Kultur der Materialwahl

In das Ideal der Nachhaltigkeit fliessen viele Aspekte mit ein. Regional erzeugtes Holz aus ökologischer Waldwirtschaft entspricht diesem Prinzip in besonderer Weise - nicht nur aus ökologischer Sicht. Bild: Lignum

Im Zusammenspiel von Qualität bei der Konstruktion und der Verarbeitung sowie dem Produktdesign ist die Materialisierung ein entscheidender Faktor für ein Mehr an Nachhaltigkeit. Denn die Wahl des Materials bestimmt massgeblich den Anteil der grauen Energie, die der Werkstoff auf dem Buckel hat, bevor er überhaupt in der Schreinerei landet. Bei der Bewertung der inzwischen unübersichtlichen, aber möglichen Materialpalette für das jeweilige Ziel ist der Schreiner mit seinen Kernkompetenzen gefragt. Eine Einschätzung hinsichtlich der Nachhaltigkeit ist aber oft erschwert, weil dies über die Aussagen einer reinen Ökobilanz hinausgeht und eine solche zudem für die meisten Werkstoffe gar nicht vorliegt. Bilanzen für den ökologischen Fussabdruck von Materialarten gibt es, aber je nach Herkunft und Produktionsverfahren können die Ergebnisse stark variieren. Die Länge der Transportwege übt bei hölzigen Werkstoffen einen grossen Einfluss auf die Umweltbilanz aus. Trotzdem geben Ökobilanzen natürlich Aufschluss darüber, wie es sich grundsätzlich mit dem Einsatz an grauer Energie im Produktionsverfahren eines Materialtyps verhält. Ein Beispiel: Laut einer Studie der Universität Hamburg braucht die Herstellung von OSB-Platten rund die Hälfte mehr an grauer Energie als die Produktion einer Spanplatte. Die Ursache liegt vor allem bei den hohen erforderlichen Pressdrücken bei der Produktion von OSB. Solche Platten werden auch gerne für temporäre Bauten bei Ausstellungen, Messen oder anderen Veranstaltungen eingesetzt und danach oft entsorgt. Wird der kostengünstige Werkstoff in dieser Form eingesetzt, kann man schlecht mit Ökologie argumentieren. Beispiele ausserhalb der Holzbranche sind dabei noch viel gravierender. So werden bei der Produktion von Handys und anderen zeitgemäs- sen elektronischen Geräten sogenannte seltene Erden benötigt. Wie der Name schon verrät, sind diese nur begrenzt verfügbar. Ein Gerät von Apple, Samsung und Co. kostet in der Produktion in China nur wenige, im Verkauf aber viele hundert Schweizer Franken. Die fast schon unanständige Differenz ist überwiegend für die Anteilseigner bestimmt. Um ein Recycling der wertvollen Rohstoffe und somit um ihre eigene Zukunftssicherung kümmern sich die Konzerne aber nur wenig. Dabei sind die Umweltauswirkungen bei der Gewinnung gravierend. Prädikat: Kaum ein Bemühen um Nachhaltigkeit sichtbar. Unsere Kinder werden in zwanzig Jahren vielleicht Geräte mit ganz anderem Nutzen entwickeln; ob sie noch die nötigen Rohstoffe dafür zur Verfügung haben werden, bleibt beim derzeitigen Wirtschaftsverhalten ungewiss.

Zurück in die Zukunft

Wie man es auch dreht und wendet: Regional erzeugtes Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft der kurzen Wege, in hochwertigen, langlebigen und reparaturfreudigen Produkten verarbeitet, ist ein Nachhaltigkeitsbeispiel par excellence, weil sicher auf den positiven Effekten der drei Säulen des Prinzips ruhend.

Wie es sich diesbezüglich mit all den anderen Werkstoffen verhält, darauf lässt sich nur die stets etwas unbefriedigende Antwort geben: Es kommt darauf an. Etwa auf einen sinnvollen Materialeinsatz besonders bei Werkstoffen, die viel Energie benötigen. Eine spätere stoffliche Wiederverwertung sollte nach derzeitigem Stand der Technik möglich sein, wodurch der Verarbeitung und Konstruktion von Möbeln oder Innenausbauten eine grosse Bedeutung zukommt.

Schlau wiederverwerten

Beim Arbeiten mit Glas, Aluminium und anderen Metallen, Kunststoffen, Textilien und weiteren Materialien kann im Konstruktionsprozess eine sortenreine Wiederverwertung angedacht werden. Schwieriger wird es bei verklebten Verbundmaterialien oder solchen Werkstoffen, die ein Gemisch aus verschiedenen Grundstoffen aufweisen. Beim Materialarchiv Raumprobe hat man versucht, den Nachhaltigkeitsgedanken als Kriterium zu integrieren. Gesucht werden können Materialien unter Attributen wie nachwachsend, sortenrein, biologisch abbaubar, Recyclinganteil und ökologisch zertifiziert. «Das Thema ist wichtig für uns und unsere Kunden, aber auch schwierig, weil es ungeheuer komplex ist. Deshalb sind wir auf der Suche nach eindeutigen Aussagen dazu», sagt Hannes Bäuerle, Gründer und Inhaber von Raumprobe. Da das Angebot an Werkstoffen immer umfangreicher wird, wandert ein Stück der im Handwerk verorteten Materialkompetenz zum Hersteller. Deshalb ist eine Positionierung zum Geschehen für den Schreiner sinnvoll. Etwa die Schreinerei Impuls im bernischen Thun, bei der ein Kunde schon online lesen kann, woran er ist. «Aus persönlicher Überzeugung und Respekt gegenüber unserer Umwelt hat sich Marcel Ruchti bereits bei der Gründung von Impuls 1994 dazu entschieden, ökologisch unbedenkliche Rohstoffe zu verwenden und nachhaltig und schadstoffarm zu produzieren. Diesen Grundsatz lebt Impuls mehr denn je! Unser Name steht heute für Ökologie, Nachhaltigkeit, effiziente Energienutzung und Naturfarben», so die klare Aussage.

www.raumprobe.dewww.holzimpuls.ch

ch

Veröffentlichung: 31. August 2017 / Ausgabe 35/2017

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