Holzbauer setzen Schlossbadi Krone auf

Mit dem Projekt«Tag am Meer» überzeugte Architekt Christian Koller Jury und Stimmvolk. Visualisierung: Christian Koller Architekten AG

HallenBad.  Auch für riesige Hallenbadprojekte klopfen Architekten immer häufiger bei Holz- fachleuten an. Gemeinsam erschaffen sie dann Schwimmbadträume, so wie die Schlossbadi in Frauenfeld, deren Tragkonstruktion und Aussenfassade aus einheimischem Holz besteht.

Geht es ihnen schlecht, schwimmen Fische auf dem Rücken. Anders die Fachleute vom Holzbau, wenn sie ab Winter 2023 in der neuen Schlossbadi Frauenfeld TG ihre Runden drehen werden. Ihnen wird es in Rückenlage so richtig wohl sein, weil sie sich so in aller Ruhe am Anblick der Tragkonstruktion aus Holz weiden können. Und zwangsläufig werden sie sich dann fragen, wie es zu dieser hölzigen Pracht kam. Nun, hier, wo sie jetzt ihre Runden drehen, stand vorher die alte Badi mit Baujahr 1973. Diese verlangte so dringend nach baulicher und energetischer Sanierung, dass sich ein Neubau als die günstigere Variante erwies.

Harmonische Einbettung in die Natur

Im Frühling 2019 führte die Stadt Frauenfeld einen Projektwettbewerb durch. 70 Vorschläge gingen ein. Es siegte «Tag am Meer». Dieses Projekt hatte die Christian Koller Architekten AG aus Baden AG eingereicht. Unter anderem punktete der Vorschlag durch die harmonische und filigrane Einbettung in die umgebende Natur, sprich, durch den hölzernen Auftritt. Zwar sind der Sockel, der unter anderem den Eingang und die Garderoben beherbergt, sowie die Innenwände des Badegeschosses aus sichtbelassenem Beton. Aber auf diesem Sockel ruht dann die Konstruktion aus Holz, bestehend aus mächtigen Trägern und einer Dachplatte in Holz. Die Fassaden der Badehalle mit Restaurant umhüllt eine hinterlüftete Holzverschalung.

Den Zuschlag für den hölzernen Innenausbau bekam die Schreinerei Raumwerke AG in Frauenfeld. Die Egli Zimmerei AG in Oberhelfenschwil SG bot man für die Tragkonstruktion und die Vertikalverkleidung der Aussenfassade auf. Alleine am Preis mag das nicht gelegen haben. Vielmehr sind die Männer der Toggenburger Zimmerei Spezialisten in dieser Disziplin. Erst kürzlich realisierten sie das Thermalbad & Sauna Egelsee in Kreuzlingen TG und das Hallenbad in Appenzell. «Dieses ist der Hammer und ein Leuchtturmprojekt in puncto Holzigkeit», schwärmt Urs Schuler, Holzbaupolier der Egli Zimmerei AG und Projektleiter von «Tag am Meer». Dass zudem das Holz für den Ersatzneubau aus einheimischen Wäldern aus nächster Nähe stammt, gefiel dem Bauherrn und dem Amt für Freizeitanlagen und Sport besonders gut. Auch die Frauenfelder Stimmbevölkerung war vom Projekt angetan, sodass es im November 2020 einen Kredit von rund 40 Millionen Franken genehmigte.

