Gretchenfragen am laufenden Band

Viele Türen kommen mit zwei Bändern aus, wenn diese ausreichend dimensioniert werden. Bild: Simonswerk

TürBänder.  Wie viele Bänder einen Türflügel tragen müssen – die Antwort hat so gar nichts mit Glauben zu tun und dennoch spielen Gewohnheiten und gefühlte Wahrheiten dabei eine Rolle. Obwohl manche Variante in der Wirklichkeit auftaucht, sind sich viele Experten einig.

Bei jedem Öffnen und Schliessen der Türen war ein knackendes Geräusch zu vernehmen. Es war eine dieser Projekterfahrungen, auf die Gerhard Rasch als technischer Experte beim VSSM in Wallisellen ZH heute mit einem Augenzwinkern schaut. Damals als Projektleiter im konkreten Fall war es natürlich eine grosse Sache. Hochwertige Türen und das dritte Band macht bei jeder Bewegung ein Geräusch. Es musste nachjustiert werden und das ist damals wie heute durchaus aufwendig bis jede Tür geräuschlos der Bewegung folgt. «Das dritte Band ist Fluch und Segen zugleich», sagt Rasch. Manchmal brauche es das dritte oder sogar das vierte Band. Auf der an­deren Seite gelte: Was nicht da ist, kann nicht zum Problem werden. Für Rasch ist deshalb klar: «Wann immer es geht, sind zwei ­ausreichend gut dimensionierte Bändern der Variante mit einem dritten Band vorzuiehen.»

Nimm zwei – oder mehr

Historisch gewachsene Gewohnheiten spielen eine Rolle bei den Antworten, ob, wann und wie ein drittes Band oder sogar mehr Bänder sinnvoll sind. Regional kann das Ganze durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein. In der Schweiz neigt so mancher Türenbauer zum dritten Band im oberen Drittel, gewissermassen als Qualitätsmerkmal, denn wenn die Last zusätzlich aufgenommen wird, kann das ja wohl kaum schaden. Andere sehen das dritte Band standardmässig in der Mitte der Türhöhe, sei es aus optischen Beweggründen oder weil das Gefühl vorherrscht, das Türblatt sei so besser gehalten. In der Praxis ist es dann eben doch oft so etwas wie eine Gretchenfrage. Wie hälst du es mit dem dritten Band? Wer sich umschaut, dem fallen viele Türen auf, bei denen man durchaus fragen könnte, ob man das Ganze hätte auch hätte anders lösen können.

Auch spielen normative Vorgaben, wenngleich diese nicht in Schweizer Normen überführt wurden, eine Rolle. Allen voran die DIN 18268. Darin ist die sogenannte Bandbezugslinie geregelt. Dabei handelt es sich um die festgelegte Linie eines Türbandes, die in einem bestimmten Abstand zur Oberkante steht. Daraus ergeben sich auch die Abstände von Bändern bei unterschiedlichen Türhöhen. Weiter regelt die DIN 18101 viele Apsekte von Türen im Wohnungsbau, wie etwa die Abstände zwischen den Bändern. Ein drittes Band soll danach 350 mm unterhalb des oberen Bandes montiert werden.

«Zwei fachgerecht ­dimensionierte Bänder sind grundsätzlich drei Bändern vorzuziehen.»

Gerhard Rasch, VSSM

Etwas anders stellt sich die Lage bei geprüften und zertifizierten Türen der Systemgeber dar. Ein Türelement mit zertifizierten Eigenschaften hinsichtlich Brandschutz oder auch Einbruchhemmung ist mit bestimmten Beschlägen und Konstruktionen geprüft und zugelassen. Daran muss man sich entsprechend halten.

Die Realität ist selten die Norm

Bei Türen im Wohnbereich oder Haustüren stellt sich für den individuellen Türenbauer regelmässig die Frage nach der Anzahl und der richtigen Platzierung der Bänder.  Dann ist es gut, die Grundlagen genau zu kennen. Dazu gehört, dass sich die Herstellerangaben zur Tragfähigkeit eines Bandes auf die Verwendung einer definierten Situation beziehen. Diese zugrunde liegende Normtür ist 2000 mm hoch, 1000 mm breit und wird von zwei Bändern, die im ­Abstand von 1435 mm zwischen den Bandbezugslinien montiert sind, getragen. In diesem Fall entspricht die Angabe der Tragfähigkeit eines Bandes des maximalen Türgewichtes.

