und grosszügig ist der offene Wohn-Ess-Bereich durch seine komplette Fensterfront zum See mit den rahmenlosen Fenstern von Skyframe. Rund 500 kg schwer ist eine Scheibe, auch kostenmässig ein Schwergewicht, das dem Bauherrn als Segler und Seeliebhaber ein Muss war. Die atemberaubende Sicht gibt ihm Recht. Abstriche hat er dafür mit der Wahl von Kunststofffenstern gemacht. «So gab es an einigen Stellen im Planungsprozess Abwägungen bezüglich Kosten, Aufwand und Nutzen», meint Sauter. Meistens sind seine Entscheidungen aufgegangen. Bewährt habe sich auch die Terrasse aus säurebehandeltem Accoya-Holz, einer Kiefernart, die fussfreundlich und sehr dauerhaft sei, aber weicher als beispielsweise Tropenhölzer. Nachteil ist die Bildung von Schwarzpilz an der nordwärts gelegenen Terrasse über die Wintermonate hinweg. Ein Frühjahrsputz des Fachmanns hat Abhilfe geschaffen. Für den selbstgebauten Holzsteg wählte Sauter italienische Kastanie, die sehr witterungsbeständig ist und ohne chemische Behandlung auskommt. Nicht für die Ewigkeit, aber für die lange Dauer sind Steg und Haus gebaut.

www.schreiner-sauter.chwww.dallacortevoelkle.com

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 18. August 2022 / Ausgabe 33/2022

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