«Fredyflex» sprüht vor Kreativität

Mit Atemmaske und Spraydose lebt Frédéric Eigenheer (47) seine Kreativität aus. Bild: Simon Boschi

Böse Jungs, die zu nachtschlafender Zeit Mauern versprühen, um der etablierten Galeriekunst den Stinkefinger zu zeigen – dieses Bild kommt einem in aller Regel zum Wort Graffiti in den Sinn. Doch Frédéric Eigenheer, gelernter Schreiner und bodenständiger Endvierziger, dezent ergraut und mit einer hippen Hornbrille auf der Nase, verknüpft dieses «sprühende» Lebensgefühl mit solidem Lebenswandel.

«Ich war schon immer ein spezieller Vogel, und nicht alle hatten ihre Freude mit mir.» Das Künstlerische sei schon früh aus ihm herausgebrochen. «Schon während der Schreinerlehre war ich ein kreativer Träumer und wünschte mir mehr gestalterische Freiheit. Mich auf den Punkt genau an Ausführungspläne zu halten, empfand ich als einengendes Korsett», erklärt er. Er machte eine Zusatzausbildung zum Lackierer. Doch x-mal gleiche Teile zu lackieren – nein, das konnte es auf Dauer auch nicht sein. «Ich fing an, mit der Spritzpistole zu experimentieren, und holte dabei so richtig aus», sagt er. Bald verzierte er Motorräder und Helme seiner Kollegen mit der Airbrush-Pistole. Seit einigen Jahren verknüpft er den Schreinerberuf mit dem Sprayen, indem er alten Möbeln eine neue Seele einhaucht. Die so geborenen Unikate sind zwar Nischenprodukte, wohnen aber längst in den besten Häusern. Kürzlich erntete er an einer Designermesse in Karlsruhe (D) internationale Anerkennung aus Fachkreisen. «Meine Idee fiel total krass aus dem Rahmen», erzählt Eigenheer und beschreibt dann in groben Zügen, wie er jeweils vorgeht.

Zuerst «befreit» er die Rohlinge aus Brockenhäusern oder sammelt sie auch mal ein, wenn sie mit der Nachricht «Gratis zum Mitnehmen» am Strassenrand stehen. In seinem Atelier bringt er die Möbel funktionstechnisch auf Vordermann, indem er sie in ihre Einzelteile zerlegt und neu montiert. Beim Herrichten der Möbel sei Tüfteln, Feilen und Schleifen angesagt, erklärt «Fredyflex», wie ihn seine Kollegen in Anspielung auf seine Anpassungsfähigkeit und seine Ideenvielfalt nennen. Mit Graffiti verleiht Eigenheer den Möbeln Einzigartigkeit. Das Sprayen selbst dauert nur wenige Sekunden, doch bis das Objekt in neuem Glanz erstrahlt, braucht es viel Zeit und Geduld. Alleine das Anfertigen der Schablone dauert locker einen Tag. Anlässlich des 100. Geburtstags der Rheinbrücke im zür- cherischen Eglisau ist der Künstler nun angefragt worden, einen «sprühenden» Beitrag zum Fest aller Feste seines Heimatorts beizusteuern. Und so wird er bald eine 200 Meter lange Holzwand entlang des Rheins aufstellen, um sich selbst und anderen eine gestalterische Plattform zu bieten.

Eigenheer bietet Graffiti-Workshops an und macht Vorträge in Schulen. Dabei ist ihm das Thema Prävention besonders wichtig. «Die Kids müssen realisieren, dass verbotenes Sprayen weitreichende Konsequenzen hat. Niemals lohnt es sich, für kurzen Ruhm unter Umständen ein Leben lang zu büssen. Es gibt genug legale Wege, um beim Sprayen sein Glück zu finden.»

«Es gibt genug legale Wege, um beim Sprayen sein Glück zu finden.»

BEB

Veröffentlichung: 16. Mai 2019 / Ausgabe 20/2019

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