Kunstobjekte mit Vorgeschichte

Die Arbeit mit Holz ist Simon Berger (42) vertraut. Das Porträt besteht aus 14 verschie-denen Holzarten. Bild: Franziska Herren

In Simon Bergers Atelier türmen sich Kuriositäten und Raritäten bis unter die Decke. Kotflügel, Kofferraumdeckel und Motorhauben von alten Mercedes-Autos hängen an den Wänden. Leinwände und Glasscheiben reihen sich auf der einen Seite des Raumes aneinander. Auf einem Regal lagern Holzlatten. Und in einer Ecke sind Kartonschachteln mit mehreren Dutzend Lampen gestapelt, die wie kleine Notenständer aussehen.

«In meinen Kunstwerken gebe ich der ursprünglichen Funktion der Materialteile eine neue Bedeutung.»

«Ich sammle nicht wahllos, sondern suche mir die Gegenstände aus», erklärt der gelernte Schreiner. «Mich begeistern kostbare Objekte, hinter denen eine Geschichte steckt. Oder Gegenstände, die ich in einer grossen Stückzahl erwerben kann. Denn daraus lassen sich spannende Installationen anfertigen.» Das Atelier des Künstlers, der sich in dieser Funktion ganz einfach «dr Simon» nennt, befindet sich im Parterre seines Einfamilienhauses im bernischen Niederönz. Hier wohnt Berger mit seiner Frau, und hier experimentiert er mit Materialien und Farben und kreiert Kunstwerke. So beispielsweise ein Bild aus fast tausend Badebällen, das zwei Kindergesichter zeigt. Oder Porträts von Menschen, die er aus Furnierteilen zusammenstellt. In seinem neusten Werk, das er in einer Kunstgalerie ausstellen kann, hat er das Gesicht des aktuellen James-Bond-Darstellers Daniel Craig aus Teilen eines alten Jaguars zusammengesetzt. «In meinen Kunstwerken gebe ich der ursprünglichen Funktion der Materialteile eine neue Bedeutung.»

Besonders stolz ist der Künstler auf seine Kreation aus Verbundsicherheitsglas, die er mit einem Hammer so bearbeitete, dass eine Gesichtshälfte darin zu erkennen ist. «Diese Technik hat vor mir noch niemand anderes angewendet», betont er.

Bergers Werke haben eine unverkennbare Handschrift. Der 42-jährige Künstler kreiert Gesichter aus Materialteilen, die sich den Betrachterinnen und Betrachtern erst dann erschliessen, wenn diese das Werk aus einer gewissen Distanz anschauen. Aus der Nähe heraus zerfällt das Bild in seine Einzelstücke. Ideen für seine Kunstwerke blitzen meist unerwartet und plötzlich vor seinem inneren Auge auf. Beim Autofahren, beim flüchtigen Durchblättern eines Magazins oder unter der Dusche. Danach lässt er die Idee reifen, bis sie sich in seinem Kopf vervollständigt. Erst dann beginnt er mit der Arbeit.

Den Weg zur Kunst fand Berger zufällig: Als Autoliebhaber wollte er sich vor rund zehn Jahren mit einer Autopolierfirma selbst- ständig machen. Wegen einer chronisch entzündeten Schulter musste er dieses Vorhaben fallen lassen. Als er seiner Partnerin zum Geburtstag ein Porträt von sich auf eine Leinwand sprayte, packte ihn die Begeisterung für die Street Art. Er experimentierte so lange mit Spraydosen, bis er an seine Grenzen stiess. So kam er auf den vertrauten Werkstoff Holz zurück. «Der Wechsel zur Arbeit mit Holz war als Schreiner naheliegend», sagt er. Später erweiterte er den Fundus an Materialien. «Wenn ich als Schreiner einen Tisch anfertige, dann richte ich mich nach Normen und Regeln. Kunst hingegen ist frei und nicht messbar. Das ist manchmal schwierig.»

Die Stiftung Kunst-Hof Wangenried förderte seinen Start. Sie bot dem Künstler eine Plattform, um seine Werke einem breiten Publikum zu zeigen.

Berger montiert an drei Tagen in der Woche Wintergärten. Die restliche Zeit verwendet er für die Kreation von Kunstwerken. «Mein Ziel ist es, als Künstler einen Platz in den Galerien und in der Welt zu finden, sodass ich davon leben kann.»

fh

Veröffentlichung: 26. April 2018 / Ausgabe 17/2018

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