Lichtblick mit Potenzial

Altbauten, wie hier im Wallis von Zurbriggen saniert, können mit der Pfosten-Riegel-Konstruktion mit einem neuen Wohngefühl aufgewertet werden. Bild: Zurbriggen AG

Pfosten-Riegel-Konstruktion.  Grosse Glasflächen lassen sich nicht nur durch immer grössere Scheiben, sondern auch mithilfe einer bewährten und ansprechenden Konstruktion realisieren. Das Arbeiten mit Pfosten und Riegel bietet viele Chancen für das Handwerk.

Pfosten-Riegel-Konstruktionen sind eine interessante Sache. Kaum jemand, der Glasflächen so umgesetzt hat, würde das anders formulieren. Genau da fangen die Probleme schon an. «Manche Architekten kennen die Konstruktion gar nicht, geschweige denn, dass sie Erfahrung damit hätten», sagt Roman Zurbriggen, Geschäftsinhaber der gleichnamigen Schreinerei in Visp VS. Der Fensterspezialist hat zahlreiche Referenzen mit Pfosten-Riegel-Konstruktionen vorzuweisen, und auch das Treppenhaus am Bürogebäude der eigenen Werkstatt ist so konstruiert. Für Zurbriggen eine Selbstverständlichkeit und eine gut machbare sowie erprobte Variante. Ebenso selbstverständlich für Zurbriggen: Pfosten und Riegel sind in Holz ausgeführt. Auch das ist nicht ganz so selbstverständlich, wie man meinen möchte. Denn bei den Fensterbauern sind es vor allem die Metaller, die solche Konstruktionen aus Aluminium umsetzen, nicht selten auch für grossflächige Fassaden.

Schreinereien mit Holz als Rahmenmaterial sind in dem Bereich seltener anzutreffen, und den Holzbauern fehlt es oft etwas an Fingerspitzengefühl für die Qualität im Detail bei solchen Arbeiten. So kommt es, dass die Pfosten-Riegel-Konstruktionen aus Holz etwas verwaist sind, was ihre eher seltene Ausführung zu einem Teil erklären mag. Dabei ist es doch gerade die hölzige Ästhetik im Inneren, die begeistert. Jede Holzart ist im Grunde möglich, und das Ganze kann sich harmonisch in die Innenraumgestaltung mit den Fenstern einfügen.

Einfach und zielführend

Die Konstruktion kann prinzipiell in Stahl, Aluminium und Holz ausgeführt werden. An die senkrechten durchlaufenden Pfosten werden dabei die waagrechten Riegel angeschlossen. Die lasttragende Konstruktion verlangt vor allem in Holz relativ schmale, aber recht tiefe Querschnitte. Sie lässt viel Licht in den Raum und kann Gläser auch in grossen Dickenmassen aufnehmen. Verglast wird bei Pfosten-Riegel-Konstruktionen immer von aussen. Im Gegensatz zum architektonischen Trend mit immer grösseren Glasflächen von Schiebeflügeln mit Festverglasungen entfallen dadurch bei der Pfosten-Riegel-Konstruktion so manche Probleme in puncto Format, Gewicht und des Einsetzens der Scheibe über das Gebäudeinnere. In der Regel sind die einzelnen Gefache nicht zu gross, sodass auch die Manipulation der Scheiben mit relativ vertretbarem Aufwand möglich ist.

Auf die Tragkonstruktion wird ein Grundprofil mit Dichtungsebene geschraubt. An den Riegeln wird zudem punktuell ein Tragprofil ergänzt, auf dem das Glas steht. Eine Isolierung im Aluminiumprofil sorgt für bessere Wärmedämmwerte des Anschlusses, die somit auch höchsten Ansprüchen genügen können. Das Klemmprofil mit Dichtungsebene drückt mittels Schrauben die Gläser an und sorgt für die erste Dichtungsebene zur Entwässerung. Damit diese richtig funktioniert, sind je nach System die Anschlüsse an den Stössen von durchgehenden Pfostenprofilen zu den Riegelprofilen bei den Gummidichtungen gemäss den Herstellervorgaben auszuführen. Das Wasser muss aus den Querriegeln in die Pfosten eingeleitet werden. Dazu müssen die Gummiprofile der Pfosten entsprechend ausgeklingt werden, damit das Wasser seinen vorgesehenen Weg finden kann.

Auf die geschraubten, äusseren Aluminiumprofile werden am Schluss meist noch Abdeckleisten aufgeclipt. Die Profile können auch mit Gewindebolzen für das Anbringen von Verschattungen ausgestattet sein. Aber auch der Einsatz von Holz für die äussere Deckleiste ist möglich. Meist entscheidet man sich bei den Abdeckleisten wegen des unempfindlichen Verhaltens für Aluminium. Aber auch das direkte Aufschrauben von Holzleisten mit Dichtungsebene ist möglich und kommt vereinzelt auch zur Anwendung.

