Hobeln auf japanische Art


Die hauchdünnen Späne, die beim Putzhobeln entstehen, erinnern an ein Wolkengebilde. Bild: Arco-Baleno
Die hauchdünnen Späne, die beim Putzhobeln entstehen, erinnern an ein Wolkengebilde. Bild: Arco-Baleno
Spezialmaschinen. Die japanische Putzhobelmaschine entspricht mit ihrem stehenden Messer dem Prinzip des Handhobels. Sie ersetzt in manchen Bereichen das Schleifen, grössere Maschinen werden auch zur Herstellung von dünnem Furnier eingesetzt.
Spricht der Schreiner von einer Hobelmaschine, so hat er in der Regel eine Standardmaschine mit rotierender Messerwelle vor Augen. Ganz anders funktioniert die japanische Putzhobelmaschine. Mit ihrem feststehenden Messer entspricht sie in ihrer Funktionsweise eher dem klassischen Handhobel – eben dem Putzhobel. Oft wird bei der japanischen Putzhobelmaschine von einer Finiermaschine gesprochen. Der vom englischen Wort finishing abgeleitete Begriff steht für die Endbearbeitung eines Werkstückes. So stellt die umgangssprachlich oft nach ihrem ursprünglichen und heute bekanntesten Hersteller benannte Marunaka in Tat und Wahrheit eine Alternative zum Schleifen dar. Das Wort Finieren hat für Carlo Kneubühler, der als Geschäftsführer des Familienbetriebes Arco-Baleno in Faido TI die Generalvertretung ebendieser Marunakas hat, keine Aussagekraft. «Es ist in diesem Zusammenhang ein erfundenes Wort, das in der Holzbearbeitung keine Bedeutung hat», findet er.
Seit 14 Jahren werden die Marunakas von Faido aus europaweit vertrieben. Im Angebot stehen drei Grundmodelle: Die Super Meca S mit dem auf der Unterseite eingesetzten Messerblock ist das Standardmodell und eignet sich für Schreinereien jeglicher Grösse und den Instrumentenbau. Die Ultra WII verfügt über je einen Doppel-Messerblock auf der Ober- und der Unterseite. Dank der doppelten Spanabnahme oben und unten ist sie sehr effizient und kommt vorwiegend im industriellen Fenster- und Rahmenbau zum Einsatz, wo sie auch in eine Produktionsstrasse eingebaut werden kann.
Die MX Pro entspricht in ihrer robusten Bauweise den Anforderungen von Holzbaubetrieben. Die Spanabnahme erfolgt auf der Unterseite über zwei verschiebbare Messerblöcke, wodurch die Werkstücke niemals in der Gegenrichtung über den Messerrücken laufen. «Die Maschinen werden bei der Bestellung vom japanischen Hersteller einzeln auf den Kundenwunsch konfiguriert», sagt Kneubühler. In seinem eigenen Betrieb steht das Grundmodell der Super Meca S. «Diese Maschine bietet alles, was ich für das Finish meiner Objekte brauche», sagt der selbstständige Schreiner, der sich auf Einzelanfertigungen in Massivholz für Privatkunden spezialisiert hat. Mittlerweile besteht der Hauptanteil seiner Arbeit jedoch in der Beratung und dem Verkauf von Werkzeugen für Holz und Kunsthandwerk sowie von Putzhobelmaschinen. So wie die Maschine in Kneubühlers Werkstatt steht, kostet sie 27 500 Franken. Optional kann sie durch ein Doppelmesser erweitert werden. Je nach Einsatzgebiet kann ausserdem die Durchgangshöhe von 180 mm auf 300 mm erhöht werden.
