Hart am Wind mit Rennjacht aus Holz

Das Spantengerüst des Skiffs noch mitten im Bau. An den Planken haben die Studenten lange getüftelt. Bild: TH Ostwestfalen-Lippe

Leichtbau.  Studierende der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe bauen ein Segel-Skiff aus Holz. Das Boot soll im September an einer Regatta gegen andere Hightech-Rennschüsseln antreten. Nicht nur seglerisch, auch holztechnisch ein sportliches Vorhaben.

Studierende der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (D) designen und bauen ein 4,6 Meter langes Segelboot aus 75 Prozent nachwachsenden Rohstoffen. Ehrensache für die Holztechniker, dass so viel wie möglich aus Holz- und Holzwerkstoffen hergestellt werden soll. Auch der dabei entstehende Abfall soll nach dem Willen des Teams so klein wie möglich sein. Denn das schmutzige Geheimnis des Bootssports sind die Sondermüllberge am Anfang und am Ende eines Bootslebens.

Das Team «Formula Sailing» will am «1001 Vela Cup» am Gardasee in Italien zeigen, dass Holz den Hightech-Materialien das Wasser reichen kann. An der Regatta dürfen nur Studenten mit Booten teilnehmen, die zu 75 Prozent rezyklierbar sind. Die Knacknuss ist das Gewicht. Nicht schwerer als 100 Kilogramm soll das Boot sein. Dafür haben die Studenten sämtliche Bauteile und Werkstoffe neu entwickelt.

Holz nimmts mit CFK und Alu auf

Ein Skiff ist ein schmales Boot mit einem flachen Rumpf und einem heraufziehbaren Schwert. Es ist leicht und saust über die Wasserwellen hinweg. Das Boot muss ausbalanciert werden, sonst fällt es um. Dies übernehmen zwei herauslehnende Segler.

Der Mast und Baum des Skiffs der norddeutschen Hochschule sollen, obwohl nicht vom Reglement gefordert, aus Holz bestehen. Das wird die Nagelprobe für die Holztechnik-Studierenden, gilt es doch, eine ausgeklügelte Struktur aus einem kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff (CFK) oder einem Aluminiumrohr mit vielen Drahtseilabspannungen zu ersetzen. Doch der traditionelle Werkstoff im Bootsbau ist ohnehin Massivholz. Wo liegt also das Problem?

Damit die Skiffs extrem schnell werden – bis zu 30 Knoten, also 56 Kilometer pro Stunde –, werden sie in der Wasserlinie nur einen Meter schmal gehalten und haben ein hohes, schmales Grosssegel. Weiter muss ein Skiff leicht sein, damit es schon bei wenig Wind ins Gleiten kommt. Struktureller Leichtbau mit Holz- und Holzwerkstoffen ist damit die gefragte Disziplin.

Grossbaum aus Furnieren

Im Falle des Grossbaumes wurde die Idee der Technischen Universität Dresden aufgegriffen, aus Furnieren Rohre zu wickeln. Um die Biegefestigkeit des Rohres zu steigern, verzichteten die Studenten auf die Kaschierung der Rollfurniere, was die Festigkeit um 30 Prozent erhöhte. Die Wickelwinkel wurden den Spannungen angepasst und das Ganze nass mit Epoxid verklebt. Durch verschiedene Wickeltechniken wurde die Zylindrizität der Rohre sukzessive gesteigert. Leider sind immer noch kleine Buckel vorhanden, die durch das Furnierfügen mit Weissleim und das lokale Quellen verursacht wurden. Auch ob mit vorimprägnierten Faser-Harzen gearbeitet werden kann, soll im Rahmen des Versuchsplans erforscht werden. Noch bleibt Zeit, die Regatta am Gardasee ist für September angesetzt.

Spezielle Mastform könnte Vorteil sein

Der Mast wird wie ein Doppel-T-Träger aufgebaut. Die zwei Flansche aus Douglasie-Lamellen werden wie bei einem Leimbinder gebogen zusammengeklebt. Die Stege sind in Abhängigkeit der Beanspruchung aus Marinesperrholz verschiedener Dichten gefertigt. Mit 110 Millimetern ist dieser oben verjüngte Mast recht breit, aber bei 7,5 Meter Höhe nur 12 Kilogramm schwer. Zur Verbesserung der Anströmung wird an der Vorderseite ein aus Rohleinen laminiertes Profil angesetzt. An den Seitenkanten hinten schliesst sich jeweils ein Segel an.

Dieses Doppelsegel wird durch den Knick zwischen dem rotierenden Mast und dem Grossbaum mithilfe eines Seilzuggetriebes asymmetrisch getrimmt. Obwohl mit Douglasie das Dichte-Biegefestigkeits-Verhältnis bestmöglich gewählt wurde, ist es im Verhältnis zu CFK immer noch zu hoch. Durch die spezielle Form wird vielleicht aber der Nachteil zu einem aerodynamischen Vorteil. Die Praxistests werden es zeigen.

