Im Lager Zeit gewinnen

Das Lager für Standard-ware hat man bei der Hans Rickenbacher AG auf das Nötigste reduziert. Bild: Philipp Heidelberger

Lager.  In manch einem Beschlägelager liegen haufenweise alte Dinge herum. Die wenigsten davon sind echte Schätze, sie benötigen Platz und kosten Zeit. Ist sich eine Schreinerei dessen bewusst, kann sie viele unproduktive Stunden besser nutzen und viel Geld sparen.

Verschiedene Schreinereien sind im Moment dabei, eine neue Produktionsstätte zu bauen, oder haben diese kürzlich fertiggestellt. Oft ist dort auch das Beschlägelager ein Thema. Es gibt Betriebe, die ein modernes, automatisches und vertikales Liftsystem einbauen liessen (siehe Dossier auf www.schreinerzeitung.ch).

Doch mit einer modernen Lösung alleine ist es nicht getan. Und wie können kleinere Schreinereien, die kein Liftsystem besitzen, ihr Lager besser organisieren?

Selber organisieren oder anbinden?

Verschiedene Beschlägehändler wie Opo Oeschger, SFS oder Würth bieten fertige Systemlösungen an, die dem Schreiner zur Verfügung gestellt werden. Viele Betriebe wollen sich aber nicht fix an einen Händler binden, oder keine der Lösungen passt auf die spezifischen Bedürfnisse. Sie wollen also ihr Lager selber organisieren und bewirtschaften.

Ein solches Unternehmen ist die Hans Rickenbacher AG. Sie ist im Laden- und Gastrobau tätig, stellt aber auch gewöhnliche Schreinerarbeiten wie Innenausbauten und Küchen her. Das Lager ist heute konsequent in zwei Bereiche aufgeteilt: Ladenbau und Schreinerei. Das liegt daran, weil im Ladenbau fast nur Standardteile in grossen Mengen gebraucht werden. Im Innenausbau hingegen bestellt man die meisten Zulieferteile und Beschläge auf Kommission. «Früher kam es aber immer wieder vor, dass ein Mitarbeiter Beschläge für eine Kommission nicht fand, gemäss Lieferschein hätten sie aber im Betrieb sein müssen», sagt Geschäftsführer Erich Rickenbacher. Als man analysierte, wie viele unproduktive Stunden pro Jahr so anfallen und welche Auswirkungen dies auf den Betrieb hatte, entschloss man sich zu handeln.

Zuständigkeiten definieren

Diese Problematik trifft Marc-Theodor Habegger oft an. Er ist Gebietsverkaufsleiter bei der Kardex Systems AG in Volketswil ZH, einer grossen Herstellerin von automatisierten Lager- und Bereitstellungssystemen in der Schweiz. «Die Bewirtschaftung eines Lagers beginnt schon beim Bestellen und anschliessenden Einlagern des Materials», sagt Habegger. In vielen Betrieben seien die Verantwortlichkeiten nicht geregelt. Die Lieferung wird dann von jenem Mitarbeiter entgegengenommen, der gerade dort ist, wenn der Transporteur ablädt. Das Material stellt er irgendwo im Betrieb ab, der Lieferschein verschwindet in seiner Jackentasche und schon weiss in einer Woche niemand mehr, wo sich das Material befindet und ob es überhaupt geliefert wurde.

Die Rickenbacher AG hat dies so gelöst, dass für beide Lagerbereiche eine Person verantwortlich und eine Stellvertretung organisiert ist. Diese nehmen das Material entgegen und lagern es am richtigen Ort ein. Im Bereich Innenausbau bedeutet das in den meisten Fällen, dass der Verantwortliche das Material zur jeweiligen Kommission legt. Der Lagerplatz für Kommissionsware ist klar definiert und abgetrennt von der Standardware.

Kontrollieren und bestellen

Im Idealfall würde dann nicht nur der Lieferschein kontrolliert, sondern auch gleich die Lieferung mit der Bestellung abgeglichen. «Darauf verzichten wir aber, unsere Lieferanten sind sehr zuverlässig und Fehllieferungen extrem selten», sagt Erich Rickenbacher. Die Kommissionswaren werden vom zuständigen Projektleiter bestellt, Standardwaren ordert der Lagerist je nach Bedarf. Das Unternehmen hat aber keine Lagersoftware im Einsatz und die Mitarbeiter holen sich das Material für den jeweiligen Auftrag selber aus dem Standard- und Kommissionslager.

Jeder Standardlagerplatz und der dazugehörige Behälter ist dazu mit der Produktbezeichnung und -nummer und, falls vorhanden, einem Strichcode des Lieferanten und einem Produktbild versehen. So befindet sich jeder Behälter immer am richtigen Ort. Stellt ein Mitarbeiter fest, dass ein Behälter leer ist, dann stellt er dem Lageristen den leeren Behälter hin und der Lagerist kann problemlos die richtige Ware nachbestellen. Zusätzlich führt der Lagerist jede Woche einmal eine Sichtkontrolle durch.

Diese Art der Lagerbewirtschaftung kommt aus dem Japanischen und heisst Kanban-System (siehe Box Seite 14). Es ist ein einfaches und weit verbreitetes System, das auch ohne spezielle Einrichtungen oder Software auskommt.

