Mit Erfahrung zu neuen Lizenzen

Bandsicherungen verstärken zwar die Tür, sind aber nicht unbegrenzt belastbar. Bild: VSSM

Einbruchschutz.  Der Bereich Technik und Betriebswirtschaft des VSSM baut aktuell ein System von geprüften Innentüren auf, damit Schreiner Türen in Lizenz fertigen können. Das Beispiel Einbruchhemmung vermittelt den Weg zu den Nachweisdokumenten.

Wie kann sich eine Schreinerei noch ernsthaft am Markt beteiligen, wenn es immer mehr Normen und Vorschriften gibt? Gerade bei Türen gilt es viel zu beachten, damit der Kunde sich sicher fühlen kann und dem Hersteller bei allfälligen Schäden kein Versagen zugeschrieben wird.

Die Hürden aus Vorschriften

Sobald der Schreiner selber Hersteller sein will, kommt er nicht darum herum, sich mit den Vorschriften und den entsprechenden Prüfverfahren auseinanderzusetzen. Er wird schnell feststellen, dass ein selbst gefertigtes Türblatt keine vorgegebene Eigenschaft mit Sicherheit erfüllen kann, ausser man liesse es von einer nach EN ISO 17025 akkreditierten Prüfstelle entsprechend testen. Ob sich das lohnt, hängt stark vom Produkt und Marktvolumen ab. Gleiches gilt für den Rahmen und das ganze Element als Einheit und dessen Anbindung an die Durchgangsöffnung in der Wand. Eine Fertigung in Lizenz ist die Möglichkeit, nach klaren Vorgaben des Lizenzinhabers eigene Produkte zu produzieren. Ein umfangreiches System erlaubt dann die Erfüllung des speziellen Kundenwunsches.

Gemeinsam Chancen nutzen

Ein Einzelner kann dies oft nicht stemmen, darum gibt es die Gemeinschaft. Für die Schreiner befasst sich der VSSM in der Zentrale in Zürich unter anderem damit, wie ein einzelner Schreiner auch weiterhin in der Lage ist, nach neusten Normen und Vorgaben Türen herzustellen.

Konkret ist der Bereich Technik und Betriebswirtschaft schon seit geraumer Zeit damit beschäftigt, Türkonfigurationen zusammenzustellen, Einheiten herstellen zu lassen und diese unter anderem in der akkreditierten Prüfstelle der Berner Fachhochschule in Biel BE bezüglich Einbruchschutz prüfen zu lassen. In anderen Prüflaboren erfolgen zudem noch Schall- und Brandprüfungen. Die Resultate stehen anschliessend allen Schreinern in Form von Lizenzen zur Verfügung. Das heisst: Für einen im Verhältnis geringen Betrag erhält der Schreiner Herstellungs- und Prüfunterlagen für einen gewünschten Türentyp und darf diesen produzieren.

Das laufende Projekt mit Türen

Aktuell geht es beim VSSM um Innentüren und um deren Einbruchhemmung. Das betrifft also Elemente für Wohnungseingänge, Durchgänge von der Garage her oder in einen Server- oder Medikamentenraum und dergleichen. Erreicht werden sollen in der Einbruchhemmung die Widerstandsklassen RC 2 und RC 3. Die Elemente müssen allen- falls auch Brandschutzvorschriften, vorgegebene Schalldämmwerte und U-Werte erfüllen und für eine Klimatrennung ausreichen. Das alles sind Prüfbereiche, welche die Materialzusammensetzung und den Elementaufbau bestimmen, was auch Einfluss auf die anderen Prüfungen hat.

Bedürfnisklärung

Wie weiss man aber beim VSSM, was die Mitglieder brauchen? Es ist wichtig, dass die Bedürfnisse schon früh richtig erkannt werden, damit rechtzeitig bereitsteht, was gebraucht wird. Auch da hilft die Gemeinschaft, indem konkrete Fragen an den Verband gerichtet werden und sich die dortigen Techniker beispielsweise an Messen orientieren können und im Austausch mit verschiedensten Branchenvertretern stehen. Dazu gehört eine Bedürfnisabschätzung bezüglich des sozialen Gefüges, Polizeiangaben, politischen Strömungen und den Ansprüchen an die Gebäudehülle.

Der sich aktuell mit der Präventionsarbeit der Polizei bildende «Verein sicheres Wohnen Schweiz» propagiert die Widerstandsklasse RC 2 als Standard bei der Einbruchhemmung, da erst ab dieser Klasse wirklich Widerstand geboten wird. Die Widerstandsklassen ergeben sich aus den materiellen wie zeitlichen Möglichkeiten, die einem Einbrecher zur Verfügung stehen. So braucht es in einem belebten Wohnquartier oft weniger Schutzmassnahmen als bei versteckt liegenden Bauten.

