Immer wieder das Sein geniessen

Auf dem Feldenmoos treffen die Aargauer Wanderwege und der Freiämterweg aufeinander. Schreiner Beat Koller (75) pflegt 30 Kilometer davon. Bild: Cornelia Thürlemann

Leute. Der Rastplatz bei den Weihern im Feldenmoos oberhalb von Boswil AG ist der Lieblingsplatz von Beat Koller. Hier ruht sich der 75-Jährige nach der Arbeit aus, schaut auf die sich kräuselnde oder auch ruhige Wasseroberfläche, lauscht dem Wind, den knackenden Ästen oder schaut zu, wie ein Reh durch den Wald huscht.

«Das Hören ist besonders schön», findet Koller. Die drei Weiher liegen in einem Hochmoor. «Vom ersten Weltkrieg bis in die 1950er-Jahre wurde hier Torf gestochen», erzählt er. Danach füllten sich die Mulden mit Wasser. Heute sind es Naturoasen, Anziehungspunkte für Fischer, Wanderer, Familien und Senioren. Die Holzbänke entlang der Weiher hat Koller Stück für Stück erneuert. Hier schreibt er auch Gedichte, in denen er seine Gedanken über die Welt und das Leben festhält. Bei den Weihern treffen sich die Aargauer Wanderwege und der Freiämterweg. Seit seiner Pensionierung vor zehn Jahren pflegt Koller 30 Kilometer des weitläufigen Wegnetzes. Mit dem Feldenmoos verbindet er auch viele Erinnerungen. «Der Wald war der Spielplatz meiner drei Söhne. Hier haben sie gelernt, ein Feuer zu entfachen, gezeltet und gespielt.» Als Naturliebhaber und leidenschaftlicher Schreiner bringt Koller ideale Voraussetzungen mit, die Wege zu unterhalten. Dies alles ist für ihn viel mehr als Arbeit. Immer wieder setzt er sich hin, hört der Natur zu, geniesst die Stille, das Sein. Koller ist mit ganzer Seele ein «Hölziger». Aufgewachsen als eines von sieben Kindern auf einem Bauernhof in Knonau ZH, war es für ihn früh klar, dass er Handwerker werden wollte. Kunstschmied wie sein Vater oder Schreiner? Den Ausschlag gab schliesslich der feine Geruch des Holzes. Den Entscheid habe er keinen Augenblick bereut. «Ich liebe meinen Beruf.»

«Entweder ich behalte die Schreinerei und arbeite bis 80 – oder ich mache einen klaren Schnitt.»

Bald gründete er eine eigene Schreinerei und hatte zeitweise bis zu fünf Angestellte. Seine Frau Ursula machte die Buchhaltung. Als die Pensionierung näher rückte, sah er zwei Möglichkeiten: «Entweder ich behalte die Schreinerei und arbeite bis 80 – oder ich mache einen klaren Schnitt.» Koller entschied sich für Zweiteres und wagte den Schritt ins Ungewisse. «Wir verkauften Maschine um Maschine, putzten und gaben am Freitagabend dem Vermieter die Schlüssel ab.» Am Morgen danach trafen sie am Flughafen Kloten eine Gruppe, mit der sie den Küstenabschnitt des Jakobswegs in Spanien erwanderten. Das war der Auftakt für einen neuen Lebensabschnitt. «Es war wunderschön», erinnert er sich. Zufällig erfuhr Koller dann, dass die Aargauer Wanderwege einen Mitarbeiter für das Gebiet vor seiner Haustür suchten: Bettwil, Seon, Hallwil, Fahrwangen und Eichberg. Er meldete sich. Seither kümmert er sich mit grosser Hingabe darum, dass die Wege sicher und begehbar bleiben. Er schneidet Büsche zurück, erneuert und pflegt Wegweiser und signalisiert Umwege, wenn eine Baustelle einen Weg versperrt. Bald wurde ihm auch ein Teil des Freiämterwegs übertragen. Inzwischen ist er auch für die Instandhaltung der 60 Informationstafeln entlang des Freiämter Kulturwegs zuständig.

Und das Ehepaar Koller wagte noch ein weiteres Abenteuer: Mit 60 Jahren entschieden sie sich, Haus und Garten in Boswil aufzugeben und in Fahrwangen ein neues Haus zu bauen, woran die ganze Familie mitwirkte. Hier leben Beat und Ursula Koller nun, und die Kinder und Grosskinder sind häufig zu Gast. Dazwischen sind die beiden häufig mit dem Velo unterwegs. Oder sie pflegen ihren grossen biologischen Garten.

Cornelia Thürlemann

Veröffentlichung: 31. März 2025 / Ausgabe 12/2025

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