Mit innovativen Materialien verbunden

Karbongewebe wird erst mit Epoxidharz ultrastark. Bild: Michi Läuchli

Neuheiten.  Regelmässig gibt es neue Werkstoffe und Materialien für die Schreinerbranche. Mit neuen oder auch alternativen Materialien zu arbeiten, ist eine Stärke des Schreiners. Auch exotische Werkstoffe lassen sich dabei gut einsetzen, wie beispielsweise Kohlefasern.

Etwas Mut ist schon nötig, sich von Gewohnheiten zu lösen und neue Dinge auszuprobieren. So auch in der Schreinerbranche: vielleicht mal auf ein neues Material oder eine andere Farbe zu setzen, statt Immergleiches zu verwenden. Ein gelegentlicher Blick über den Tellerrand kann daher nicht schaden. Unbekannte oder neue Materialien auszuprobieren, birgt ein gewisses Risiko, das Arbeiten damit ist aber auch eine Stärke des Schreiners. Es bietet ihm die Möglichkeit, noch individueller auf Kundenwünsche einzugehen.

Erfahrungen sammeln

Die Auswahl an Werkstoffen und Materialien ist mittlerweile gross, und ständig werden es mehr. Bevor ein neues Material auf den Markt kommt, wird es natürlich ausgiebig geprüft. Und trotzdem: Bei neuen Produkten fehlt dem Schreiner fast immer die Erfahrung und der richtige Umgang damit. Auch wenn die Materialeigenschaften bekannt sind, ist es wichtig, neue Fabrikate zu testen, um zu sehen, ob sie für den gedachten Einsatzzweck auch geeignet sind. Nur so kann der Schreiner mit seinen Erkenntnissen den Kunden optimal beraten, ihm die nötigen Pflegehinweise sowie Vor- und Nachteile aufzeigen. Gelegentlich werden Neuheiten präsentiert, die für Aufsehen sorgen, das ist aber eher die Ausnahme. Häufiger sind es Optimierungen von bestehenden Produkten. Und manche Neuerungen bleiben eine Trenderscheinung, sodass sie nach einiger Zeit wieder verschwinden.

Inspiration aus dem Motorsport

Und dann gibt es Werkstoffe, die in der Schreinerbranche bislang noch kaum zum Einsatz kommen, in anderen Branchen aber schon lange eingesetzt werden. Beispielsweise wird in der Luft- und Raumfahrt oder dem Motorsport seit Jahren mit Kohlenstofffaser gearbeitet. Kohlefaser oder Karbon, wie das Material umgangssprachlich heisst, wird in der Schreinerbranche fast nur in der Ski- und Snowboardproduktion verwendet. Dabei gibt es gute Gründe, die für den Einsatz im Innenausbau sprechen. Denn Karbon ist leicht, steif, bruchfest und lässt sich mit den üblichen Maschinen bearbeiten.

Ideales Material, dafür anspruchsvoll

Vom Werkstoff ist auch Gregor Hofstetter überzeugt. Der gelernte Möbelschreiner wollte nach seiner Lehre etwas Neues sehen. Also begann er 2019 bei einem Zulieferer der Formel 1, der sich auf die Herstellung von Karbonteilen spezialisiert hat, das Handwerk und den Umgang mit dem Werkstoff zu erlernen.

«Mit einem Arbeitskollegen sprach ich regelmässig über die Materialeigenschaften von Karbon und was sich damit im Innenausbau alles machen lässt. Vor allem auch, dass es meines Wissens noch niemanden gab, der Karbon bislang so einsetzte. Beides war dann ausschlaggebend, dass wir die Firma Hofstetter Wood & Composites gründeten», sagt der Schreiner. Die ersten Experimente machten sie in der Scheune gleich neben seiner jetzigen Werkstatt in St.Gallenkappel SG. Anfangs noch zu zweit, der Arbeitskollege zog sich dann aus familiären Gründen zurück. «Die ersten zwei Jahre bestanden eigentlich nur aus Experimentieren und Ausschussproduzieren. Herstellung und Verfahren in meiner Werkstatt waren nicht die gleichen wie im Betrieb», erklärt Hofstetter. Im Betrieb arbeitete man mit dem Prepregverfahren, in seiner Werkstatt setzte er das flexiblere und günstigere Infusionsverfahren ein.

Prepreg ist die Kurzform für «preimpregnated fibers» oder vorimprägnierte Fasern. Es besteht aus dem Karbongewebe und einer ungehärteten, duroplastischen Struktur, meistens Epoxidharz. Die Aushärtung erfolgt unter erhöhter Temperatur in einem Autoklaven. Das Laminieren von Karbon ist dabei alles andere als einfach. Es braucht viel Wissen und Erfahrung, um es richtig zu verarbeiten. «Es gibt so viele Gewebearten und Verfahren für Karbon, zudem arbeitet jeder anders damit, das Arbeiten mit Karbon ist eine reine Erfahrungssache.» Drei Dinge machten Hofstetter anfangs besonders zu schaffen: das richtige Harz zu finden, ein Vakuum zu erzeugen und bei passender Raumtemperatur zu arbeiten.

