Gemeinsam Stärke erreichen

Das geschickte Kombi-nieren von Material und Schichtstärke eröffnet ein riesiges Feld an Möglichkeiten. Bilder: SZ, Andreas Brinkmann

Sperrholz.  Die gekonnte Schichtung und Verleimung von Furnier macht aus Holz ein definiert belastbares Produkt mit sehr konstanter Mass- und Formhaltung. Die Möglichkeiten für den Schreiner übersteigen das, was standardmässig im Handel angeboten werden kann.

Massive Holzplatten haben zwei Eigenschaften, die zu unangenehmen Folgen bei einem Produkt führen können. Einerseits sorgt das unterschiedliche Schwinden und Quellen in Faserlängs- oder -querrichtung zwangsläufig für Massdifferenzen. Andererseits ist die Biegebelastbarkeit in der Längsrichtung wesentlich höher als quer. Leimt man zwischen zwei gleich dicke, längs laufende Massivholzplatten eine, die 90° quer zu deren Faserrichtung liegt und so dick ist wie beide Aussenplatten zusammen, sind beide Nachteile weitgehendst aufgehoben.

Die so gesperrte Fläche hat längs wie quer die gleichen Eigenschaften. Mit der Lage und Stärke der Mittellage kann somit die statische Fähigkeit einer Platte massgeblich beeinflusst werden. Wird ein solcher Schichtaufbau mit Furnieren gemacht, spricht man von Sperrholz. Ist die Platte dicker als 12 mm und hat mindestens fünf Schichten, dann ist es eine Multiplexplatte.

Den Baum abrollen

Es wirkt, wie wenn eine Papierrolle abgerollt wird. Das gedämpfte, auf Mass abgelängte Baumsegment ist zentrisch eingespannt und wird dem langen Schälmesser zugeführt. Mit der Drehung des Stammes entsteht ein Band aus Furnier, das über Transportbänder von dieser riesigen Drehbank fortführt. Das Holzband wird zu Blättern mit einer dem Auftrag entsprechenden Länge geschnitten und diese in einem Rollentrockner im Durchlaufverfahren getrocknet. Diese grossen Blätter aus Holz bilden dann die Basis, womit durch gezieltes Aufeinanderschichten Sperrholzplatten entstehen. Die Qualität der einzelnen Schichten muss dem gewünschten Zweck entsprechen. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass es auch in den Mittellagen keine Löcher, beispielsweise von Ästen, haben darf, da diese nach dem Formatieren fürs Endprodukt sichtbar wären.

Fehler müssen also herausgeschnitten werden und die guten Bereiche zusammengefügt und verleimt werden. Was in einer Schreinerei mit viel Aufwand erreicht wird, läuft in einer Sperrholzfabrik über riesige Spezialmaschinen, welche die Fügekanten vorleimen, die Furnierstreifen anschliessend verpressen und dann die Leimfuge mit UV-Licht aushärten.

Aufbauen von Schichten

Mit seiner speziellen Struktur und dem je nach Sorte verschiedenen Faseraufbau lassen sich nur in einem begrenzten Rahmen Schälfurniere herstellen. «Wir stellen Furniere in den Dicken von 0,8 bis 4,0 mm her», sagt Jürg Mock. Er ist verantwortlich für den Bereich Sperrholzplatten im noch einzigen Schweizer Sperrholzwerk, der Firma Hess & Co. AG in Döttingen AG. Geschält wird Buche, Eiche, Esche, Ahorn, Pappel, Lärche, Douglasie, Tanne und Fichte. Nicht jede Holzsorte lässt sich jedoch auf 0,8 mm schälen, was aber auch nicht für jede Sorte Platten unbedingt notwendig ist. Standardmässig werden für viele Platten 1,7 und 2,5 mm dicke Furniere verwendet. Für Feinschicht-Sperrholzplatten setzt Hess 0,8 mm dünne Furniere ein. Das ergibt mehr Schichten und eine höhere Festigkeit bei gleicher Plattendicke. Eine dünne Furnierstärke macht dafür bei dicken Multiplexplatten keinen Sinn. Die vielen Blätter und Leimfugen würden die Platten nur verteuern. Wer Möbelplatten mit einem gemesserten Deckfurnier aus Eiche benötigt, wird gerne auch die Mittellagen aus Eiche haben wollen. Das ist mit dem Schälfurnier relativ kostengünstig möglich.

Richtig, wer bis hierhin gelesen hat, merkt, dass nicht nur das, was im Handel angeboten wird, möglich ist. Wie eine Platte aufgebaut wird, richtet sich nach dem Kunden. Der Handel bestellt Platten, die standardmässig gefordert werden. Für manchen Auftrag wäre aber durchaus eine eigene Lösung interessanter.

Weiterführende Möglichkeiten

Wer um den Standard und die Eckdaten einer Produktion weiss, kann auch abschätzen, ob eine Sonderlösung das eigene Angebot interessanter machen kann.

Bei Hess hat die Furnierpresse 20 Etagen mit Pressflächen von 3000 × 2000 mm. Damit lassen sich Plattenstärken von 3 bis 125 mm verpressen. Die maximale Länge des geschälten Furnieres beträgt 2650 mm. Die Standardplattenlängen sind 2200 und 2550 mm. Vor der Etagenpresse durchlaufen die zukünftigen Platten als Paket noch eine Vorpresse. In ihr können aber auch bis zu 1000 mm dicke Blöcke gefertigt werden, was beispielsweise für Knotenmodule im Holzbau erforderlich ist.

Eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang auch die «Fineline»-Platte. Dazu werden Blöcke mit 350 mm Stärke mit meistens nur längs laufenden Furnieren verleimt und mit einem Vollgatter auf die gewünschte Dicke von 4 bis 150 mm geschnitten. Der Schreiner kann diese Streifen anschliessend zu einer Platte verleimen, wenn er beispielsweise eine feinlinierte Tischplatte herstellen möchte.

Eine weitere Spezialität ist der «Schallprotector». Die Verbundplatte aus Buche und einer Mittellage aus Schwergummi ist 13 mm dick und erreicht einen Schalldämmwert von Rw = 35 dB. Die doppelte, 27,5 mm dicke Version erreicht 38 dB.

Mit geringer Stärke ist also bereits viel zu erreichen. Zusätzlich zeigt dieses Beispiel aber auch, dass andere Materialien mit in die Schichten einbezogen werden können.

Zehn Platten müssen mindestens von einer Sorte bestellt werden, damit die Produktion einer individuellen Zusammenstellung, wie unterschiedliche Holzsorten für leichtere, stabilere oder schönere Platten, Sinn macht. Die Herstellung dauert für individuelle Platten rund fünf bis sechs Wochen.

Formen für ausserordentliche Lösungen

Von Beginn weg sehr viel individueller geht es zu und her, sobald Formsperrholz gefragt ist. Das sind beispielsweise Sitzschalen, Schlittenkufen oder Verkaufssteller für den Ladenbau. Mit ihrem 5-Achs-CNC-Bearbeitugscenter können viele Pressschablonen bei Hess gleich selber hergestellt werden. Diese sind Eigentum des Auftraggebers, verbleiben aber im Werk.

Es gibt aber Formen, die frei verfügbar sind und mit denen jeder Rohschalen pressen lassen kann. Die anschliessende, individuelle Formgebung durch Fräsung einer solchen Schale führt dann zum unverwechselbaren Unikat für den Schreiner sowie dessen Kunden. Das ermöglicht, einem Auftrag eine ganz spezielle Note geben zu können oder beispielsweise überhaupt Stühle herstellen zu können. Auch die Weiterbearbeitung muss keine schlaflosen Nächte verursachen. Jeder Hersteller in diesem Bereich ist in der Lage, alle geforderten Bearbeitungen anzubieten. Bei Hess gilt das Angebot auch für den Plattenbereich.

Gezielt gestalten

Formteile sind oft speziellen Belastungen ausgesetzt, was eine Verdickung an den neuralgischen Stellen erfordern kann. Durch mehrere Arbeitsschritte wird eine passende keilförmige Mittellage geschaffen, die dann mit der endgültigen Schale verpresst wird. In vielen Fällen reicht aber schon das gezielte Setzen der Holzlaufrichtung der einzelnen Schichten aus, um in einer gewünschten Richtung mehr Stärke zu erhalten.

Das Zwischenlegen von HPL-Platten bringt vor allem bei dünnen Schalen mehr Stabilität. Was als Zwischenlage verpresst werden kann, geht bei Hess auch als Deckmaterial. Neben Deckschichten aus zugekauftem gemessertem Furnier können auch Dekorflächen in Postforming-Qualität verpresst werden. Die Flächen sind somit äusserst plegeleicht und passen optimal zu anderen Auftragselementen.

Schwer entflammbar

Da Furnier ein recht dünnes Material ist, hat das speziell auch Vorteile, wenn es um Imprägnierungen geht. Immer mehr muss speziell in öffentlichen und auch sonst empfindlicheren Bereichen Material verwendet werden, welches schwer entflammbar ist.

«Mit dem Produkt ‹Guardian› bieten wir Multiplexplatten bis zu 50 mm Dicke, die schwer entflammbar nach DIN 4102-B1 sind», sagt dazu Jürg Mock. Die Ausführungen in Buche, Esche, Tanne, Pappel sowie Birke wurden zertifiziert. Normale Birkenplatten sind in der Schweiz nicht rentabel herstellbar, schwer entflammbar wird aber sonst kaum angeboten. Wer den Schutz, nicht aber das Zertifikat benötigt, kann auch andere Hölzer erhalten, in einem Vakuumverfahren werden die Furnierblätter mit Schwefelphosphat durchtränkt.

Anschliessend durchlaufen die Blätter wieder den Trocknungsprozess und können dann zu Platten oder Formteilen verpresst werden. Nach der Behandlung ist das Holz ein wenig dunkler, lässt sich aber normal beizen und lackieren. Die Lieferzeit verlängert sich durch diesen Prozess um eine Woche.

Wer sich mit der Materie Sperrholz einmal befasst hat, wird immer wieder Anwendungen finden, welche die eigene Schreinerarbeit auf sehr spezielle Art ergänzen und manche Besonderheit erst möglich machen.

www.hessco.ch

ab

Veröffentlichung: 03. Dezember 2015 / Ausgabe 49/2015

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