Ausgeklügelte Beplankung

Der Rumpf besteht aus einem Spantengerüst aus 6 Millimeter Sapelli-Marinesperrholz, Senten aus Kiefer und einer Beplankung. Der Cockpit-Boden besteht aus 6 Millimeter Okumé-Sperrholz, teilweise wurde auch Limba eingesetzt. Die Seitenborde sind nicht dreidimensional gekrümmt. Hier wurden je nach Beanspruchung Sperrholz verschiedener Dichte, Festigkeit und Dicke aneinandergeschäftet. So konnten diese Bauteile wie die massgeschneiderten Blechplatinen des Automobilbaus strukturoptimiert werden.

Der Bootsboden muss aus hydrodynamischen Gründen dreidimensional gekrümmt sein. Hier wird mit Strip Planks beplankt. Der Verbundwerkstoff aus innen gekreuzt verleimtem Khaya-Furnier, einem Kern aus Balsa-Hirnholzfurnier und einer Aussenlage aus Okumé wurde im Rahmen einer Masterarbeit entwickelt.

Der nach der Verklebung mit PU immer noch leicht eckige Bootsboden wird dann mit Langschleifbrettern strakend geschliffen, gespachtelt und anschliessend mit einer Lage aus Rohleinen und Epoxid überzogen. Die relativ dicke Okumé-Aussenlage wird quasi geopfert, sichert aber gleichzeitig auch relativ ebene Platten, aus denen die Streifen geschnitten werden können. Durch die Krümmung auf dem Spantengerüst schüsseln diese beim Schleifen auch nicht wieder zurück.

Viel Kopfzerbrechen bereitete dem Team auch der Schwertkasten. Es wird ein aktiv bis zu 6 Grad verstellbares Anstellschwert eingesetzt. Beim Aufkreuzen zum Wind wird so die zwangsläufige Abdrift reduziert.

Drei Funktionen des Schwertkastens

Der Schwertkasten hat hier drei Funktionen: Er muss das Schwert fixieren, auch wenn nach dem Kentern zwei Personen zum Wieder-Aufrichten des Bootes draufklettern. Beim An- und Ablegen am Ufer muss das Schwert hineingesteckt beziehungsweise herausgezogen werden können. Und die Rotation um die Hochachse zur Anstellung muss gelagert werden.

Zunächst sollte das Bauteil 3D-gedruckt werden. In einer Arbeit von fünf Studenten konnte aber gezeigt werden, dass die Festigkeit nicht ausreichend sein wird. Zwei weitere Studenten konstruierten daraufhin das System um. Es resultierte in einem mit Epoxid verklebten Stapel aus Sperrholzzuschnitten. Wie schon bei den Spanten setzten die Studenten für den Zuschnitt die Wasserstrahlschneidanlage ein. Das wasserfest verleimte Sperrholz wurde dazu zunächst grundiert. Mit 3000 Bar, Granat-Abrasivmittel und etwa 5 m/min Vorschubgeschwindigkeit waren in insgesamt vier Stunden sechs Sperrholzplatten in einer Grösse von 2,5 × 1,6 Meter mit sauberen Schnittkanten aufgeteilt. Nach der Rücktrocknung und dem Anschleifen waren die Zuschnitte bereit zum Verkleben. Bei Fertigungstoleranzen von maximal 0,1 Millimetern war selten Nacharbeit angesagt.

Ein Hingucker

Es gibt noch viel zu tun. Nach dem Wintersemester soll jetzt intensiv gebaut werden. Der Rumpf ist schon im Rohbau entstanden und Anfang Jahr an der Messe Boot in Düsseldorf (D) und der Zulieferermesse Ostwestfalen (ZOW) in Bad Salzuflen (D) ausgestellt worden. Der Segelmacher muss das Skiff noch näher unter die Lupe nehmen, um insbesondere das für ihn neue Doppelsegel gestalten und nähen zu können.

Bis zur Bootstaufe und bis zu den Tests Ende Mai dauert es noch ein wenig, und die Segler im Team müssen sich noch gedulden. Wenn es dann aber schwimmt und schnell, sehr schnell segelt, dann macht Skiffsegeln süchtig. Und das Segel-Skiff aus Holz ist dann hoffentlich ein echter Hingucker.

www.th-owl.de

Glossar

Aus der Seemannssprache

Baum: Querstange zum Mast, an dem das Grosssegel unten befestigt ist; Spanten: Querrippen des Rumpfgerüsts; Senten: biegsame Längslattung innerhalb der Beplankung; Strip Planks: äussere Längsplanken; strakend: abrunden und verjüngend.

ARI

Veröffentlichung: 12. März 2020 / Ausgabe 11/2020

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