Massarbeit innen - Reduktion aussen


Inselküche in Liniemit dem Kubus. Einen Blickfang bildet die schlanke, aufgesetzte Arbeitsfläche aus Edelstahl. Bilder: Leo Boesinger
Inselküche in Liniemit dem Kubus. Einen Blickfang bildet die schlanke, aufgesetzte Arbeitsfläche aus Edelstahl. Bilder: Leo Boesinger
Design. Ein Einfamilienhaus in der Bodenseegemeinde Güttingen besticht durch seine kubische Form. Im Innern setzt sich die reduzierte Gestaltung dank massgenauer Schreinereinbauten fort. Ein Kubus im Zentrum beherbergt die Funktionsbereiche.
Ein sogenanntes Sahnestück ist das Grundstück mit seiner ausladenden Wiesenfläche zum See hin in einem Wohnviertel der Gemeinde Güttingen TG. Der kubische Sichtbetonbau mit einer vorgehängten Betonelementfassade und einer teilweisen Holzschalung in Tanne wirkt darin äusserst kompakt. «Wir mussten ein Gebäude entwerfen, welches den sehr engen Bauvorschriften Rechnung trägt», erklärt der verantwortliche Architekt Pascal Meer vom Büro Loos Meer Architekten in Amriswil. «Die bestehende Mantelbaulinie des Gestaltungsplans hat dazu geführt, dass beinahe ein quadratischer Grundriss entstand, der zusammen mit der Gebäudehöhe als Kubus wahrnehmbar ist.» Die Spannung steckt, wie so oft, im Verborgenen.
Der Zutritt ins Haus erfolgt ebenerdig von Süden her, die kleinen Bewohner stürmen neugierig herbei. «Finken an», heisst es ab hier. Der Eingangsbereich funktioniert wie ein japanischer «Genkan», ein Übergang von der Aussen- zur Innenwelt, in dem man die Schuhe ablegt. Die Erlebnisreise durchs Haus mit dem Bauherrenpaar und Björn Luther, Schreinermeister und Mitinhaber der Warger Schreinerei Amriswil, sowie dem Architekten kann beginnen. Nach der Leitidee der «promenade architecturale» des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier sei der Weg durchs Haus als Erlebnis konzipiert, erklärt Pascal Meer. Das Eichenholzparkett begleitet den Besucher von Beginn an. «Auch Sichtbetonoberflächen dominieren den Innenraum», sagt der Architekt. Ein weiterer Begleiter auf der Reise durchs Haus ist ein petrolfarbener Kubus mit einer integrierten Garderobennische. «Die hohen Einbauschränke auf beiden Seiten bieten optimalen Stauraum für alles, was man mit Kindern so braucht», sagt die Bauherrin und öffnet eine der Türen mit Push-to-open-Beschlag. Über wenige Treppenstufen ist das Hochparterre erreicht, ein Wunsch des Bauherrenpaars, um die besten Blicke zum See hin zu gewährleisten, wie auch für den Hochwasserschutz.
Von hier aus zweigen seitlich – jeweils in den Kubus integriert – der Putzschrank sowie ein Gäste-WC ab. Björn Luther weist darauf hin, dass die Einbauten bündig erfolgten, sodass der im Schrank platzierte Putzroboter schwellenlos seine Arbeit aufnehmen kann. Eine Tür weiter besticht das Gäste-WC als neuer Erlebnisraum. Der kontrastreiche rötliche Innenanstrich harmoniert mit rustikalen Eichenholz-Tablaren, naturgeölt. Die Montage erfolgte unsichtbar mit Nutleisten. Gegenüber führt ein lediglich 3 Zentimeter breites, schwarz lackiertes Treppengeländer durchgehend ins Ober- und Untergeschoss. Das habe ihn einige Stunden Massaufnahmen gekostet, erinnert sich der Schreiner. Auch genaue Absprachen mit dem Bodenleger waren notwendig, damit der Einbau ohne störende Leisten millimetergenau realisiert werden konnte. Um die Ecke herum eröffnet sich der Blick auf die Kochinsel mit einer nur 5 Millimeter dünnen Edelstahl-Arbeitsfläche mit Wirbelfinish und Zitronenstein behandelt, die Kanten poliert. Die dritte Seite des petrolfarbenen Kubus beherbergt Einbauschränke sowie Backofen, Steamer und Kühlschrank wie auch eine versteckte Vorratskammer. «Unser Ziel ist es, Nebenräume geschickt zu verstecken, um Klarheit zu schaffen», erläutert Architekt Pascal Meer sein Konzept.
Diese Konzentration auf das Wesentliche war auch möglich dank der durchgehend unsichtbaren Montage, sagt Björn Luther. Der 3,80 × 3,80 Meter breite Kubus erforderte exakte 90-Grad-Winkel, damit er in einer Linie mit dem Parkett verläuft. Eine unterhalb der Decke rundum verlaufende Schattenfuge unterstreicht diese Präzision. Weiter sorgen die grifflosen Schränke mit Push-to-open-Beschlägen für ein minimalistisches Design. Dort, wo Griffe zur Bedienung des Kühlschranks eingefräst wurden, sind sie massgenau auf die Elektrogeräte abgestimmt. Ein weiteres Detail: «Die exakt 4 Millimeter breite Fuge bei allen Einbauten wirkt nicht nur ästhetisch, sondern auch hochwertig», meint der Schreiner. Dieses Fugenmass bestimmt nicht nur die Ansicht der 60 Zentimeter breiten Schrankfronten in der Küche, sondern alle Ansichten rings um den petrolfarbenen Kubus herum.