Weicht die reale Situation davon ab, etwa durch ein anderes Format, insbesondere grössere Breitenmasse, wird ein Türschlies­ser oder ein Türstopper eingesetzt oder wird die Tür besonders häufig betätigt, wie etwa in einer Schule, dann kann die Belastung eine ganz andere sein. Der Einsatz eines Obertürschliessers an ein und derselben Tür, kann den Unterschied ausmachen bei der Wahl der Bänder, deren Anzahl und Platzierung. Die Belastung der Bänder kann dann deutlich über dem eigentlichen Türgewicht liegen. Um bei der Gretchenfrage zum richtigen Ergebnis zu kommen, muss man sich die einzelnen Parameter der konkreten Situation genau ansehen.

Das Format entscheidet mit

Eine Tür weist mit zunehmender Breite einen immer ungünstigeren Hebel auf. Das belastet die Bänder. Der Bandspezialist Simonswerk gibt die Reduktion der Tragfähigkeit mit einem Prozent je zusätzlichen zehn Millimetern Türbreite an.

Ein Band, dass mit 100 kg Belastung ausgewiesen ist, trägt bei zwei Bändern die Normtür mit 100 kg. Ist die Tür aber 1250 mm anstelle von 1000 mm breit, dann verringert sich die Tragfähigkeit der Bänder um 25 %. Das maximale Türgewicht dürfte beim ­Einsatz der zwei gewählten Bänder bei gleibleibendem Bandabstand dann nur noch 75 kg betragen. Sollen in diesem Beispiel die vorhandenen Bänder eingesetzt werden, kann die Platzierung eines dritten Bandes 350 mm unterhalb der Bezugslinie des oberen Bandes eine Lösung sein. Allerdings sind verlässliche Angaben über den so ­erfolgten Zugewinn an Tragfähigkeit eher Mangelware. Das Plus bei der Lastabtragung soll durch das fachgerecht platzierte dritte Band bis zu 30 % betragen. «Schreiner setzen oft die Beschläge ein, die sie kennen. Ein zusätzliches Band oben bringt ihm so 30 % mehr Tragfähigkeit, weshalb das auch gerne gemacht wird», sagt Thomas Schnetz von der Gretsch-Unitas AG in Rüdtligen BE. Unstrittig ist, dass am oberen Band die Hauptzugkräfte auftreten und ein drittes Band möglichst weit oben wirkungsvoll ist. Wer nicht an Normen gebunden ist, der sollte den Abstand zum oberen Band gar von 350 mm auf 250 mm reduzieren. Das empfiehlt der Beschlaghersteller Simonswerk. Je näher die Bänder zusammen sind, desto wichtiger wird deren perfekte Einstellung.

«Wir empfehlen ein ­drittes Band in der ­Türmitte bei Höhen ab 2500 mm, um den Anpressdruck über die ganze Länge sicherzustellen.»

Ralf Pünchera, Link Beschlagtechnik AG

Ein zusätzliches Band oben unterstützt die Lastabtragung während ein mittig angebrachtes Band diese Funktion nicht er­füllen kann. Dieses hat kaum eine tragende Funktion, kann aber bei grösseren Höhenmassen trotzdem sinnvoll sein. «Wir empfehlen ein drittes Band in der Türmitte bei Höhen ab 2500 mm, um den Anpressdruck gleichmässig über die ganze Länge sicherzustellen», sagt Ralf Pünchera von der Link Beschlagtechnik AG aus Volketswil ZH. Der dritte Beschlag unterstützt in diesem Fall den Anpressdruck auf die Dichtungsebene, was etwa bei Türen schalldämmender Funktion wichtig sein kann. «Allerdings muss das Ganze perfekt in einer geraden ­Linie sitzen. Sonst wird das mittlere Band bei jeder Bewegung enorm belastet», sagt Schnetz.

