Mit Ball, Rad und Schreinerarmen

Der perfekte Ausgleich zum Schreinerberuf: Radballer Emanuel Ghenzi (28) spielt aktuell in der Nationalliga B. Bild: Franziska Hidber

Manche Leute spielen Fussball, andere radeln lieber. Und dann gibt es jene, die beides tun und erst noch gleichzeitig. Einer von ihnen ist der Thurgauer Ema-nuel Ghenzi, Radballspieler in der Schweizer Nationalliga B beim Radfahrerverein Sirnach. An diesem Montagabend sitzt er im Pausenraum der Schreinerei Eberli AG in Wiezikon TG in der Nähe von Wil SG und ahnt, welche Fragen bald auf ihn einprasseln werden. Er lacht: «Was ist das? Was macht man da? Ist es schwierig? Ist es gefährlich?» Seine Antwort sei immer die gleiche: «Radball ist wie Fussball spielen auf dem Velo», erklärt er nonchalant, als sei es das Normalste der Welt, auf einem Fahrrad Tore zu schiessen oder – wie in seinem Fall – als Torwart Bälle zu halten. Emanuel Ghenzi und der Radballsport sind seit bald zwanzig Jahren ein erfolgreiches Gespann. Angefangen hatte es mit einer Projektwoche in der Schule, als der Hauswart – selbst ein begeisterter Radballer – die Sportart vorstellte. Der Drittklässler schaute, staunte und wusste sofort: «Das will ich auch.» Gut, gab es den älteren Bruder und dessen Freund, die ihn zum Training mitnahmen, sobald er alt genug war. Wenn andere Gspänli sich am Mittwochnachmittag zum Spielen verabredeten oder Ausflüge unternahmen, zogen die drei ins nahe Sirnach TG ins Hallentraining. Sie trainierten ihre Balance, das Stehenbleiben auf dem Rad ohne hinzufallen, das Treten, sie lernten, Tore zu schiessen und zu halten, und all das Technische, was man können muss für das Spiel im Zweierteam. Der 28-Jährige schmunzelt, wenn er an die Anfänge zurückdenkt: «Es war viel schwieriger, als es aussah. Man kann nicht einfach ein bisschen Velo fahren, man spielt auf dem Rad und steht oft dabei.» Manchmal sei es hart gewesen, räumt er ein. «Aber ich war immer voll dabei.»

Als er merkte, wie es ihm «den Ärmel reingezogen hatte», gab er die Jugi und das Geräteturnen auf, nicht jedoch die Pfadi, und setzte voll auf die Karte Radball. Als Hobby, nicht etwa mit dem Gedanken an eine Profikarriere. Bis heute empfindet er diesen Sport als perfekten Ausgleich zum Beruf. «Nach einem Arbeitstag in der Schreinerei ins Training zu gehen, tut einfach gut.» Umgekehrt habe er als Schreiner auch die nötigen Armmuskeln, fügt er an. Und gerade während der Lehre sei das Radballtraining für ihn wichtiger denn je geworden. «Ich bin nicht so der Schultyp, ich brauche die Bewegung.» Die Trainings unter der Woche und die Turniere am Wochenende trugen Früchte. Der Schreiner gewann mit seinem Teampartner 2011 die Schweizer Meisterschaften, stieg auf in die Nationalliga B. Die Nati A hingegen strebt er nicht mehr an: «Dieser Zug ist definitiv abgefahren», meint er, und klingt durchaus fröhlich dabei. Für ihn nämlich stimmt die Situation so, wie sie jetzt ist. Und sie lässt ihm Zeit für all das, was ihm neben dem Radball wichtig ist: Seine Freundin Bettina, die während der Turniere um ihn bangt, seinen Schreinerberuf, den er zu 100 Prozent ausübt, und die Pfadi, wo er als Leiter die «Biber» betreut, die Jüngsten.

Dass immer etwas los ist, passt zu ihm. Ghenzi ist ein Aktivposten, das Stillsitzen ist nicht seine Sache. Er mag es, in Bewegung zu sein und zu bleiben. Jetzt gerade kommt im Radball die nächste Herausforderung auf ihn zu: Er wird mit einem neuen Partner in die nächste Saison starten. «Damit beginne ich ein Stück weit wieder von vorne, das wird spannend», sagt er, packt seine Sachen zusammen, löscht das Licht, schliesst die Tür, schwingt sich auf sein Fahrrad und verschwindet im Thurgauer Abendnebel.

«Man kann nicht einfach ein bisschen Velo fahren, man spielt auf dem Rad und steht oft dabei.»

hid

Veröffentlichung: 19. November 2015 / Ausgabe 47/2015

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