Lernlandschaften in den Korridoren

Mit dem durchgehenden Grünton der Elemente schuf man einen Kontrast zum dunklen Rot des alten Täfers. Bild: Weisswert

Schulhaus.  Die Sanierung der breiten Flure in der Primarschule St. Johann in Basel stand unter dem Motto «Bewegtes Lernen». Mit Rücksicht auf den historischen Bestand schufen die Schreiner eine neue Raumstruktur. Die Massanfertigungen laden zum Spielen und Arbeiten ein.

Die Primarschule St. Johann in Basel ist ein stattliches Gebäude aus der Gründerzeit. Nach der Sanierung startete die Schulleitung ein Partizipationsprojekt unter dem Motto «Alternative Lernorte» für Einzel- und bewegten Unterricht sowie eigenständiges Arbeiten. Während eines Workshops mit dem Verein «Drumrum-Raumschule» brachte die Schülerschaft ihre Wünsche ein – eine Pionierleistung, die es bisher nur für weiterführende Schulen gab. Beim Wettbewerb 2018 erhielt das Basler Studio Zmik den Zuschlag für seine Lernlandschaften.

Funktionale und kreative Lernorte

In der Findungsphase arbeiteten Lehrer, Schulleiter und Vertreter des Erziehungsdepartements gemeinsam mit dem Innenarchitekten Mattias Mohr von Zmik die Themen Mobiliar, Grössen und Materialität aus. Auf drei Geschossen entstanden in den vier Meter breiten, lichten Korridoren sechs sogenannte Lerninseln mit ähnlichem Grundprinzip der Reihung und anderen Elementen wie Höhle, Hüpfball oder Sitzecke. Charakteristisch ist die Verbindung der Garderoben mit den Lernlandschaften. Die Garderoben verlaufen im Zickzack in der Flurmitte und bilden eine Art Schleuse mit den wandseitig montierten Lamellen. Sie grenzen die Lerninseln ab, dienen als Absturzsicherung und öffnen den Fluchtkorridor. «Wie schaffen wir es, dass trotz neuer Raumgestaltung eine Einheit zum Bestand geschaffen wird?», fragte sich Mohr als Projektverantwortlicher.

Passgenau und kindersicher

Die neue Einheit entstand zum einen mit einer durchgehenden Farb- und Materialwahl in Anlehnung an den Bestand. So wurden etwa die Garderoben wie das historische Parkett in klar lackierter Eiche ausgeführt. Zum anderen formte die passgenaue Umsetzung durch die Basler Schreinerei Voellmy AG unter Projektleitung von Sascha Findling ein neues Ganzes. Anschlüsse und Übergänge zum Bestand waren die Regel. Die verschieden hohen Tische in den Lerninseln schnitt man exakt auf die Fensternischen zu, wie auch die Polsterelemente. Für deren fensterhohe Positionen war die Nachrüstung mit Verbundsicherheitsglas zwingend. Auch die Garderoben entlang des Wandtäfers passte man exakt ein. Stets flankierendes Thema war die Sicherheit: Einklemmschutz, Absturzsicherung und Brandschutz. Die Problematik: Es gibt keine klaren Normen für diese Art der baulichen Ausführung. «Wir lösten die Anforderungen an Brandschutz und Absturzsicherung in einem Aushandlungsprozess mit dem verantwortlichen Sicherheitsbeauftragten des Erziehungsdepartements», sagt der Innenarchitekt.

Zwei Fertigungsweisen

Die kindersichere Ausführung bedeutete für das Schreinerteam einiges an Mehraufwand. «In Kindertagesstätten müssen alle Aussenteile bis zu einer Höhe von 2 m gerundet sein im Radius von 4 mm», sagt der Projektverantwortliche. Er zeigt auf die Ablagen der Garderoben und auf die innenliegenden Kanten der Staketen mit einem geringeren Radius. Man passte die verschiedenen Winkelsituationen im Garderobenverlauf auf die Gesamtlänge an. Und die Fachleute führten die Sitzflächen der Garderoben in Dreischichtplatten aus, weil sie für diese Anwendung geeigneter sind als Massivholz. Weil die bestehenden Fussböden nirgends eben sind, mussten alle Garderoben geschiftet werden. «Grundsätzlich waren die Fachleute mit zwei Fertigungsweisen konfrontiert», fasst Innenarchitekt Mohr zusammen. Die Module der zwölf Lamellen-Garderoben, je nach Jahrgangsstufe unterschiedlich hoch, wurden in einer Art Kleinserie vorproduziert und vor Ort am Boden ausgerichtet und miteinander verbunden. Daneben galt die individuelle Fertigungsweise für sechs Lernmodule. «Vielfältige Aufenthaltsqualitäten und Nutzungsmöglichkeiten regen die kindliche Motivation an», sagt Mattias Mohr.

Aufbau in Schichten

Aus der Vielfalt an Modulen erwuchs eine Vielfalt an technischen Herausforderungen, wie die sogenannte «Welle» zeigt. Das Element verjüngt sich nach hinten. Seine Dreischicht-Unterkonstruktion ist verkapselt mit einer schwer entflammbaren Hülle aus MDF-Platten. «Im 3D-Programm habe ich Stützen eingezeichnet als Träger der Welle», sagt Findling über die «extreme Herausforderung in der Planung». Anschliessend wurde ein Biege-MDF darauf befestigt. «Die obere Platte gewährleistet Stabilität bis an den Rand.» Ein schwer entflammbarer Teppich bildet den Abschluss. Seitlich passte Findling das Element mit minimalster Fugenbreite zwischen Garderobe und Wandverkleidung ein. Vereinzelt baute das Team Prototypen, um deren Funktionalität zu testen.

Unbedingt revisionsfähig

Die Anforderungen lauteten Revisionsfähigkeit und Demontierbarkeit. Projektleiter Findling zeigt auf die Revisionsklappen unter dem Holztisch am Fenster für den Tausch der Heizungsventile. Die Bodenplatten waren durch eine Vielzahl an Elementen immer verschieden, auch für den «Echsenschwanz», aus drei Teilen gefertigt, ohne rechten Winkel. «In der technischen Umsetzung aller Zeichnungen war ich relativ frei», sagt Findling.

Optimale Vorbereitung

Für Produktionsprozess und Lieferung mussten Gewicht und Masse berücksichtigt werden. Die «Welle» lieferten sechs Personen an. «Wir hatten nur eine Montagezeit von vier Wochen bei sechs Positionen mit zig Einzelteilen», sagt der Fachmann.

Die Pausenglocke ertönt, und die Kinder strömen in die Flure und auf die Lernorte – alle mit Socken. Das wurde bereits in der Planung ausgehandelt, wie auch die Reinigung durch die Kinder selbst erfolgt. Das Konzept geht auf. Das Mobiliar ist auch nach einem Jahr Nutzung in Topzustand. Für die Lernlandschaften erhielt das Studio Zmik 2019 den Goldenen Hasen in der Kategorie Design, ausgelobt von der Architekturzeitschrift «Hochparterre».

www.voellmy.chwww.zmik.ch

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 27. August 2020 / Ausgabe 35/2020

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