Hopfen und Malz - Schreiner erhalts

Wenn Reto Eberle (35) erzählt, wie nach alter Braukunst feinstes Bier entsteht, so läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Bild: Beatrix Bächtold

«Müli Bräu. Das Altnauer Bier», steht auf der Holztafel am hundertjährigen Riegelhaus in der 2000-Seelen-Gemeinde im Thurgau. Hier in dieser ehemaligen Mühle am Geusenbach braut der Schreiner Reto Eberle mit Gleichgesinnten seit vier Jahren Gerstensaft. Drinnen in der Braustube schwebt ein Dampfabzug über dem Kessel, an der Wand Schläuche und Röhren, der Plättliboden glänzt. Über eine knarrende Holztreppe gelangt man in den ersten Stock. Hier sind die Balken des Riegelbaus an den Wänden sichtbar und hier steht der Sitzungstisch, um dessen ausgewaschene Holzplatte herum die Hobbybrauer Strategien austüfteln, Ämtli verteilen und Bilanz ziehen. Offensichtlich positive Bilanz. Denn mittlerweile schlüpfen die Vereinsmitglieder alle vierzehn Tage in Überhosen und Gummistiefel und brauen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen je 500 Liter Bier. Sie schroten das Malz, vermischen es im Malzbottich mit heissem Wasser. Diese Maische wird danach durch ein elektrisches Rührwerk unter der richtigen Temperatur zur Perfektion gehätschelt. Sobald die Stärke in Malzzucker gespalten ist, beginnt in einem anderen Bottich das Läutern, also die Trennung von Maische und Bierwürze. Schon tausendmal hat der Schreiner erzählt, wie er zum Hobbybrauen gefunden hat.

«Zwischen Obstbäumen und Spargelfeldern aufgewachsen, habe ich erst auf Umwegen zum Bier gefunden», beginnt er und lacht verräterisch. Anfangs hat der heute 35-Jährige mit Kollegen in einer Garage im bescheidenen Stil, nach einem Grundrezept aus dem Internet, für den Eigengebrauch gebraut. «Wir wollten zum Spass das Abenteuer Bierbrauen erleben. Der Dampf, der Geruch und unser Lachen blieb den Nachbarn nicht verborgen», berichtet er. Sie kamen, degustierten und bald schon gingen Bestellungen ein.

Und so gründeten die Freunde des Bieres im heissen Sommer 2013 den Verein Altnauer Bier. Nach und nach entstand dann mit dem Eigenkapital der Mitglieder diese moderne Brauerei im alten Gemäuer. Mittlerweile zischt das «Müli Bräu» in den Sorten «Zwickel» und «Geusen» auf privaten Festen oder geht im regionalen Einzelhandel und Gastgewerbe über die Theke. Die 50 Gönner erhalten einmal im Jahr ihre Dividende in Form eines Festes mit Essen und Selbstgebrautem. Eberle erzählt gerne von der Braukunst, doch für den Laien ist es manchmal schwierig zu folgen. Es gibt unzählige Fachausdrücke und Möglichkeiten, die wiederum die verschiedensten Nuancen Bier entstehen lassen. Das Team ist wohl deshalb so stark, weil Menschen aus den verschiedenen Berufen ihr Wissen beisteuern. «Ein Landmaschinenmechaniker kümmert sich um die Geräte und ein Informatiker pflegt die Website. Ich als Schreiner komme gross heraus, wenn es ums Holz geht», sagt Eberle. So stellt er beispielsweise aus ausgedienten Gemüseharassen eine Degustationstheke für Ausstellungen her oder montiert in der Brauerei eine Glasschiebetür. Die Leute schätzen Produkte aus der Region. «Hochstehende Nischenprodukte sind gefragt, und deshalb planen wir, extrafeines Bier in Champagnerflaschen zu lancieren», berichtet er.

Eberle arbeitet zu 80 Prozent bei der Schreinerei Gebrüder Bissegger GmbH in Altnau, den Rest seiner Zeit investiert er ins Brauen und nicht ohne Hintergedanken nachhaltig in die Familie. Mit einem Augenzwinkern sagt er: «Mein zweijähriger Sohn Louis schaut gerne beim Brauen zu. Der Fortbestand der einheimischen Braukultur könnte also gesichert sein.»

«Hochstehende Nischen- produkte sind gefragt, und deshalb planen wir, extra- feines Bier in Champagnerflaschen zu lancieren.»

beb

Veröffentlichung: 21. September 2017 / Ausgabe 38/2017

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