Die Komponenten-Zusammenstellung

Die beim VSSM gesammelten Bedürfnisse wurden verdichtet und zu einem Leistungskatalog zusammengestellt. Dieser ging dann zur Überprüfung an Mitgliederbetriebe aus dem Fachbereich. Und erst dann konnte ein Projekt, wie jenes der Innentüren, aufgestellt werden, was anschliessend von der Verbandsspitze genehmigt werden musste.

Für eine Lizenzvergabe ist es wichtig, ein System an Komponenten von Beschlägen, Rohlingen und Werkstoffen zu haben, die frei kombinierbar sind. Gerhard Rasch vom VSSM weist darauf hin, dass es viel Erfahrung und eine gute Zusammenarbeit aller Partner braucht, um für jeden Bereich eine gute Zusammenstellung zu erhalten. Beschläge werden schon von ihren Herstellern auf eine Eignung für die Widerstandsklassen geprüft. Auch Stahlzargen sind so ausgeführt, dass sie mit konkreten Beschläge-Kombinationen vorgegebene Widerstandsklassen erreichen.

Die Widerstandskraft von Blattrohlingen hat neben dem Aufbau und der perfekten Verarbeitung auch mit Konstruktionsdetails wie der Falzgeometrie zu tun. Wie auch bei den Dichtungs- und den Befestigungssystemen muss man im Auge behalten, dass ausser der Einbruchhemmung noch ganz andere Aufgaben zu erfüllen sind. Bei den Holzrahmen hat man sich für Eiche entschieden, damit auch die Verschraubungen optimal sind. Wie schon beim Brandschutz sind diese exakt vorgegeben und müssen mit dem nötigen Drehmoment ausgeführt werden.

Den Aufwand möglichst klein halten

Sobald alle Komponenten bestimmt sind, beginnt eine schwierige Phase. Das Lizenzsystem soll ja dem Schreiner viel Spielraum in der Kombinierbarkeit der Komponenten geben. Das heisst, dass günstige und weitgehend individuelle Lösungen möglich sein sollen. Gesucht wird also der Grenzbereich des Möglichen, wodurch es auch mal Misserfolge geben kann, die wiederum bei der Optimierung helfen. Gleichzeitig muss zudem die Wirtschaftlichkeit bezüglich der Anzahl der Prüfungen im Auge behalten werden.

Zusammen mit dem erfahrenen Team um Stephan Hofer von der Prüfstelle in Biel wird für die jeweilige Prüfung die schwächste Kombination gesucht. Davon werden zwei identische Elemente für die Prüfung gebaut. Besteht diese Kombination, können Ausführungen mit Gutachten besser gehandhabt werden.

Vierstufiger Prüfungsablauf

Begonnen wird mit einer statischen Prüfung. Während dieser wird bei allen Belastungspunkten, wie in den Türecken oder bei den Verriegelungen, ein definierter Druck aufgebaut.

Bei der dynamischen Prüfung danach werden mit einem grossen Pendel, bestehend aus einem 50 Kilogramm schweren Dop-pelreifen an einem Seil, definierte Schläge auf die Belastungspunkte abgegeben, wie wenn man die Tür mit dem Körper rammen würde.

Anschliessend folgen die manuellen Prüfungen. Es gibt einen Basiswerkzeugsatz und jede höhere Widerstandsklasse erlaubt die Verwendung von nochmals zusätzlichem Werkzeug. Bei der manuellen Vorprüfung darf die Gesamtprüfzeit inklusive der Pausen zwischen den Angriffen länger sein. Es werden gezielt Schwachstellen gesucht. Das ist wichtig, damit bezüglich der Tauglichkeit Klarheit besteht. Die reine Angriffszeit ist aber identisch mit der Hauptprüfung. Diese ist in der Gesamtprüfzeit limitiert und somit auch abhängig von den unmittelbaren Entscheidungen des Prüfers. Die Vorprüfung ist somit auch für die weitere Entwicklung wichtig, damit Schwachstellen verbessert werden können.

Türen mit Stahlzargen und solche mit Holzrahmen müssen natürlich separat geprüft werden und so kommen in dem noch laufenden Verfahren doch einige Prüfelemente zusammen. Sobald alles abgeschlossen ist, ermöglicht eine Lizenz jedem Schreiner, auch Innentüren mit den erforderlichen Nachweisen anzubieten.

www.vssm.chwww.ahb.bfh.ch

ab

Veröffentlichung: 10. Mai 2018 / Ausgabe 19/2018

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