Harte Schale, weicher Kern


Die gelernte Schreinerin Luisa Weber (35)schaut nicht in die Kamera. Denn die Mitarbeiterinnen im Mädchenhaus Zürich müssen anonym bleiben. Bild: Daniel Wallimann


Die gelernte Schreinerin Luisa Weber (35)schaut nicht in die Kamera. Denn die Mitarbeiterinnen im Mädchenhaus Zürich müssen anonym bleiben. Bild: Daniel Wallimann
Das Leben gleicht einem Fussballmatch. Man muss sich anstrengen und bekommt auch mal einen fiesen Tritt vors Schienbein. Doch, nach 90 Minuten ist es nicht einfach vorbei. Dessen ist sich Luisa Weber bewusst. An jenem Wochenende steht sie mit einem Bier in der Hand und einer Zigarette zwischen den Fingern am Spielfeldrand und feuert ihren Lieblingsclub, den FC Winterthur, lautstark an. Nicht als Trainerin, aber als Fan. Doch bereits am Montag spielt die Sozialpädagogin wieder auf hartem Pflasterstein. Da muss sie ihre Schützlinge durch eine Partie lotsen, in der die Emotionen hochkochen, es laut wird und Tränen kullern. Sie weist Jugendliche an und hilft ihnen ihr Leben in neue Bahnen zu lenken: Mädchen und jungen Frauen zwischen 14 und 20 Jahren – auf der Schwelle zum Erwachsenwerden – die zu Hause geschlagen oder sexuell missbraucht werden. Die gelernte Schreinerin arbei-tet im Mädchenhaus. Seit drei Jahren. Das ist ein Zufluchtsort mit unbekannter Adresse; irgendwo in der Stadt Zürich. Wo, wissen nur die Fachfrauen, die da arbeiten, und die Behörden. «Die Anonymität ist recht wichtig», sagt sie. Wenn die Mädchen aus ihrem sozialen Umfeld ausbrechen und Hilfe suchen, werden sie von der Familie, häufig den Brüdern oder Onkeln, gesucht. Unter Hochdruck. Nicht selten werden sie bedroht oder erhalten unzählige Telefonanrufe bis spätnachts – immer und immer wieder. Einmal habe sich der Bruder einer Jugendlichen sogar in ihr Facebook- und E-Mail-Konto hacken können. «Ein Super-Gau!» Diese technischen Spielereien sind darum mit grosser Vorsicht zu gebrauchen.
Für Jugendliche ist es schier unmöglich, sich aus der straffen Familienklaue zu lösen. Es braucht dazu viel Überwindung. Zwischendurch holt die Polizei sie aus der Familie und bringt sie ins Mädchenhaus. Häufig kommen die Mädchen auf Anraten eines Lehrers oder Sozialarbeiters. Luisa Weber arbeitet gerne mit ihnen. «Die Jugend ist ein spannendes, aber auch ein explosives Zeitfenster», findet sie. In der Freizeit geht sie den Jugendlichen aber auch mal aus dem Weg. «Wenn die Hormone überkochen, können die zwischendurch richtig nerven», sagt sie und lacht. Luisa Weber weiss, dass die Schläge, von denen ihr berichtet werden, und die blaue Flecken an Schulter und Oberkörper, die sie sieht, nicht einfach in die familiären vier Wände zurückgedrängt werden dürfen. Deshalb wehrt sie sich dagegen, wenn der Institution die finanziellen Mittel gestrichen werden sollen. Hin und wieder braucht die 35- Jährige eine Pause von ihrer nervenaufreibenden Arbeit. Dann schliesst sie sich in ihrem Atelier ein. Hier vergisst sie schon einmal die Zeit, dreht die Musik auf und verziert einen Nachttisch mit farbigen Mosaikplättchen. Mit Bechern hat sie sich eine dazu passende Lampe gebaut. Eigentlich wollte sie als Schreinerin kreativ arbeiten. «Holz ist ein gutes Medium», wie sie findet. Sie wollte Möbelrestauratorin oder Theaterschreinerin werden. Doch es kam irgendwie alles anders, als gedacht.
Sie entwickelte während der Lehre eine Holzstaub- und eine Lösungsmittelallergie und musste sich beruflich neu orientieren. Die Krankenkasse zahlte die Umschulung. Im Sozialbereich fühlt sie sich wohl, mittlerweile arbeitet sie seit Langem in dem Feld. Aber ein neues Abenteuer wird bestimmt kommen.
«Die Jugend ist ein spannendes, aber auch ein explosives Zeitfenster.»
Veröffentlichung: 11. Juni 2015 / Ausgabe 24/2015
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