Die Fugenbreite wiederholt sich ebenfalls in der Kochinsel. Dort wurde auf Effekte, wie einen rückspringenden Sockel, bewusst verzichtet. So ist die Bühne frei für die Ausblicke über grossflächige Fensterfronten nach Süden, Osten, Westen und Norden, die Licht und die wunderschöne umgebende Natur ins Innere bringen. Bereits der Erstentwurf des Architekten habe ihnen gefallen, erinnert sich das Bauherrenpaar. Schnell sei man sich sicher gewesen, im Wunsch einer reduzierten Gestaltung von Hoch- und Innenausbau zusammenzukommen. Die Materialwahl – eine Kombination aus Sichtbeton, Glas und Holz – sei den Bauherren von Anfang an klar gewesen. Am längsten gedauert habe die Auswahl der Farben für Kubus, Inselküche und Treppengeländer, erzählt Luther. Auch Pflegeleichtigkeit und Feuchtigkeitsresistenz, gerade im Eingangsbereich, standen im Fokus. «Der Kubus wurde aus MDF gebaut mit einer Eurodekor-Grundierfolie aus einem speziellen Basispapier, das mit Tränkharzen imprägniert wird», sagt der Schreiner. «Die petrolfarbene Oberfläche ist antikmatt lackiert, dadurch sind Fingerabdrücke kaum sichtbar.» Alle Lackierarbeiten wurden mit dem Farblack «Variopur Plus» gemacht, der besonders beständig ist gegen mechanische Verformungen und Druck.
Der Rundgang führt hinauf in den ersten Stock. Hier wurden die Badmöbel der Eltern und Kinder mattweiss lackiert, sodass sie dem Lavabo aus Mineralwerkstoff in «Arlian Classic White» möglichst ähnlich sind. Die Einbauschränke in der elterlichen Ankleide und bei den Kindern wurden im Dekorspan «U 11525 SD Sandpearl (Office White)» mit einem Zwei-Blatt-Aufbau ausgeführt.
Architekt Stefan Meer weist auf die beiden Kinderzimmer hin, die gespiegelt auf den beiden Aussenseiten des Hauses liegen; in der Mitte ergänzt um ein separates Badezimmer der Kinder. Die schlichte Formensprache der Innenarchitektur wird nicht zuletzt durch die Türen unterstrichen, die raumhoch ausgeführt wurden. Eine offene Fuge zur Decke hin lässt sie grosszügig wirken. Eine Finesse bilden die auf dem Markt noch jungen Türgriffe «KD Basic» von Karcher Design zum Schliessen ohne Schlüssel und passend zu jedem Standardschloss. «Durch das Patent erübrigt sich das Schlüsselloch, verschlossen wird mit einem Pin, entriegelt wird durch Herunterdrücken des Türgriffs», erklärt Luther. Weitere Erlebnismomente bieten sich im Obergeschoss insbesondere durch riesige Glasfenster vom Schlafzimmer auf den See. Das Bauherrenpaar wünschte sich eine sichtgeschützte Sauna mit Seeblick. Sie verläuft hinter dem Schlafzimmer und bietet diese Aussicht durch ein länglich integriertes Querfenster. Wer nach dem Saunagang noch Entspannung braucht, der lasse sich in die frei stehende Wanne aus Mineralwerkstoff hinabgleiten oder nutze die formschönen Waschtische aus demselben Material. «Wir geniessen das Ambiente noch immer», meint das Paar, auch wenn sich natürlich der Alltag eingestellt habe. Erst als die Elternschaft anstand, erwog das lange Zeit in St.Gallen wohnhafte Paar das Thema Hausbau für sich. Also wurde das Projekt in Angriff genommen. Baubeginn war im Juli 2022, Einzug an Ostern 2023. Auf fünfeinhalb Zimmern mit einer Bruttogeschossfläche von 254 Quadratmetern und mit einem Swimmingpool im Garten erstreckt sich seither das Wohnglück der Familie.
Veröffentlichung: 26. Juni 2025 / Ausgabe 26/2025
Zusammenarbeit. Mit der Vergabe innenarchitektonischer Aufgaben an versierte Profis schafft eine Schreinerei einen deutlichen Mehrwert für ihre Kunden und kann sich auf ihre eigenen Kernkompetenzen konzentrieren. Das lässt sich zudem auch gut verrechnen.
mehrJapanisches Möbeldesign. Die japanische Kultur war lange Zeit isoliert und wirkt heute noch oft exotisch. Durch Kooperationen mit europäischen Designern hat sich so mancher Möbelbauer in der internationalen Szene etabliert mit Entwürfen, die ankommen.
mehrPaidPost. Basil Steiner, Lernender der Schreiner 48 Academy, hat aus Kirschbaumholz einen Schreibtisch im Jugendstil geschreinert – mit zwei Geheimfächern.
mehr