Das sagt der Holzbauingenieur

Die statischen Berechnungen stammen von B3 Kolb AG Ingenieure und Planer. «Solche verleimten Träger, die beim Neubau des Hallenbads Frauenfeld zum Einsatz kamen, können gegenüber Massivholz einfacher technisch getrocknet werden, sind in grösseren Abmessungen erhältlich, und durch den Homogenisierungseffekt ist ihre Tragfähigkeit höher», sagt Stefan Schuppisser, dipl. Holzbauingenieur HTL SH-Holz. Er erklärt auch, dass der Einsatz von verleimten Holzträgern in Hallenbädern sowieso eine sehr gute Lösung sei. Messungen in bestehenden Hallenbädern hätten nämlich eine maximale Holzfeuchtigkeit von 12 Prozent ergeben. Dies sei exakt die Feuchtigkeit, bei welcher die Bretter vor der Verleimung getrocknet werden. «Das ist für das Holz optimal», sagt er. Die aggressive chlorhaltige Atmosphäre in Bädern schädigt selbst unbehandeltes Holz nicht. Auch in Bezug auf die Brandvorschriften schneide der Werkstoff bestens ab. «Holz verliert seine Tragfähigkeit erst nach längerer Zeit», erklärt er. Auch sonst sei es ein langlebiger Baustoff. So sei zum Beispiel die Dachlandschaft des Säntispark in Abtwil nach mittlerweile 36 Jahren immer noch top in Schuss. Sollte irgendwann die soeben erbaute, neue Schlossbadi in die Jahre kommen, könnten die Träger im besten Fall für tragende Bauteile wiederverwendet werden. Im schlechtesten Fall werden sie als Energieholz dienen. «Ich gehe aber davon aus, dass in ferner Zukunft die Ressourcen derart rar und teuer sein werden, dass eine bauliche Wiederverwendung der Träger unumgänglich sein wird», sagt Schuler. Insbesondere seit der Holzknappheit im Jahr 2021 ist die Nachfrage nach Schweizer Holz gestiegen. Die öffentliche Hand reagierte und setzt vermehrt auf Holz, idealerweise aus der Region. Und deshalb müsse sich die Schweizer Forst- und Holzwirtschaft laufend entwickeln. «Mit dem Wald dürfen wir nicht nur Heimatschutz betreiben. Schweizer Holz ist von sehr grossem Nutzen», bringt es Schuler auf den Punkt.

Spektakulärer Transport

Für die Tragkonstruktion und die Fassade wurden 2000 Kubikmeter Rundholz aus Wäldern im Umkreis von 5 Kilometern gefällt. Im Schnitt waren die Fichten und Tannen 85 Jahre alt und bis zu 30 Meter hoch. Aus dem Rundholz entstanden bei der Hüsser Holzleimbau AG 285 Kubikmeter Brettschichtholzträger als Primärtragwerk.

Zu welchen fast gigantischen Konstruktionen das Unternehmen bereits beitrug, sieht man auf dessen Homepage. Der Transport von Bremgarten AG bis zur Baustelle war eine abenteuerliche Reise. Zahlreiche Schaulustige, die den gut 30 Meter langen Sattelschlepper begleiteten, kamen voll auf ihre Kosten. Ihnen bot sich ein spezielles Spektakel, als sich das Ungetüm seinen gut 70 Kilometer langen Weg durch zum Teil enge Gassen und Kreisel bahnte und schliesslich im Rückwärtsgang in die Baustelle einfuhr. In einer weniger abenteuerlichen Aktion wurden auch 255 Kubikmeter Brettsperrholzplatten als Sekundärtragwerk angeliefert. Diese verbinden die Träger und bilden die Dachscheibe. Darunter wird später eine Deckenverkleidung aus Metallplatten montiert. «Schöner wäre Holz gewesen, aber das ist natürlich Sache des Architekten und auch voll okay», sagt Urs Schuler und erklärt, dass die Tragkonstruktion die Basis für ein Flachdach bildet. Dazu kommt auf eine dampfsperrende Bitumenschicht eine Wärmedämmung, eine wassersperrende Schicht und dann die Kiesschicht. Auch eine 1890 Quadratmeter grosse Photovoltaikanlage findet auf dem Dach Platz.

Die Schlossbadi Frauenfeld ist das erste Bad in der Schweiz, das mit dem Minergie-P-Eco-Label ausgezeichnet wird. Wobei «Eco» die bekannten drei Minergie-Baustandards Minergie, Minergie-P und Minergie-A zusätzlich noch mit dem Aspekt «Gesundheit und Bauökologie» verknüpft. Wesentliches Kriterium von «Eco» ist «Materialisierung und Prozesse», konkret heisst das der nachwachsende Rohstoff Holz aus regionalen Wäldern.

