«Ich bin ein Seebub»

Der gelernte Schreiner Albert Marty (72) hat 1500 Arbeitsstunden in den Umbau seines Segelschiffs gesteckt. Bild: Caroline Schneider

Die Herbstsonne taucht den Jura-Hügelzug vis-à-vis von Cheyres bei Estavayez-le-Lac in ein goldenes Licht. Der See glitzert wie ein funkelndes Sternenmeer. Am kleinen Sandstrand putzt ein Schwan sein Gefieder. Nur die Rufe einiger Blässhühner durchbrechen die Stille. In dieser Hafenidylle ankert der ganze Stolz von Albert Marty. Vor 16 Jahren schenkte ihm ein Verwandter ein Segelschiff. Marty kam damals gerade von seinem ersten Segeltörn zurück und war infiziert vom Segelfieber. «Ich war ein Schiffs-Greenhorn», erzählt der Schreiner. Doch er entschied sich kurzerhand, das Geschenk anzunehmen. Er absolvierte die Motorbootsprüfung und erwarb gleich danach den Segelschein. Das Segelschiff mit Jahrgang 1973 war vom Bau her in einem guten Zustand. «Aber im Innern», sagt Marty und verwirft die Hände, «war das Schiff ein einziger Schrotthaufen.» Er holte seine 29-Fuss-Yacht in Genf ab und überführte sie nach Richterswil. Marty, der damals eine eigene Schreinerei besass, baute hinter seiner Fabrik eine provisorische Werft und begann selbst Hand anzulegen. Er besorgte sich Bücher, machte sich schlau und fertigte Pläne an. «Bei einem Schiff ist nichts gerade.» Er musste lernen, mit neuem Material umzugehen, so beispielsweise mit Polyester. Die Höhe im Innern des Schiffes passte nicht zu seiner Körpergrösse. Und so riss er das Deck vom Rumpf ab, erhöhte die Schiffsschale um zwölf Zentimeter und fügte Rumpf und Deck wieder zusammen. Marty, der leidenschaftlich gerne am Herd steht, baute sich eine neue Küche ein. «Mit Granitabdeckung», betont er und hebt dazu seinen Zeigefinger. «Es ist weit und breit das einzige Segelschiff, das über eine Küche mit Granitabdeckung verfügt.» Es folgten ein modernes Badezimmer, ein neuer Abwasser- und Frischwassertank, eine Heizung, ein Boiler und ein nobles Deck aus Teakholz. «Das Elektrische habe ich auch alles selber gemacht.»

Fast drei Jahre investierte Marty in den Umbau seines Schiffes. «Am Ende wog die Yacht eine Tonne mehr als zuvor», erzählt der 72-Jährige lachend. Und berichtet gleich darauf, dass beim ersten Einwassern ein einziges Löchlein von sechs Millimetern den ganzen Bootsboden überschwemmt hatte. Für ihn und seine Frau ist die Yacht zu einer Art Zweitwohnung mutiert. Marty zügelte das Segelschiff 2005 vom Zürichsee an den Neuenburgersee. «Hier hat es viel die besseren Winde.» Der Hafen liegt eingebettet in einem Naturschutzgebiet. Die Ufer sind unverbaut. Der Schiffsverkehr im Vergleich zum Zürichsee gering. Ihre Ferien verbringen die Eheleute oft in ihrer «Wohnung auf dem See». Martys Verbundenheit zum Wasser ist stark. Das liege wohl in seinen Genen. Seine Urahnen stammen aus der Bretagne. «Ich bin ein Seebub. Ich muss stets in der Nähe eines Gewässers sein.»

Vor vier Jahren übergab er sein Geschäft – er hat sich auf den Bau von Fenstern spezialisiert – seinem jüngsten Sohn. Doch auch in seinem «Unruhezustsand», wie er es nennt, habe er immer zu tun. «Es muss etwas gehen». So hilft Marty zwischendurch seinem Sohn in der Schreinerei oder seiner Tochter beim Umbauen des Hauses. «Und bald gibt es bei uns eine neue Küche», verrät er und zwinkert seiner Frau zu. Langweilig wird es dem umtriebigen und geselligen Marty nie.

«Es ist weit und breit das einzige Segelschiff, das über eine Küche mit Granit- abdeckung verfügt.»

cs

Veröffentlichung: 23. Oktober 2014 / Ausgabe 43/2014

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