Ideenwerkstatt statt Werkstatt

Schreinerlehrling Nik Lüthi als Kfz-Mechaniker. Bilder: Werthmüller AG

Kreativität.  Die Werthmüller AG ist auch nur eine Schreinerei. Aber was für eine: Durch die integrierte Ideenwerkstatt entstehen hier Motorräder und fliegende Tische. Von dieser Kreativität können die Lernenden nur profitieren.

Die Werthmüller AG in Burgdorf BE ist ein Familienbetrieb in der sechsten Generation. Johann Werthmüller kaufte die bestehende Schreinerei am Waldeggweg 21 in Burgdorf BE bereits 1888. Das heute Besondere an der Firma ist, dass die Werthmüller AG neben herkömmlichen Schreinereiprodukten liebend gerne aussergewöhnliche und teils etwas verrückte Herausforderungen annimmt. Dafür gibt es die Ideenwerkstatt. Dort entstehen Unikate wie Spielgeräte, Theaterkulissen und mehr. Das firmeneigene Schaufenster ist die Leidenschaft des Unternehmerpaares und wird dreimal im Jahr komplett umgestaltet. Diese Freude und Leidenschaft am Tüfteln und Entdecken zeichnet die Schreinerei Werthmüller aus und treibt Inhaber wie Mitarbeiter an, Neues auszuprobieren.

Vielseitige Ausbildung

Durch so viel Kreativität erhalten auch die Lernenden eine speziell vielseitige Ausbildung. Am Schaufenster und an Fertigungen aus der Ideenwerkstatt dürfen die Lernenden sich ausprobieren und mitarbeiten. Dadurch werden auch sie vor Denkaufgaben und Herausforderungen gestellt, die Kreativität und Flexibilität verlangen und dadurch besonders Spass machen.

Von Start bis Ziel

Die drei jungen Schreiner Marius Hauser (15), Nik Lüthi (17) und Luis Feller (20) zeigen eindrücklich den ganzen Werdegang auf, der als Lernender bei der Werthmüller AG beschritten werden kann. Während Marius Hauser nach der neunten Klasse am Gymnasium soeben die Lehre bei der Schreinerei begonnen hat, ist Nik Lüthi gerade ins dritte Lehrjahr gekommen. Luis Feller dagegen hat seine Lehre gerade beendet und wurde nun als fest angestellter Schreiner übernommen.

Marius Hauser, erstes Lehrjahr

Marius hat am Zukunftstag vor eineinhalb Jahren eine einwöchige Schnupperlehre gemacht und ist sozusagen hängengeblieben. «Ich wollte nebst der Schule auch kreativ sein», sagt er und besucht nun neben der Lehre die BMS. Da sein Lehrbetrieb oft unübliche Aufträge zu bewerkstelligen hat, durfte Marius schon während seiner Schnupperzeit an einem grossen Messeprojekt mithelfen. Ein Möbel sollte entstehen, welches fünf grosse Bildschirme mit gut 200 Kilogramm stabil tragen sollte. Ein besonderes Design sollte das Möbel leicht aussehen lassen, obwohl die ganze Konstruktion über eine Tonne wog (siehe Bild). Für Marius war es denn ein besonderer Moment, als das riesige Möbel auf den Sattelschlepper geladen wurde und zur Endmontage nach Italien davonfuhr.

Nik Lüthi, drittes Lehrjahr

Da Nik schon etwas länger dabei ist, durfte er sich schon an mehreren Projekten aus der Ideenwerkstatt beteiligen. So hatte er damals das Feintuning der Holz-Harley übernommen (siehe Bild) und sie am Ende fahrbar gemacht. Natürlich nicht fahrbar wie ein Motorrad, aber so, dass das Ungetüm überhaupt bewegt werden konnte. Die Harley war nicht etwa ein Kundenauftrag, sondern ein «kleines» Überraschungsgeschenk als Dankeschön für einen Kundenauftrag. Die Schreinerei durfte für einen Emmentaler Werkzeughersteller komplett neue Showräume mitgestalten, wobei die Schraubenzieher desselben für Fussrasten, Sattelstütze und Griffe am Lenker gerade recht kamen.

Luis Feller, Lehre abgeschlossen

Luis hat gerade seine Lehre beendet und bleibt bei der Firma. Sein Lieblingswerk, das er während seiner Lehrzeit hergestellt hat, ist das Piratenschiff für einen Kindergartenspielplatz. Dort war er nicht nur Urheber und Handwerker, sondern auch Projektleiter. Vom groben Plan, zur Vermassung, bis zum Bau, der Lieferung und der Aufrichtung durfte Luis das Projekt mitgestalten, umsetzen und fertigstellen. Anders als bei der Herstellung von Innenmöbeln kamen hier besondere Sicherheitsaspekte dazu. Wegen des Turms in der Mitte des Schiffes bestand Absturzgefahr, und alle Holzfasern, Beschläge und Schrauben mussten so bearbeitet werden, dass sich die Kindergärtler nicht verletzen können. Die Kleinen hatten dementsprechend Freude an der tollen Konstruktion und dem grosszügigen Geschenk – die Arbeit wurde nämlich vom Lehrmeister gesponsert.

Handmodelle statt CAD

Bei der Werthmüller AG wird Kreativität gross geschrieben. Drum werden dem Kunden für neue Projekte oft lieber Handmodelle statt CAD-Pläne abgegeben. So gibt es die richtige Materialität schon einmal zum Anfassen und die Farbigkeit entspricht auch bereits dem Endprodukt. Das führt dazu, dass Kunden gerne am Modell weiterbauen oder zumindest darüber nachdenken, weil es vor ihnen auf dem Pult steht.

Als nächstes Projekt werden im Schaufenster 22 leuchtende Flamingos auf Metallfüssen stehen. Umrahmt von Fototapete und Sandstrand. Ein Kreiselkunstwerk würde man gerne machen. Und es entsteht einmal mehr etwas Aussergewöhnliches für die nächste Gewerbeausstellung. Letztes Mal war es eine schwebende Kücheneinrichtung, die wie eine Schaukel aufgehängt war. Was es diesmal werden soll, wird nicht verraten. Bestimmt wieder etwas aus der Ideenwerkstatt.

AJ

Veröffentlichung: 07. September 2017 / Ausgabe 36/2017

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