Lernen von den Grossen

Marc-Theodor Habegger empfiehlt, dass man sich auch mal damit auseinandersetzt, wie ganz grosse Unternehmungen ihr Lager organisiert haben. Das heisse nicht, dass jeder Schreiner jetzt ein Lager wie ein Industriebetrieb aufziehen müsse. «Aber man kann sich Ideen holen und vielleicht den einen oder anderen Punkt umsetzen.» Konkret ist zu beobachten, dass vermehrt auf das sogenannte Push- anstatt das Pull-Prinzip gesetzt wird. Sprich, der Mitarbeiter muss sich seine Materialien nicht mehr selber holen, sondern sie werden vorbereitet und ihm an den Arbeitsplatz gebracht. Zum Beispiel in der Bad- und Küchenmöbelproduktion gibt es Betriebe, die dieses Prinzip bereits anwenden.

Ebenfalls gibt es grosse Versandhäuser, die ihr Lager so organisiert haben, dass in einem gewissen Umkreis eines Produktes kein weiteres Produkt eingelagert werden darf, das dieselbe Farbe oder Form hat. Immer öfters kommen auch visuelle Hilfsmittel zum Einsatz. Das kann ein einfacher Touchscreen sein, der ein Bild des gesuchten Produktes anzeigt, oder Gestelle, die mit einer Leuchte darauf hinweisen, auf welchem Tablar sich das Teil befindet. Ebenfalls denkbar ist, dass es in Zukunft intelligente Brillen gibt, die einem direkt zum Lagerplatz lotsen. «Alle diese Massnahmen zielen darauf ab, Suchzeiten, Verwechslungen, Fehler und somit unproduktive Stunden zu minimieren», erklärt Habegger.

Einkaufspreis versus Lagerplatz

Ein weiteres Thema sind die Lagerbestände und Einkaufsmengen. Grosse Unternehmungen oder solche, die eine Lagersoftware einsetzen, werten den Lagerumsatz genau aus und definieren A-, B- oder C-Teile. Entsprechend werden dann die Anzahl Bestellungen und Mengen in Abhängigkeit der Lieferfristen sowie Einkaufspreise angepasst. Habegger mahnt, sich diesbezüglich nicht zu stark von günstigen Einkaufskonditionen oder Aktionen blenden zu lassen. «Das Ziel des Einkäufers ist natürlich, einen möglichst günstigen Preis zu erzielen. Aus lagertechnischer Sicht ist das aber nicht immer ideal.»

Die klassischen Beispiele im Handwerk sind die chemisch-technischen Produkte wie Klebstoffe, Silikone oder Klebebänder: Die meisten davon haben ein Ablaufdatum, das bei grossen Lagerbeständen oft überschritten wird – besonders, wenn beim Einlagern die neue Ware einfach vor die alte gestellt wird. Man verschwendet also nicht nur wertvolle Lagerfläche, sondern auch kostspieliges Material.

Disziplin und Ausdauer sind gefragt

Bei der Rickenbacher AG hat man das in den Griff bekommen, indem möglichst viel auf Kommission bestellt wird und die Lagerbestände klein gehalten werden. Selten gebrauchtes Material wird mit einem Datum versehen, in einen separaten Teil des Lagers gebracht und bei Nichtgebrauch nach einer gewissen Zeit aussortiert. «Zudem verlange ich von unseren Hauptlieferanten jedes Jahr eine Umsatzstatistik. Diese liefert schon gute Anhaltspunkte über unseren Materialverbrauch», sagt Erich Rickenbacher.

Marc-Theodor Habegger gibt zu bedenken, dass man neue Lagerkonzepte nicht einfach so aufzwingen kann. «Die Mitarbeiter und auch die Vorgesetzten müssen es verstehen und leben.» Das kann auch Erich Rickenbacher bestätigen: «Es braucht viel Disziplin und dauert eine Weile, bis sich der Erfolg bemerkbar macht.»

Selbstverständlich ist das Betreuen eines Lagers nicht die Hauptaufgabe eines Schreiners. Genau deshalb ist es von Zeit zu Zeit angebracht, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und allenfalls anzupassen. So können sich die Fachleute auf die Produktion konzentrieren.

www.schreinerzeitung.ch/dossierswww.hrag.chwww.kardex-remstar.ch

Das Kanban-System

Lagern auf Japanisch

Herkunft

Kanban entstammt dem Japanischen und bedeutet so viel wie Karte, Tafel oder Beleg. Kanban ist eine Umsetzung des unter den Synonymen Hol-, Zuruf- oder Pull-Prinzip bekannten Steuerungsverfahrens. Ursprünglich wurde das Kanban-System 1947 beim japanischen Autohersteller Toyota entwickelt.

Definition

Ein Kanban-System wird grundsätzlich von der Produktion der letzten Fertigungsstufe gesteuert: Unterschreitet dort der Lagerbestand eines bestimmten Materials einen definierten Mindestwert (Meldebestand), wird dies an das zuständige Lager gemeldet. Das stösst die Bestellung und dann die Bereitstellung des Materials an.

Anwendung

Im klassischen Kanban-System werden in dieser Kommunikationskette Kanban- Karten eingesetzt. Sie liegen wie die Verbrauchsartikel in den gefüllten Transportbehältern. Sobald der Inhalt des Behälters aufgebraucht ist, legt der Verbraucher die Kanban-Karte in eine Sammelbox. Die zuständige Person kontrolliert regelmässig die Sammelbox und ist für die rechtzeitige Bereitstellung des Materials zuständig.

Alternativ zur Kartensystematik lassen sich Kanban-Regelkreise auch über die zum Transport der Materialien nötigen Behälter steuern. Hierzu werden alle benötigten Informationen an den Transportbehältern selbst angebracht, und die Steuerung erfolgt über Beobachtung der verbrauchten Behälter.

ph

Veröffentlichung: 15. Februar 2018 / Ausgabe 7/2018

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