Verbinder sind wichtig

Die Tragkonstruktion aus Holz kann mit klassischen Holzverbindungen ausgeführt werden. Je nach Wahl der Verbindungen muss das Gerippe zunächst zusammengebaut und dann aufgerichtet und montiert werden. Etwas einfacher geht das Ganze mit Verbindern aus Stahl oder Aluminium, die das Einschieben der Riegel zwischen die Pfosten ermöglichen und so für eine unkomplizierte Montage vor Ort sorgen. Zurbriggen arbeitet mit dem Raico-System und hat vor einigen Jahren sogar extra eine Fräse für die stirnseitige Bearbeitung der Stäbe, sprich die Taschenfräsungen für die Verbinder, angeschafft. Die Riegel müssen die Last der Gläser unter ungünstigen Hebelkräften am Rand aufnehmen. «Deshalb ist es wichtig, dass die Lasten richtig in die Konstruktion geleitet werden, ohne dass sich die Verbinder verdrehen können», sagt Zurbriggen. Mechanische Verbinder haben sich dabei bewährt. Auch hier muss auf die Herstellerangaben geachtet werden, bis hin zu den verwendeten Schrauben. Die Verbinder stellen eine relativ hochpreisige Variante dar, dafür bieten sie gleichbleibende Sicherheit und Qualität, was die Belastbarkeit der Konstruktion angeht. Letztlich entscheiden auch die örtlichen Gegebenheiten über die Vorgehensweise. Manchmal kann es sinnvoll sein, die Konstruktion liegend zu montieren und dann mittels Kran als Gesamtes aufzurichten und in der Fassade zu platzieren.

Vorteile sind deutlich in der Überzahl

Jede Technik und jede Konstruktion hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. So viele positive Eigenschaften und Vorteile eine Pfosten-Riegel-Konstruktion hat, die Integration von Fensterelementen sorgt konstruktionsbedingt für deutlich mehr Holzfläche und damit weniger Licht. Zwar lassen sich Fenster- und Türelemente leicht in die Konstruktion integrieren, doch verengen diese mit der ganzen Rahmenbreite den lichten Ausschnitt.

Roman Zurbriggen hat auch hier eine Lösung gefunden. Er integriert Hebe-Schiebe-Elemente so, dass deren Rahmen genau mit den Pfosten übereinstimmt. Dazu laufen die Schiebelemente vor den Pfosten. Mit dieser Konstruktion kann der Fensterspe-zialist auch barrierefreie Durchgänge in eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz integrieren.

www.zurbriggen.netwww.raico.ch

Konstruktive Verbinder

Da weiss man, was man hat

Eine Pfosten-Riegel-Konstruktion muss nicht nur grossen Windlasten, sondern dauerhaft gegenüber den wirkenden Torsionskräften durch das Gewicht der Scheiben standhalten. Neben Systemanbietern wie etwa Raico können für die Konstruktion auch Verbinder aus dem Holzbau genutzt werden. Dazu gehören Knapp-Verbinder von Ricon, Hoba Fix von Sihga, solche von Eurotec sowie die konisch ausgebildeten Sherpa-Verbinder.

www.knapp-verbinder.comwww.shiga.comwww.eurotec.teamwww.sherpa-connector.com

Das Schlimmste verhindern

Die Besiedelung mancher alpinen Region zusammen mit den Auswirkungen des Klimawandels rücken den Schutz vor Lawinen und anderen Naturgefahren vermehrt in den Fokus. Pfosten-Riegel-Konstruktionen bieten durch die Verglasung von aussen und die stabile Fixierung der Elemente grundsätzlich einen konstruktiven Vorteil gegenüber anderen Varianten bei extremen Belastungen wie einer Lawine. Anders als in Österreich, gibt es in der Schweiz keine normativen Vorgaben zu Lawinenschutzfenstern (ÖNorm B 5301 und 5302). Stattdessen müssen solche Anforderungen in enger Zusammenarbeit mit den Behörden und Ingenieurbüros im jeweils konkreten Fall geplant und umgesetzt werden. So konnte Roman Zurbriggen bei einem Bauvorhaben im Saastal im Oberwallis mit einer Pfosten-Riegel-Konstruktion und kleinen Kippflügeln eine Glaskonstruktion mit Lawinenschutzeigenschaften realisieren. «Welchen Widerstand die Konstruktion aber tatsächlich zu leisten imstande ist, weiss niemand», räumt Zurbriggen ein. Baubehörde und Experten nähern sich in enger Abstimmung in jedem Einzelfall einer möglichst sicheren Konstruktion an, um das Schlimmste im Ernstfall vereiteln zu können.

Christian Härtel

Veröffentlichung: 02. Februar 2023 / Ausgabe 5/2023

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