Winter ja, Wind nein

Grundsteinlegung war im Mai 2022. Im darauffolgenden Winter war ein halbes Dutzend Mitarbeiter der Egli Zimmerei AG mit der Montage der Holzteile beschäftigt. Alleine die Aufrichtphase dauerte gut zwei Monate. «Kälte macht uns nichts aus. Unsere grössten Gegner sind Regen, Schnee und Wind», sagt Schuler. Wochenlang anhaltende Niederschläge würden das auf rund 10 Prozent getrocknete Holz aufquellen, sodass die statischen Verbindungen nicht mehr passen würden. Und zum Thema Wind erklärt er: «Man kann sich ja vorstellen, was passiert, wenn ein 28 Meter langer, 240 Zentimeter hoher, 20 Zentimeter breiter und 7 Tonnen schwerer Holzträger bei Windböen am Seil eines Krans ins Rotieren gerät.» Auch bei den Verbindungen musste extrem stabil gearbeitet werden, denn bei diesen Dimensionen stossen traditionelle Schwalbenschwanz- und Zapfenverbindungen an die Belastungsgrenze. Deshalb wurden die Holzträger auf der Gegenseite der Betonschlitze mithilfe von Stahlteilen fixiert. «Natürlich sieht man das nicht. Diese Verbindungen sind geschickt ins Holz integriert», sagt Schuler. Jetzt ist die Aufrichtphase beendet. Die Vertikalverschalung der Fassade, 22 Millimeter dick und 12, 10 und 8 Zentimeter breit, roh gesägte und naturbelassene Fichte, ist auch schon gut hinterlüftet montiert. Rückblickend erklärt der Holzfachmann, dass die Bauphase eine logistische Meisterleistung gewesen sei. Millimetergenau an CNC-Anlagen abgebunden, stimmte alles perfekt. In wenigen Monaten wird Schuler mit seiner Frau und den drei Kids die Schlossbadi testen können. Er wird mit prüfenden Zimmermannshänden die Verschalung streicheln und später die Rutschbahn hinunterrutschen. Und er wird schwimmen, meistens wohl auf dem Rücken, um sich so an der Dachkonstruktion zu erfreuen.

Konsequent zu Ende gedacht

Die Schlossbadi ist in Bezug auf Nachhaltigkeit ein Vorzeigeprojekt. Das inspirierte auch den Schreiner Florian Hunziker. Als nämlich der Rückbau des alten Hallenbads startete, hatte dieser eine Idee. «Ich wollte das Holz der Sitzbänke wiederverwerten, die entlang der Schwimmbecken angebracht waren», berichtet er.

Konkret bedeutet das 60 Laufmeter zu jeweils 6 Holzlatten, mit dem Querschnitt 90 mal 52 Millimeter hochkant. Das aussereuropäische, harte und witterungsbeständige Holz hat eine Rohdichte von 750 bis 850 Kilo pro Kubikmeter. Diesen wertvollen Rohstoff wollte Hunziker retten und so die Erinnerung an das alte Hallenbad wachhalten. Die Demontage fand behutsam statt. Es wurde nichts zersägt oder verändert. Selbst die weisse Patina, entstanden durch Chlor oder Kalk, bürstete der Schreiner nicht aus. Aus dem so gewonnenen Hallenbadholz entstanden Garnituren, die jetzt schon lokalen Kultstatus haben. Jedenfalls sitzt man bereits in drei Frauenfelder Restaurants an diesen Tischen und Bänken.

Altes mit Neuem verbinden

Bei der Vernissage des Prototyps kamen Hunziker und seine Schreinerkollegen auf eine Idee. Wie wäre es, wenn man so eine Garnitur aus dem alten Hallenbadholz im Aussenbereich der Schlossbadi aufstellen würde? «Wie eine Skulptur, die man benutzen kann und die Altes mit Neuem verbindet. Das wäre doch perfekt», sagt Hunziker, der in Frauenfeld die Schreinerei Moebelpunktanders betreibt. Aber weil die Aussengestaltung der Anlage noch nicht endgültig definiert ist, ist im Moment noch unklar, ob das so klappt, wie er es sich vorstellt. Fest steht, dass der Schreiner mit dieser Idee nicht reich wird. Zwar war das Holz gratis, aber Planung, Transport und Lagerung schlugen zu Buche. Er sagt: «Als Möbel-Restaurator ertüchtige ich Trouvaillen, die unsere Vorfahren erschufen. Die Wertschätzung und die Achtung vor dem alten Handwerk liegt mir am Herzen.» Und so könnte es sein, dass die Badenden bald wieder auf dem gleichen Holz sitzen wie dem vor 50 Jahren, einfach in anderer Form.

www.moebelpunktanders.chwww.huesserholzleimbau.comwww.eglizimmerei.chwww.christiankoller.chwww.frauenfeld.chwww.raumwerke.ch

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 17. August 2023 / Ausgabe 33/2023

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