Das Prinzip der Putzhobelmaschine ist einfach: Das in der Regel auf einer herkömmlichen Dickenhobelmaschine vorgehobelte Werkstück wird mittels Vorschubband über ein feststehendes Messer geführt, wobei ein hauchdünner Span in der gesamten Breite des Werkstückes abgehoben wird. Dickeneinstelltaster und Anpressdruck des Vorschubbandes werden elektronisch per Pedal gesteuert. Die Spandicke beträgt in der Regel zwei bis vier Hundertstel-, maximal einen Zehntelmillimeter. Dank dieser hauchdünnen Spanabnahme können auch furnierte Werkstücke bearbeitet werden. Das in einem Drehteller gelagerte Messer kann in einem Winkel von 0 bis 60° verstellt werden. Durch den ziehenden Schnitt erhalten auch harte Hölzer eine saubere Oberfläche. Beim Putzhobeln bleibt die Zellstruktur des Holzes intakt. Die Holzfasern werden sauber geschnitten und nicht zerquetscht. Aus diesem Grund wird die Oberfläche beim Kontakt mit Feuchtigkeit nicht mehr aufgeraut. So entfällt bei einer Oberflächenbehandlung nicht nur ein allfälliges Wässern, sondern in den meisten Fällen auch der Zwischenschliff. Dies führt zu einer grossen Zeitersparnis.
Wird ein wimmerwüchsiges oder astiges Objekt hingegen gebeizt, sollte es nach dem Hobeln noch egalisiert, also mit feiner Körnung leicht überschliffen werden, um eine fleckige Optik zu vermeiden. Ansonsten verfügt das Holz im unbehandelten Zustand nicht nur über einen seidenen Glanz, sondern auch über einen natürlichen Schutz vor Verschmutzung. «Die Oberfläche hat nach dem Finieren eine so hohe Qualität, dass ich bei stehenden Konstruktionen in der Regel auf eine Oberflächenbehandlung verzichte», sagt Kneubühler. Böden hingegen öle er normalerweise.
Neben einigen älteren Modellen sind in der Schweiz zurzeit 15 Marunakas der neueren Generation im Gebrauch. Allesamt Modelle der Super Meca S. So auch bei der Suisse Frame AG in Piotta TI. Das 2016 gegründete Unternehmen produziert Holz- und Holz-Metall-Schiebetüren für Schreinereien in der ganzen Schweiz. Geschäftsführer Matteo Paolocci (Bild) hat sich vor dem Kauf eingehend mit den Vor- und Nachteilen einer japanischen Putzhobelmaschine gegenüber einer ausgewählten Schleifmaschine beschäftigt und seine Erkenntnisse in einer Tabelle festgehalten. «Die Marunaka hat für mich praktisch in jedem Punkt besser abgeschnitten», sagt er. Überzeugt habe ihn neben der Oberflächenqualität insbesondere die grosse Zeitersparnis bei der Bearbeitung und der Oberflächenbehandlung. «Wir legen grossen Wert darauf, so ökologisch wie möglich zu produzieren», sagt Paolocci. Deshalb sei auch der Stromverbrauch ein wichtiger Vergleichspunkt gewesen. «Klar, dass man da an der Marunaka nicht vorbeikommt», resümiert er. Gemäss seinen Berechnungen steht einem Stromverbrauch von 53 kWh bei der Schleifmaschine ein Verbrauch von 2,2 kWh bei der Putzhobelmaschine gegenüber. Ein Unterschied, der zu einem grossen Teil dem Umstand zuzuschreiben ist, dass die Marunaka keiner Absaugung bedarf. Bei Suisse Frame hat man sich für ein Modell der Super Meca S mit einem Doppelmesserblock entschieden, die durch die doppelte Spanabnahme pro Durchgang zu einer noch höheren Effizienz und Oberflächengüte führt. Den Preis von 35 950 Franken hat Paolocci mit dem Verkaufspreis von 54 000 Franken für die Schleifmaschine verglichen, daneben aber auch eine Analyse erstellt über die zu erwartenden Ersatzteilkosten. Pro 100 Meter lagen diese bei der Schleifmaschine mit 6.10 Franken etwas tiefer als bei der Putzhobelmaschine mit 8.30 Franken.
War die ältere Maschinengeneration noch mit nachschärfbaren Messern ausgestattet, kommen heute fast nur noch Wechselmesser mit integriertem Spanbrecher zu einem Preis von 50 Franken zum Einsatz. Mit diesen können je nach Holzart von 2000 bis 6000 Laufmeter Holz gehobelt werden. Das Wechseln dauert nur wenige Minuten, erfordert aber etwas Übung, wie Carlo Kneubühler zeigt. Er entfernt den Messerblock aus dem Drehteller, löst die fünf Schrauben auf dessen Unterseite und tauscht das gebrauchte Messer gegen ein neues aus. Dank der Magnete in der Halterung bleibt das nach Gefühl vorjustierte Messer in Position, bis die Schrauben angezogen sind.
