«Holz ist langsam, wir sind schnell»

Bild: Slow Wood Kompetenz in Holz zeigt Slow Wood mit über 2000 Holzmustern in einer der weltweit grössten Xylotheken im italienischen Udine.

Netzwerk.  Slow Wood klingt nach Bewegung: Zunächst als Austauschplattform für italienische Designer, Holzlieferanten und Handwerker gegründet, ist der Zusammenschluss inzwischen ein Unternehmen und kümmert sich um alles in Bezug auf Holz, sobald Design entsteht.

Ein Designer entwickelt ein Produkt. Ein Architekt plant einen Innenausbau. Sofern Holz mit im Spiel ist, bietet sich Slow Wood dann als Partner an. Je nach Bedarf kümmert sich das Team um alle weiteren Schritte oder Teilschritte. Man unterstützt den Kreativen dabei, optimale Lösungen bei Oberflächen, Ausführungsdetails, Montageabläufen, Fertigungsoptimierung bis hin zu möglichen späteren Wartungsaspekten zu finden. Denn weder Designer noch Architekten sind Holzexperten.

Genau als das sieht sich Slow Wood. Ob es um gedrehte Holzgriffe für Siebträger von Kaffeemaschinen für eine limitierte Edition von Illy, Parkett im Privathaus, Möbel für ein Gasthaus, den Innenausbau eines Büros oder den Holzbelag im Aussenbereich eines Kindergartens geht: «Wir überlassen dem Designer den kreativen Teil. Bei allem anderen können wir helfen, die richtige Lösung zu finden und umzusetzen», sagt Marco Parolini, einer der beiden Gründer und heutiger CEO bei Slow Wood. Vor zwei Jahren als Netzwerk gegründet, firmiert Slow Wood inzwischen als Unternehmen. Man sucht den Dialog mit Kunden und Partnern in alle Richtungen, um innovative Lösungen zu finden und dauerhafte Partnerschaften aufzubauen. Schreiner und andere Handwerksbetriebe sind nicht Teil des Unternehmens Slow Wood, aber Partner im Netzwerk. So arbeitet das Netzwerk mit etwa 30 Holz verarbeitenden Betrieben in Italien zusammen. Ist ein Projekt aufgegleist, greift Slow Wood auf das Netzwerk zu und wählt den geeigneten Fachbetrieb für die bestimmte Aufgabe aus.

Von Design bis Holzverkauf

Netzwerke und Kooperationen tun meistens gut daran, wenn ihre Ziele und die Verfahrenswege klar formuliert sind. Die Gefahr des Verzettelns ist sonst oft gross. Bei Slow Wood ist die Palette der Dienstleistungen gross. Das Spektrum reicht vom Co-Design und der Begleitung bei der Produktentwicklung bis hin zum einfachen Holzverkauf an den Fachbetrieb. Aber die Beteiligten drücken mit Erfolg auf das Gaspedal. Die Liste der Referenzen ist bereits jetzt ansehnlich angewachsen.

Austausch mit dem Holzexperten

Das Konzept, nicht einfach wirtschaftlich sein zu wollen, sondern auch ein besonderes Augenmerk auf eine kulturelle Komponente zu legen, scheint aufzugehen. Man ist nicht, wie die Namensverwandtschaft meinen könnte, wie Slow Food eine Non-Profit-Organisation, sondern möchte auch wirtschaftlich erfolgreich sein und ist deshalb auch an den einschlägigen Messen präsent. Zudem lernen Designer und Architekten im Rahmen von Veranstaltungen an den Standorten in Udine und Mailand etwas über Holz und tauschen sich mit den Fachleuten aus. Allen voran mit Gianni Cantarutti, dem anderen Gründer von Slow Wood. Er gilt als einer der Holzexperten überhaupt in Italien. Bereits 1990 gründete er die Culturalegno Association zur Förderung der italienischen Handwerkskultur rund ums Holz. Mit Slow Wood will man nun durchstarten. Neben den Projektbegleitungen mit Know-how und Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft kümmert man sich auch um die Vermarktung der Möbelkollektionen unter dem Dach von Slow Wood. Dadurch ist man nicht auf einer Designlinie, hat nicht nur einen Stil oder eine Spezialität. Der Strauss an Designs und Stilen ist bunt gemischt, so wie es die Partner im Design, in der Architektur und natürlich auch bei den beteiligten Produzenten und Handwerksbetrieben ebenfalls sind.

Cantarutti blickt auf 30 Jahre Erfahrung in der weltweiten Holzwirtschaft und auch der Forschung zurück. Natürlich kennt er die botanischen Bezeichnungen der Hölzer, über die er spricht. Sein globales Netzwerk ermöglicht es, von den 100 000 weltweit wachsenden Holzarten jedes nachhaltig nutzbare Holz zur Verfügung stellen zu können. Das sind stolze 300 unterschiedliche Holzarten aus allen möglichen Ländern der Erde. Vom Holz der europäischen Haselnuss bis hin zum Schlangenholz, dem wohl härtesten Holz der Welt aus Zentralamerika. Darunter finden sich auch viele Hölzer, die aufgrund ihrer natürlich vorkommenden Dimensionen als Werkstoff auch Fachleuten überhaupt nicht geläufig sind.