Türschliesser verdienen Beachtung

Das Gewicht einer Tür stellt nur einen Teil der Belastung auf die Bänder dar. Obertürschliesser werden gerne und häufig eingesetzt, manchmal auch später nachgerüstet. Was man dabei oft nicht klar vor Augen hat: Der Schliessmechanismus hat seine Ansatz- und Drehpunkte konstruktionsbedingt an völlig anderer Stelle als die Achse der Türbänder. Der Obertürschliesser arbeitet gewissermassen ein gutes Stück gegen die Bänder. Wo zusätzliche Kräfte wirken und gegeneinander arbeiten, nimmt die Belastung der einzelnen Elemente zu und die Tragfähigkeit der Bänder ab. «Wird ein Obertürschliesser eingesetzt, empfehlen wir eine Reserve von 30 % bei den Bändern einzuplanen», sagt Pünchera. Etwa in dieser Grössenordnung liegt auch der Zugewinn durch den Einsatz eines dritten Bandes im oberen Bereich, weshalb es nicht verwundert, dass viele Beschlaghersteller beim Einsatz eines Obertürschliessers das dritte Band empfehlen. Dies entspricht auch den Normen.

«Das dritte Band muss perfekt in einer Linie ­sitzen. Sonst wird dieses bei jeder Bewegung enorm belastet.»

Thomas Schnetz, Gretsch-Unitas AG

Grosse Auswirkungen auf die Belastung von Türbändern haben neben den Formaten, der Frequentierung, dem Einsatz von Türschliessern auch Türstopper und Mauerleibungen. Wegen der ungünstigen Hebelwirkung sind beide schon fast natürliche Feinde für eine dauerhafte Funktion der Drehtür. Das sogenannte Überschlagen der Tür setzt den Bändern und ihrer Befestigung enorm zu. Um Beschädigungen zu verhindern, sollten ungünstige Hebelwirkungen bei Türstoppern vermieden werden. Zu­sätzliche Belastungen treten auch durch nicht sachgerecht eingestellte Bodendichtungen auf.

Nicht zu vermeiden hingegen sind die Belastungen durch motorische Antriebe. Sollen Drehflügelantriebe installiert werden, empfehlen die Hersteller den Einsatz von vier Bändern. Diese sollen dann paarig mit 350 mm Abstand oben und unten montiert sein. Im technischen Handbuch von Simonswerk ist ausserdem nachzulesen, dass bei einer doppelflügligen Schliessfolgeregelung eine gedämpfte Sperrvorrichtung für den Gangflügel eingesetzt wird, damit die wirkenden Kräfte nicht unmittelbar auf die Bänder übertragen werden.

Je mehr Bänder, desto komplexer

Die tatsächliche Belastung der Türbänder kann durch die Einflüsse praktischer Gegebenheiten um ein Mehrfaches über dem Türgewicht liegen. Dass gerade Beschlaghersteller deshalb bei höheren Belastungen das dritte Band empfehlen, scheint nahe­liegend. Mögliche Fehlerquellen und Stör­faktoren nehmen durch mehr Bänder und mehr Technik jedoch zu. Der Zahn der Zeit sorgt dann öfter für ein Nachjustieren. «Die Einstellungen an den Bändern selbst sind recht stabil. Aber Setzungen mit Auswirkungen auf die Bauteile sind normal», sagt Gerhard Rasch.

Viele Experten tendieren nicht zuletzt deshalb zum Prinzip weniger ist mehr. «Wenn es geht, dann arbeite ich mit zwei Bändern», sagt Pünchera. Denn trotz der heute guten dreidimensionalen Einstellmöglichkeiten der Beschläge, ist der Aufwand gross, wenn etwas nicht ganz so passt, wie es sollte. Das weiss nicht nur Rasch aus eigener Erfahrung mit knackenden Bändern.

www.vssm.chwww.g-u.comwww.beschlagtechnik.chwww.simonswerk.de

Christian Härtel

Veröffentlichung: 15. Dezember 2022 / Ausgabe 50/2022

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