Mit beiden Füssen auf dem Boden

Beni Lysser posiert mit der Auszeichnung, die er 2013 von der Vereinigung der Europäischen Parkettindustrie FEP bekommen hat. Bild: Stefan Hilzinger

Expertenwissen. Beni Lysser hat auf Hunderten von Baustellen Konflikte geschlichtet. Seit vergangenem Herbst ist der Parkett-Experte im Ruhestand. Was ihm in all den Jahren landauf, landab widerfahren ist, hat der Berner in einem amüsanten Buch niedergeschrieben.

Es hat Beni Lysser einfach gejuckt in den Fingern. Und so ging das Schreiben ganz locker von der Hand. Kaum war der frühere, langjährige Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Schweizer Parkettmarkt (ISP) im vergangenen November definitiv in den Ruhestand getreten, erschienen auch bereits seine Memoiren. «Der Experte ist ...» heisst das knapp 200-seitige, illustrierte Werk. Der Experte schlechthin für alles rund um Holzböden ist Beni Lysser. Und davon, was er in den mehr als 30 Jahren Engagement für die ISP erlebt hat, berichtet er im Buch. In humorvollen Worten und mit Augenzwinkern schildert er Episoden und Episödchen von Begegnungen auf Baustellen, in Architekturbüros oder in Hotels, unterwegs irgendwo zwischen Bodensee und Lac Léman (siehe Kostprobe im Kasten).

Doch das Buch ist mehr als das: Der geneigte Leser erfährt auch vieles über Beni Lysser selbst, über seine Herkunft und seinen unkoventionellen Werdegang als «Hölziger». Nie tierisch ernst, aber immer ehr- lich und mit gebotener Ernsthaftigkeit berichtet er aus seinem Leben. So erfährt man bei der Lektüre, dass Beni Lysser, als er seine Monika in Köniz BE kennenlernte, in Zürich noch auf einer anderen Hochzeit tanzte. Was daraus wurde, ist bekannt: Nicht nur er arbeitete viele Jahre für die ISP, sondern auch Ehefrau Monika Lysser, die mit ihm in den Ruhestand trat. Und Tochter Katja Lysser gehört ja weiterhin zur ISP-Familie.

Grundlagen für objektive Beurteilung

Als Experte für Parkettböden war Beni Lysser so etwas wie ein Friedensrichter im Spannungsfeld von Bauherrschaft, Architekten und Handwerkern. Mehr als 3000 Gutachten hat er in all den Jahren erstellt, auch im Ausland. Um die Sachlage an Ort und Stelle möglichst objektiv und unvoreingenommen beurteilen zu können, braucht es sachliche Grundlagen. Die hat Beni Lysser als ISP-Geschäftsführer in Form von vielen Merkblättern geschaffen. «Mir war es wichtig, einen möglichst objektiven Blick auf die Sache werfen zu können», sagt Lysser. Und die Merkblätter, die nach und nach in der Branche Verbreitung fanden, hätten viel zu einer Objektivierung in Streitfällen beigetragen.

Lyssers Wirken fand nicht nur in der Schweiz Resonanz, sondern auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Er sagt gar, dass die ISP-Merkblätter in Deutschland besser bekannt seien als hierzulande. So kam Lysser im Jahr 2013 zu besonderen Ehren. Er wurde als Zweiter überhaupt mit dem FEP-Award geehrt, der Auszeichnung des Europäischen Verbands der Parketthersteller für besondere Verdienste.

Ein ganz besonderer Eichenboden

Der Award zeigte sich nicht nur in Form einer hölzernen Trophäe, sondern auch in einem Preisgeld. «Damit wollte ich mir in unserem Eigenheim etwas Besonderes ermöglichen, nämlich einen Dielenboden aus massiver Eiche», sagt er, barfuss auf eben jenem Boden stehend. Das gewünschte Holz fand er schliesslich bei einer Spezialfirma im Schwarzwald. Dort erkundigte er sich beläufig nach der Herkunft des Eichenstammes, worauf er zwar nicht die genaue Örtlichkeit zur Antwort bekam, aber immerhin die geografischen Koordinaten. Und was stellte Lysser fest, als er die Koordinaten bei Google eingab? Die Eiche stammte ausgerechnet aus den Wäldern von Rapperswil BE, aus dem Berner Seeland, und damit ganz aus der Nähe, wo er aufgewachsen war und schon als Bub die Liebe zum Wald und Holz entdeckte.