«Das Vorjustieren braucht etwas Übung», gibt der Experte zu, während er den Messerblock wieder einsetzt und ein Probestück hobelt. «Der Span ist so fein, dass man Differenzen sofort erkennt», erklärt er, bevor er die minimale Differenz in der Dicke mit einer kleinen Justierschraube in Ordnung bringt. «Es gibt in der Schweiz nur noch wenige Firmen, die solche Messer schärfen können, deshalb ist das Wechselmessersystem kundenfreundlicher», erklärt Kneubühler. Dank automatischer Rücklauffunktion ist die Maschine leicht von einer Person zu bedienen. Die Werkstücke werden erst über den Messerrücken geführt, bevor sie beim Rücklauf bearbeitet und vom Beschicker wieder in Empfang genommen werden können. Die Vorschubgeschwindigkeit ist mit 54 Metern pro Minute sehr hoch.
Die Marunaka wurde Mitte des vergangenen Jahrhunderts vom japanischen Pionier Nakataro Mochizuki erfunden. Seit rund 40 Jahren kennt man sie auch in Europa. Noch immer ist sie in den hiesigen Schreinereien eher spärlich vertreten. «Die Arbeit mit der Putzhobelmaschine erfordert ein Umdenken», erklärt Kneubühler. Heute gehe man immer mehr in die Richtung der hochtechnologisierten Maschinen, dabei besteche die Marunaka gerade in ihrer Einfachheit. Dieser Meinung ist auch Jonas von Burg (Bild), Bankschreiner bei der Schreinerei Natur Holz Visionen GmbH in Grenchen SO: «Die Marunaka ist in ihrer Konstruktion und in ihrer Bedienung auf das Wesentliche beschränkt. Einfach, aber sehr hochwertig.» Früher habe man die Werkstücke in einem Aufbauschliff in drei verschiedenen Körnungen geschliffen, nun genüge ein einziger Durchlauf in der Putzhobelmaschine. Ein weiterer Vorteil ist für die Massivholzschreinerei die Tatsache, dass auch sehr kurze Werkstücke von gerade mal 100 mm bearbeitet werden können.
Doch wo liegen die Grenzen der Maschine? «Es sind nur eckige, lineare Bearbeitungen möglich», sagt Kneubühler. Das entspreche dem schnörkellosen, japanischen Stil. Des Weiteren müsse man sehr genau darauf achten, dass die Bretter absolut sauber seien. Es sei wichtig, diese vor dem Hobeln beidseitig zu kappen, um nicht zu riskieren, dass kleinste Fremdkörper das Messer beschädigen. Aus dem gleichen Grund sei die Maschine auch nicht geeignet für die Bearbeitung von Altholz. Bezüglich den Holzarten hingegen gebe es kaum Einschränkungen, abgesehen von einzelnen sehr harten oder drehwüchsigen Tropenhölzern.
Ein Thema ist daneben die Bearbeitungsbreite der Marunaka. Diese beträgt im besten Fall 330 mm, verringert sich aber bei einer Verstellung des Messerwinkels. Dank der einseitig offenen Konstruktion der Maschine kann die Bearbeitungsbreite jedoch praktisch verdoppelt werden, indem man das Werkstück wendet und so auch den noch unbearbeiteten Teil hobelt.
Die Marunaka eignet sich genauso für den Einmann- wie auch für den industriellen Betrieb. Sie nimmt wenig Platz ein, braucht weder Absaugung noch Druckluft und verursacht weder viel Lärm noch Staub. «Eigentlich eine echte Sonntagshobelmaschine», bemerkt Carlo Kneubühler mit einem Lachen. Bleibt nur noch die Frage offen, wie man die hauchdünnen Späne weiterverwenden kann. Denn zum Heizen sind sie fast zu schade.
www.arco-baleno.chwww.suisseframe.chwww.naturholzvisionen.chVeröffentlichung: 12. November 2020 / Ausgabe 46/2020
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