Furnier – Perfektion in Bildern

Für den ehemaligen Furnierbewerter Ernst Looser (81) ist sie das Mass aller Dinge: die Gotthardpost. Bild: SZ, Monika Hurni

Er schafft in seinem Leben alles mit links. Bei Ernst Looser ist das keine Redewendung, sondern eine Tatsache. Dem vielseitigen Handwerker fehlt aufgrund eines Geburtsfehlers die rechte Hand. Ein Handicap, das den 81-Jährigen zeitlebens weit mehr angespornt als gebremst hat. «Das Einzige, was ich wohl nicht könnte, ist melken», sagt er. «Aber ich bin ja auch kein Bauer», fügt er mit einem Augenzwinkern an. Die Kindheit sei nicht einfach gewesen, gibt er offen zu. Doch Looser geht unbeirrt seinen Weg. Er strebt eine Ausbildung zum Stickereizeichner an, findet aber keine Lehrstelle. So verschlägt es ihn in eine Rheintaler Möbelfabrik, wo er das Schreinerhandwerk von der Pike auf lernt. Bald entdeckt er seine Affinität zum Furnier, die ihn sein Leben lang begleiten soll. Im Zürcher Furnierwerk in Regensdorf findet der gebürtige St. Galler seine berufliche Erfüllung. «Als Furniertaxeur habe ich einen vertieften Zugang zur Vielfältigkeit und Schönheit des Holzes bekommen», schwärmt er. Die Erfüllung findet Looser auch in seinem Privatleben. Er heiratet und wird Vater dreier Kinder. Im Beruf weiss er durch sein Fachwissen zu überzeugen, muss sich aber immer aufs Neue beweisen, «weil ich nicht so hochstudiert war, wie meine Arbeitskollegen». Doch genau wie in seiner Kindheit spornt ihn dieser Druck zu Höchstleistungen an: In mühevoller Einlegearbeit fertigt er ein rundes Intarsienbild mit einem Durchmesser von fast zweieinhalb Metern an, bei dem sich die einzelnen Furnierstücke, wie die Ringe einer Zwiebel ineinanderfügen. Damit verschafft sich Looser den Respekt seiner Kollegen.

Das Furnier wandelt sich für Looser vom Beruf zur Berufung, denn nach mehreren Jahren als Furnierbewerter nimmt er eine Stelle als vollamtlicher Hauswart an. Nebenher erstellt er die kunstvollsten Einlegearbeiten, die er oft auch ins Ausland verkaufen kann.

Und dann, eines Tages, sieht er an einer Ausstellung in Zürich ein Intarsienbild von Rudolf Kollers Gotthardpost. «Ich war überwältigt und hatte in diesem Augenblick eine neue Herausforderung gefunden.» Er bittet den Fotografen – notabene einen Fachredaktor der SchreinerZeitung – ihm eine Aufnahme zur Verfügung zu stellen. Er klebt ein weisses Papier an die Wand, projiziert das Dia in der vorgesehenen Grösse darauf und überträgt in minutiöser Art die Konturen. «Die Vorlage habe ich in der Nacht angefertigt, weil ich die Umrisse da viel besser sehen konnte», erklärt Looser. Heute bestellt er das gewünschte Bild einfach im entsprechenden Format und erspart sich einen grossen Teil der Vorarbeit. Die Hauptarbeit, das Einlegen, erfordert jedoch noch genau so viel Geduld und Fingerspitzengefühl wie eh und je. «Natürlich verfeinert man im Laufe der Jahre seine Technik», sagt Looser. So sei es wichtig, das Messer immer in derselben Position zu halten. Kleine Teilchen setze er erst zum Schluss ein. Nur in absoluten Ausnahmefällen muss der Fachmann bei seinen filigranen Werken auf den alten Trick mit dem Kitt aus Schleifstaub und Weissleim zurückgreifen. Seine Werke furniert Looser immer selber. «So bin ich bei einem Kürschner auch selber schuld.»

Gerade ist kein Bild in Arbeit. «Ich bin auf der Suche nach einem Sujet», erklärt er. Doch dem vierfachen Grossvater wird es nicht langweilig. Zusammen mit seiner Frau verbringt er viel Zeit in ihrem Campingchalet in Wildberg. Dort gibt es für den passionierten Gärtner immer etwas zu tun. Und dann ist da auch noch Boscha, die elfjährige Hündin seines Sohnes. «Sie erholt sich bei uns von ihrer Chemotherapie», erklärt Looser, und tätschelt sie liebevoll. Vielleicht würde sich Boscha ja auch als Sujet für das nächste Werk eignen?

«Als Furniertaxeur habe ich einen vertieften Zugang zur Vielfältigkeit und Schönheit des Holzes bekommen.»

mh

Veröffentlichung: 16. Oktober 2014 / Ausgabe 42/2014

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