Unterwegs auf drei Rädern

Mit dem Dasein als Parkett-Experte hat Beni Lysser nun abgeschlossen. Nicht aber mit dem Schreiben, was nicht nur das vorliegende Buch zeigt. Als begeisterter Trikepilot und Mitglied des Töffclubs «Edelweiss-Riders & Friends» in Thun BE hat Lysser schon manchen Touren- und Reisebericht für den Club und die Fachpresse verfasst, was er auch in Zukunft tun möchte.

Eine Kostprobe

«Itz aber abfahre»

Der Augenschein vor Ort verlief ganz normal und in gewohnter Manier. Fast, zumindest.

Ich fragte alle Anwesenden nach ihren Namen, Tätigkeit hier am Bau und woher, das heisst, aus welcher Firma sie stammten. Der Parkettverleger war auch da, gut erkennbar am vielen Leim an seinen auch sonst nicht mehr ganz so sauberen Bodenlegerhosen. Die Präsenzen schrieb ich auf meinen Notizblock. Es waren so viele zusammengekommen, dass einer mehr oder weniger nicht aufgefallen wäre. Zudem kannte ich niemanden aus dieser Runde. Ebenso die Anwälte, Versicherungsvertreter, Leute der Bauherrschaft, aber auch der Architekt und der Bauleiter waren sich kaum bewusst, dass die Gesellschaft eventuell doch nicht ganz vollständig war.

Nach etwa einer halben Stunde, ich war schon ganz fortgeschritten mit meinen Prüfungen, Aufnahmen, Erstellen von Fotos und Messungen, gesellte sich doch noch jemand dazu. Ein sehr kleinwüchsiger Mann betrat das Feld, im Grundriss, oder eben von oben betrachtet, etwa fünfzig Zentimeter breit und einen halben Meter lang, gekleidet mit weissem Hemd, Kravatte und Kittel. Und wer die kleine Kugel nicht kommen sah, hörte sie zumindest schon von Weitem. Er fluchte aus vollem Rohr, und seine Aussprache hätte besser in die Coronazeit gepasst. Da trugen alle Masken. Was er genau zu schimpfen und auszurufen hatte, war jedoch niemandem so klar.

Nach seinem Namen und seiner Funktion gefragt, erklärte er, dass er der Parkettunternehmer sei und das Geschehen vor Ort sicher nicht ohne ihn hätte begonnen werden dürfen. Die halbe Stunde Verspätung interessierte ihn nicht, auch wenn alle anderen pünktlich vor Ort antraten. Er wäre jetzt da.

Beruhigen wollte oder konnte er sich gar nicht. Sein Kopf wurde immer röter und die Sprache noch unverständlicher. Offensichtlich störte ihn der eingeschlagene Ablauf der Expertise derart stark, dass er das Gefühl bekam, diesem Tun eine Ende setzen zu müssen. Kurzerhand ergriff er eine etwa einen halben Meter lange Holzlatte, die da nutzlos herumstand, zog auf und gab zu verstehen, diesmal wieder recht verständlich:

«Itz aber abfahre. Süsch het jede es Müsi am Gring.»

So schnell verliessen noch nie so viele Leute auf einmal eine Baustelle, nicht einmal, wenn die Pause oder der Mittag rief. Von Verabschiedung war auch keine Rede mehr. Jeder war heilfroh, in sein Auto steigen und den Tatort so rasch als möglich beulenfrei verlassen zu können.

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 08. März 2022 / Ausgabe 7/2022

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