Gregor I. beherrscht die Fasnacht

Ein Herrscher wie aus dem Bilderbuch: Gregor Imholz (32) regiert als Steivater über die Fasnacht in Steinhausen ZG. Bild: Beatrix Bächtold

Kurz vor Mitternacht sitzt Gregor I. am 1. Februar auf seinem Thron. Wallende Mähne, Vollbart, stramme Waden, Zepter, schwere Ehrenkette und ein Bäuchlein, das den Geniesser verrät. Soeben wurde der in Steinhausen ZG fest verwurzelte Schreiner in den Stand des fasnächtlichen Hochadels erhoben. Mit dröhnenden Guggen und jubelnden Untertanen, so wie sich das gehört. Frisch gekrönt, nimmt Gregor I. nun die Huldigungen der Delegationen entgegen. Er geniesst es. Schliesslich dauert seine Amtszeit als Steivater, also Oberhaupt der Steinhauser Fasnacht, nur vier Wochen. In dieser kurzen Zeit will er möglichst profund in die Untiefen der fasnächtlichen Meere abtauchen. «Dabei darf ich aber auf keinen Fall zu viel Wasser schlucken», sagt er mit ernstem Gesicht. Den passenden Kahn für die Fahrt durchs Konfettimeer baute sich Gregor I., der im bürgerlichen Leben Gregor Imholz heisst, gleich selbst. «Meine Vision war, eine Plattform zu schreinern, die ich erklimmen kann, sobald die Wogen im Getümmel hoch schlagen», erklärt er. Zu diesem Zweck verpasste er dem Fasnachtswagen ein begehbares Holzdach mitsamt Geländer auf der Steuerkabine. So etwas braucht Zeit. «Schon bei der Bewerbung habe ich meinen Arbeitgeber, die KDS AG, über meine starke ehrenamtliche Tätigkeit in verschiedenen Vereinen informiert. Ich sagte auch, dass ich arbeite, um zu leben, und nicht umgekehrt», verrät er.

«Der Schreiner ist tendenziell ein kreativer Typ,
häufig lokal orientiert und spontan bereit,
seinen Horizont zu erweitern.»

Er finde es wichtig, bei der Bewerbung auch das Thema Freizeit zur Sprache zu bringen. «Das schafft für beide Seiten Klarheit und schliesslich Zufriedenheit», betont er. Den Weg auf den soeben bestiegenen Thron fand Imholz durch die Guggenmusik Steischränzer, wo er mit dem Sousafon, einer besonderen Art der Tuba, spielt. «Im Vergleich zu anderen Gesellschaften ist das Amt des Fasnachtsoberhaupts in Steinhausen niederschwellig. Lokalrunden sind verpönt, und man muss auch nicht zu einem vordefinierten Kreis nobler Bewerber gehören», sagt er. Zu den Pflichten des Steivaters gehört es, den Verein bei zahlreichen Veranstaltungen zu repräsentieren. Voraussetzung dafür sind ausgesprochene Trink- und Winkfestigkeit. Letztere trainierte der Schreiner gewissenhaft und ist nun in der Lage, stundenlang seine Untertanen zu grüssen. Ein Muss ist auch der Apéro, den er kurz vor seiner Inthronisation spendiert. In voller Montur bewahrte er rund 100 Personen vor dem Verdursten, und seine Freundin reichte die Verpflegung. Man sieht, auch ein König braucht Verbündete. Gregor I. ist mit 32 Jahren der jüngste Steivater in der Geschichte der Fasnachtsgesellschaft Steinhausen. Deshalb will er frischen Wind in die Segel der traditionsreichen Gesellschaft pusten. Unter anderem plant er, seine Amtstätigkeit auf Social Media zu dokumentieren. So zum Beispiel die königliche Schur. Gregor I. züchtete nämlich seit Anfang Sommer seine Haar- und Bartpracht. Am Dienstag vor Aschermittwoch wird er für seine Untertanen Haare lassen. Mit diesen füllt er ein Kissen, das man auf Instagram gewinnen kann.

Er sagt: «Ich wäre kein richtiger König, wenn ich mein Volk nicht auch beschenken würde.» Und dann erklärt der Monarch, warum sich seine Berufsgruppe besonders fürs Amt eignet: «Der Schreiner ist tendenziell ein kreativer Typ, häufig lokal orientiert und spontan bereit, seinen Horizont zu erweitern. Urchig, gesellig, bodenständig und Kenner aller Möglichkeiten», sagt er und klopft zur Bekräftigung mit seinem Zepter auf den Bühnenboden, dass die Bretter nur so krachen.

beb

Veröffentlichung: 13. Februar 2020 / Ausgabe 7/2020

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