Fordernde Vielfalt

Das zweidimensionale Verformen ist auch bei farbigen Mineralwerkstoffen möglich. Bild: Hi-Macs

Mineralwerkstoffe.  Die Anzahl der Designs nimmt bei den Mineralwerkstoffen stetig zu. Damit gehen zumindest teilweise veränderte Verarbeitungseigenschaften einher. Deshalb muss in der Praxis genau hingeschaut werden, welches Material sich zu welchem Zweck eignet.

Im viel verzweigten Stammbaum der heutigen Materialvielfalt bilden die Mineralwerkstoffe einen dicken Ast. Seit die Firma Dupont Ende der 1960er-Jahre mit Corian die erste Mineralwerkstoff-Art auf den Markt brachte, sind im Laufe der Zeit manch andere Familien auf den Plan getreten. Rund zehn Hersteller bieten heute das porenlose Material auf Acryl- oder Polyesterbasis an. Der Begriff «Acrylstein» trifft den Charakter des Werkstoffes aufgrund seiner Eigenschaften besonders gut. Gerne in Bad und Küche eingesetzt, eignet er sich aufgrund der besonders hygienischen und homogenen Oberflächen vor allem auch für Krankenhäuser, Labore und Arztpraxen. Das typisch weisse Erscheinungsbild der Mineralwerkstoffe widerspiegelt die Eigenschaften dabei in besonderer Weise. Es gibt jedoch auch handfeste und ganz praktische Gründe für die Bevorzugung der weissen Designs. Denn je heller der Farbton, desto unempfindlicher ist das Material gegenüber Gebrauchs- und Alterungsspuren. Bei dunklen Tönen werden diese meist schneller sichtbar. Zwar wird das Material durch die Gebrauchspatina nicht in seinen Eigenschaften beeinträchtigt, doch optisch wahrnehmbar ist es allemal. Die Folge: Man muss es eher nachschleifen, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Meistens in Weiss

«Etwa 90 Prozent der Anwendungen werden auch heute in Weiss ausgeführt», sagt Roman Strub, zuständig für Verkauf und Events bei der Bard International AG in Allschwil BL. Dabei gibt es vom Mineralwerkstoff Meganite, mit dem Bard arbeitet, derzeit 73 weitere Dekore. Ähnlich verhält es sich bei den Mitbewerbern. Bei fast allen Herstellern liegen neben den unifarbenen Varianten auch Nachbildungen von Terrazzo-, Marmor- und anderen Steinoptiken zunehmend im Trend. Auch Holz wird imitiert. In der Summe der Produzenten kommt es so zu vielen Hundert verschiedenen Designs und durchaus auch zu unterschiedlichen Materialien. Für die Erzielung von grob strukturierten Designs werden zum Beispiel in der Produktion Partikel zugegeben, die auf der Oberfläche schwimmen und so etwa eine Terrazzooptik ergeben. Die Zuschlagstoffe und Partikel sind nicht zwingend aus Acryl, sondern auch aus Polyester und führen dadurch zu veränderten Eigenschaften gegenüber dem gewohnt homogenen Charakter der Mineralwerkstoffe. Zwar sind Mineralwerkstoffe ohnehin schon wegen der Anteile an Glimmer richtungsabhängig, weshalb man Platten nicht drehen sollte, um optische Unterschiede zu vermeiden. Doch dies wird noch deutlicher durch strukturierte Designs. Bei Marmorierungen der Werkstoffe resultieren produktionsbedingt auch unterschiedliche Optiken auf der Vorder- und Rückseite der Platten. So wird der Mineralwerkstoff durch die Musterungen zu einem deutlich richtungsabhängigeren Material, was wiederum zu höheren Anforderungen bei der Verarbeitung führt. «Diese Thematik wird den Schreinern wohl in Zukunft öfter begegnen, denn die naturnahen Optiken wie steinähnliche Produkte und auch Betondesigns werden neben den unifarbenen Varianten wohl auch künftig weiter im Trend liegen», sagt Strub. Um gerade mit groben Steinoptiken unangenehme Überraschungen im Produktionsergebnis zu vermeiden, führt für den Praktiker kaum ein Weg am Studium des Kleingedruckten vorbei.

Künftig genau hinsehen

Längst nicht bei allen Herstellern finden sich in den technischen Merkblättern und Verarbeitungshinweisen Informationen darüber, ob und welche Designs besondere Anforderungen bei den gängigen Bearbeitungen wie etwa dem thermischen Verformen mit sich bringen. Dabei können sich die Ergebnisse von zwei- gegenüber dreidimensionalen Verformungen durchaus unterschiedlich verhalten. Der Zugang zum Know-how der Lieferanten und Hersteller wird bei der Verarbeitung der vielfältigen Designs deshalb wichtiger werden. Hersteller Lotte etwa liefert bei den Produktlinien von Staron explizite Hinweise zu den Besonderheiten der jeweiligen Optiken. Schweizer Partnerin für Staron ist die Studer Handels AG in Höri ZH, die dem Schreiner so auch umfängliche Unterstützung in Bezug auf die Designeigenschaften bieten kann.

