Meister auf dem Wasser

Weil Schreinermeister Othmar Huser (64) kein passendes Boot für seinen Hafenplatz fand, baute er sich selber eines. Bild: Franziska Hidber

 

Mit geschmeidigen Schritten geht Othmar Huser über den Bootssteg. Die «Dorina» schaukelt leicht auf dem Bodensee an diesem Dienstagvormittag. Huser bleibt einen Moment stehen, betrachtet sie mit einer Mischung aus Freude und Stolz, bevor er seine braunen Mokassins abstreift und das Boot über die kleine Treppe betritt. «Es ist immer noch ungewohnt, so ohne Übergwändli», sagt er und lacht. Gestern sind seine Frau Esther und er zurückgekehrt von einer zweiwöchigen Tour auf dem Bodensee – «Dorinas» Premiere. «Alles hat wunderbar geklappt», schwärmt der pensionierte Schreinermeister. Das Boot ist in Wahrheit eine elegante, knapp vier Tonnen schwere Motoryacht; blitzblank sauber und jungfräulich weiss, vor einem guten Monat erst eingewassert. «Jesses, war ich nervös.» Doch alles klappte ohne die geringste Komplikation. Seither braucht Huser kein Übergwändli und kein Werkzeug mehr, wenn er zum Boot geht. Ganze zwölf Jahre lang hat ihn «Dorina» in Beschlag genommen, anfänglich nur in der Freizeit, nach der Übergabe seiner Firma vor vier Jahren auch tagsüber. Mit dem Bootsbau habe er quasi einen neuen Beruf gelernt, sagt der Ostschweizer. «Eine sensationelle Herausforderung» sei es gewesen. Bis auf die Oberflächenbehandlung – «das ist nicht mein Ding» – hat er alles selber gemacht, gut beraten von einem versierten Bootsbauer.

So anspruchsvoll das Vorhaben auch war, so sehr habe er es genossen, mit den Händen zu arbeiten, wieder einmal den Hobel anzusetzen – und das ohne Zeitdruck. «Es gab kein ‹Gjufel› und deshalb auch keine Fehler. Ich musste nicht das kleinste Hölzchen wegwerfen.» Er zeigt die Küche, die Essensecke, die beiden gemütlichen Kojen, das Bad.

Auf dem Dach hat er eine Photovoltaikanlage angebracht: «Wir waren jetzt zwei Wochen lang mit Sonnenenergie unterwegs, das ist ein gutes Gefühl.»

Huser setzt sich auf die weisse Sitzbank, schaut aufs spiegelglatte Wasser, die Schweizerfahne flattert im Wind, seine goldenen «Chüeli»-Ohrringe reflektieren im Sonnenlicht und verraten seine Herkunft: das Toggenburg. Hier ist er auf einem Bauernhof weit weg vom Schuss und vom See aufgewachsen. 1979 zog er mit seiner Frau nach Steinach im Kanton St. Gallen. Er eröffnete eine eigene Schreinerei und beschloss, «den See auszukosten», obwohl er weder gut noch gerne schwimmt, wie er gesteht. «Ich bin lieber auf dem Wasser als im Wasser.» Zunächst mieteten die beiden jeweils in der Mittagspause ein Pedalo, später kauften sie ein eigenes Schiffchen, noch später ein Segelboot.

Mit den beiden Söhnen verbrachten sie unzählige Stunden auf dem Bodensee – und viele Nächte im engen Bootsbauch. «Eines Tages wünschten wir uns mehr Platz und Komfort.» Doch ein Motorboot, das in den Hafenplatz gepasst hätte, fanden sie nicht. So beschloss Huser kurzerhand, selbst ein Boot zu bauen, nicht ahnend, wie lange ihn das Projekt beschäftigen würde.

Mit der Schiffstaufe hat jetzt eine neue Ära begonnen. «Dorina» setzt sich aus den beiden Vornamen von Husers Patentöchtern zusammen, die als Schiffsgotten ein achtsames Auge auf das Werk ihres Göttis haben werden. Es soll länger als zwölf Jahre auf den Wellen des Bodensees schaukeln.

hid

«Es gab kein ‹Gjufel› und deshalb auch keine Fehler. Ich musste nicht das kleinste Hölzchen wegwerfen.»

 

Veröffentlichung: 04. Oktober 2018 / Ausgabe 40/2018

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