Hölzer auch für Ohrringe

Auf der anderen Seite können diese für einen speziellen Einsatzzweck aber das gewisse Etwas darstellen, technisch wie optisch. So liefert die Haselnuss ein feines, dichtes und – ähnlich der Nuss selbst – zartbraun gefärbtes Holz. Dass man davon auch Bretter bekommen kann, ist mutmasslich nur wenigen bekannt. Und die Holzgriffe für einen Kugelschreiber oder ein Teil einer Stehlampe in Holz zu fertigen, braucht es nicht unbedingt die Mindestnormmasse der gängigen Nutz- und Verarbeitungsverfahren. Cantarutti weiss, welches Holz in welcher Dimension und Qualität für eine bestimmte Verwendung in Frage kommt, ob es sich um einen Ohrring aus Holz handelt oder um hunderte Quadratmeter für einen Innenausbau.

Slow Wood ist natürlich FSC-zertifiziert und gibt zu jedem Holz auch eine Einschätzung zum Grad der Nachhaltigkeit wie etwa «Selten, deshalb sparsam im Umgang». Dahinter steht auch die eigene Philosophie von Nachhaltigkeit, die recht einfach klingt. «Die Slow-Wood-Projekte sind nachhaltig, weil sie qualitativ hochstehend für die Ewigkeit gemacht sind. Zum Einsatz kommt in der Regel massives Holz, dem wenig graue Energie anhaftet. Fossile Ressourcen werden so geschont, Umweltauswirkungen durch Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft vermieden und der Verbrauch an Material insgesamt auf längere Sicht reduziert», heisst es in der Unternehmenspräsentation.

Mehr als 2000 Hölzer zum Anfassen

Das Herzstück der Arbeit von Slow Wood ist neben dem Projektmanagement über alle Stufen der Entwicklung und Produktion schlicht die Wahl des richtigen Holzes für einen bestimmten Einsatzzweck. Dazu hat Cantarutti lange gesammelt. In der Holzmustersammlung (Xylothek) in Udine präsentiert das Unternehmen über 2000 verschiedene Hölzer zum Anfassen. Damit ist die Sammlung wohl eine der bedeutendsten Ausstellungen dieser Art weltweit. Daneben sind die verschiedenen Oberflächen ein wichtiges Thema. Vom verkohlten Finish, dem gefärbten, thermobehandelten, geräucherten Holz bis hin zur geschruppten, strukturierten Oberfläche will man auch beim letzten Feinschliff von Holz alles zeigen können, was möglich ist.

Hauptsache Holz

Im Showroom in Mailand gibt man sich etwas bescheidener. Dort sind es «nur» 400 verschiedene kommerziell gehandelte Hölzer, die gezeigt werden. Und seit kurzer Zeit gibt es das Ganze auch online. Auf der Unternehmenswebsite sind die wichtigs-ten Informationen zu den Hölzern kurz gefasst, die Lieferfristen und Preiskategorien angegeben, und auch Fotos der Holzoberflächen sind zum Herunterladen verfügbar. Auch dies ist ein wohl einzigartiges Werkzeug, das die Kompetenz und den offenen Charakter von Slow Wood unterstreicht. Schon beim Stöbern im Internet bekommt man Lust, so manches Holz besser kennenzulernen. «Natürlich können wir auch einfach als Holzlieferant auftreten. Unser Kerngeschäft sehen wir jedoch in der Zusammenarbeit mit Architekten und Designern», erklärt Gianni Cantarutti. Es geht ihm immer um die Sache Holz. Ein einfaches Handelsgeschäft hätte der weltkundige Spezialist schon längst umsetzen und damit wohl auch gutes Geld verdienen können. Man kauft ihm die Begeisterung für Holz in allen Variationen sofort ab.

Die andere Welt des Holzes erleben

Bei Messeauftritten zielt man auch auf die Sinneserlebnisse für die Besucher. So auch im Rahmen der letzten Mailänder Möbelmesse am Standort des Designdistriktes Brera. Neben den Arbeiten der Netzwerk-Schreinereien standen Holzspäne im Mittelpunkt. Die Besucher durften riechen, hier und da sogar Hölzer mit der Zunge berühren, um die Vielfalt und Einzigartigkeit des Werkstoffes persönlich zu erfahren. Und ständig bringt Cantarutti ein weiteres Stück Holz, fordert dazu auf, das eine Muster anzuheben, um die Schwere zu fühlen und zu vergleichen mit den anderen Exponaten. Er erklärt die Eigenschaften und Besonder- heiten der verschiedenen Hölzer und beweist so dem Laien wie dem Fachmann, dass es noch eine ganze Welt in Holz zu entdecken gilt.

Bescheiden, aber selbstbewusst

Auf die Frage nach der Zukunft von Slow Wood, einer möglichen Ausweitung auf andere Länder, bleibt man bescheiden, aber selbstbewusst. «Unsere Strategie ist, mit anderen Unternehmen gleicher Art und Anschauung zu kooperieren, um so einen Rundum-Service für wichtige Kunden weltweit leisten zu können», sagt Cantarutti.

www.slowwood.net

ch

Veröffentlichung: 10. November 2016 / Ausgabe 45/2016

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