Knackpunkte bei Farben

Dass sich die Dinge im Detail durchaus unterschiedlich darstellen, bestätigt auch die Kläusler Acrylstein AG aus Bassersdorf ZH als Generalimporteurin von Hi-Macs. «Bei den Unifarben und den Designs mit kleinen Partikeln muss sich der Verarbeiter bis auf die möglichen Biegeradien wenig Gedanken machen», sagt Yves Glauser, Geschäftsleiter der Kläusler Acrylstein AG. Der Radius kann je nach Farbton unterschiedlich ausfallen. Wird in kleineren Radien geformt, kann es zu Aufhellungen im Material kommen, die beim homogenen Flächenbild dann schnell sichtbar werden. Die Empfehlungen der Hersteller und Partner sollten deshalb unbedingt beachtet werden. Und auch die Entwicklung läuft stetig weiter. «Bei der neuen Farbgruppe Intense Ultra sind nun sehr viel kleinere Radien möglich», sagt Glauser. Das Produkt wurde daraufhin optimiert und lässt bei höherer Farbkonstanz auch enge Biegeradien von bis zu sechs Millimetern zu. Bei 3D-Verformungen von farbigen und fein pigmentierten Dekoren seien grundsätzlich schneller entsprechende Aufhellungen zu erwarten als bei zweidimensional gebogenen Teilen.

Wichtig ist zudem beim Schleifen von farbigen, vor allem dunklen Tönen: Der dafür meistens eingesetzte Exzenterschleifer kann wegen des Schleifstaubes nicht mehr für helle Materialien eingesetzt werden, weil sich schon kleine Mengen des Staubs an der Oberfläche festsetzen und so später zu unschönen Stellen auf dem hellen Mineralwerkstoff führen.

Partikel schränken ein

Grob strukturierte Farben wie die Terrazzodesigns enthalten grosse Partikel, die auch aus Polyesteranteilen bestehen können. Während der acrylgebundene Mineralwerkstoff einfach thermisch verformbar ist, handelt es sich bei Polyester um einen Duroplast, der solche Bewegungen nur sehr eingeschränkt mitmacht. «Zweidimensional lassen sich solche Designs in Grenzen mit grösseren Radien von 80 bis 100 Millimetern formen, während eine 3D-Verformung kaum möglich ist, weil sich die grossen Partikel auslösen würden», sagt Glauser.

Durch die richtungsgebundenen Strukturverläufe gerade von grob gemusterten Mineralwerkstoffen führt das Arbeiten in die Materialebene hinein zu veränderten Erscheinungsbildern. Wenn etwa flächig ein Gefälle wie für die Abtropffläche bei Spülbecken oder eine grössere Hohlkehle angefräst wird, dann erscheinen diese durch den Strukturverlauf optisch verändert. Zwar gibt es nicht wie bei Holzwerkstoffen ein echtes Rohdichteprofil der Platte, doch optisch ist das Erscheinungsbild anders.

Kanten strukturiert angehen

Durch den strukturierten Verlauf vieler Mineralwerkstoffdesigns erfordert auch die Kantenausbildung grössere Aufmerksamkeit. Stumpf gestossene, rechtwinklige Verbindungen führen dann schnell zu einer Sichtbarkeit der unterschiedlichen Materialverläufe von Schmalkante und Fläche. Die Verbindung mittels V-Nut ist dann die erste Wahl, wenn ein durchgängiges Bild erzeugt werden soll, weil so der Strukturverlauf nicht unterbrochen wird.

Reduzieren lässt sich der Eindruck eines optischen Bruches auch durch das Anfräsen eines Stufenfalzes. Eine Rundung oder Fase hilft dabei, diesen Eindruck zu reduzieren. «Dunklere Farben machen teilweise ein starkes Einfälzen von Kantenaufdoppelungen notwendig, weil die Farbe auf der Stirnseite dunkler oder heller erscheint als in der Fläche», sagt Glauser. Die Alternative: Je nach Design führt der bewusste, sichtbare Einsatz von Aufdoppelungen zu einem lebhaften Bild der Kante. Die Klebefuge bleibt dann zwar sichtbar, kann aber so auch als unterstreichendes Detail gestalterisch eingesetzt werden.

Stösse ohne Richtungsänderung

Sind Plattenstösse in Längs- oder Parallelrichtung mit durchgängigem Bild bei den meisten Mustern recht einfach zu realisieren, wird es für L-förmige Teile je nach Design anspruchsvoller, weil ein gewöhnlicher 90°-Stoss zu einer optischen Unterbrechung führen würde. Besser ist es dann, den rechtwinkligen Stoss in paralleler Verlaufsrichtung der Platte auszuführen oder alternativ eine Gehrungsverbindung zu schneiden. Eine vorangehende Auswahl und Zusammenstellung des Plattenmaterials ist bei Winkelverbindungen in der Fläche in jedem Fall sinnvoll. Bei grösseren Flächen und solchen mit mehreren Stössen können auch wellenförmige Fugen eine ästhetisch ansprechende Lösung sein. Mittels Bearbeitungszentrum leicht ausführbar, kann die Fuge auch mit einer Schablone händisch gefräst werden. Exakte Arbeit vorausgesetzt, fällt der wellige Fugenverlauf weniger ins Auge als die gerade Linie.

Stets wichtig dabei: «Die Platten sollten aus dem gleichen Produktionslos stammen, weil auch minimale Farbunterschiede sonst schnell sichtbar sind», sagt Glauser. Dies setzt freilich eine sorgfältige Materialbedarfsplanung voraus, bei der die Richtungsanordnung des gemusterten Werkstoffes festgelegt wird. Aber das ist für den Schreiner ja tägliches Brot, der wie kein anderer Berufszweig mit richtungsabhängigen Materialien umgehen kann. Insofern ist die zunehmende Design- und Mustervielfalt bei den Mineralwerkstoffen auch eine Chance, in deren Verarbeitung einzusteigen, weil man es einfach kann.

www.bard-international.chwww.studerhandels.chwww.himacs.ch

ch

Veröffentlichung: 12. Dezember 2019 / Ausgabe 50/2019

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