Vom Gewebe zur starren Platte

Beim Infusionsverfahren wird das trockene Karbongewebe auf die mit Trennmitteln vorbehandelte Form oder, wie bei Hofstetter, auf die Glasplatte gelegt. Darüber kommt das Abreissgewebe, danach wird ein Fliessmedium dazugelegt, welches den idealen Durchfluss des Epoxidharzes unter Vakuum garantiert. Zum Schluss wird ein Vakuumsack über allem angebracht und am Rande sowie beim Einfüll- und Austrittsloch abgedichtet. Nun wird die Vakuumpumpe gestartet, welche mithilfe des Vakuums das Harz vom Austrittsloch her durch das Gewebe zieht. Mittels Unterdruck durch die Kavität (Hohlraum) wird die Strömung des Harzes initiiert, welche eine gleichmässige Tränkung des Fasergewebes ermöglicht. Abhängig vom Harz beträgt die Aushärtezeit bis zu 24 Stunden. Nach dem Aushärten des Harzes werden Kunststofffolie, Abreissgewebe und Fliessgewebe getrennt und entsorgt. «Durch die glatte Glasplatte entsteht an der Karbonplatte eine perfekte Hochglanzoberfläche, die nicht weiterverarbeitet werden muss. Dazu ist die Oberfläche durch die Epoxidharzschicht chemikalien- und reinigungsmittelbeständig», erklärt der Karbonspezialist. «Auch Kratzer lassen sich wieder rauspolieren», fügt er an.

Verschiedene Fabrikate im Angebot

Gregor Hofstetter bietet Karbonplatten in unterschiedlichen Dimensionen bis 900 × 550 × 2,5 mm an. Auf Wunsch kann er auch in Grössen bis 2000 × 1000 mm produzieren oder gleich auf Fertigmass zuschneiden, die Dicke ist theoretisch unlimitiert. «Die Karbonplatten lassen sich mit den normalen Maschinen schneiden, schleifen und bohren, vorzugsweise mit diamantbeschichteten Werkzeugen. Beim Bearbeiten sollte aber immer eine Staubmaske mit Partikelfilter getragen werden», sagt Hofstetter.

Zusätzlich zu den Karbonplatten stellt er auch individuelle Kundenprojekte wie Wanduhren oder Tische mit Karbonintarsien in Form von Schweizer Seen her. Sein neuster Wurf entstand in Zusammenarbeit mit der Firma Jungo Design, die Epoxidharztische herstellt. «Auf Instagram bin ich auf Jungo Design aufmerksam geworden, worauf ich eine Zusammenarbeit naheliegend fand, da wir ja beide mit Epoxidharz arbeiten. So entstand eine Kooperation, für die ich den Tischfuss in Form einer Welle fertigte, während Jungo Design die Tischplatte entwarf. Die Kombination durften wir dann erstmals an den Kochdays ausstellen», sagt Hofstetter. In welche Richtung er sich entwickeln wird, ist zurzeit noch offen. Dazu meint er: «Ob es vermehrt zu Halbfabrikaten wie den Karbonplatten in Richtung Einzelanfertigungen oder gar zu einem Handel via Onlineshop geht, wird sich mit der Zeit zeigen.»

Was es sonst noch an Werkstoffneuheiten für den Schreiner gibt, zeigt die nachfolgende Produkteauswahl.

www.hofstetterdesign.comwww.jungo-design.ch

 

Akustikplatten aus Hanffasern

Aus nachhaltiger europäischer Produktion stammen die «Silenthemp»-Akustikplatten von Synthesa-Capatect, die sich für den Einsatz in Büros, Schulen oder Wohnräumen eignen. Die Platten lassen sich mit den üblichen Holzbearbeitungsmaschinen schneiden, bohren und schleifen. Lackieren ist ebenso möglich. Sie sind unbeschichtet sowie beschichtet und in sechs Farben erhältlich, können aber auf Kundenwunsch auch in anderen Farben bestellt werden. «Silenthemp» gibt es als Deckensegel, Wandfeld oder Wandpaneele. Sie können problemlos geschraubt werden. Laut Herstellerangaben bestehen die Platten zu 85 % aus Naturfasergemisch und zu 15 % aus PET-Bindefasern und sollten vor hoher Feuchtigkeit geschützt werden.

www.amina.ch

 

Robustes Aussenmaterial

Ob Tischblätter, Aussenschränke oder Outdoorküchen – «Alukompakt Outdoor» von Argolite ist genau für solche Einsätze gedacht. Die formstabile, säure- und lichtbeständige HPL-Platte ist in Holz-, Naturfaser- und Unidekoren ab 4 mm Dicke erhältlich. Kombinierbar sind die Dekore mit den drei Oberflächenstrukturen Alumatt, Pictura und Madera.

www.argolite.ch

 

Fast wie Echtglas

Mit «Crystal Deep Matt» von Rehau bietet Formex ein neues Oberflächenmaterial in nahezu gleicher Optik wie echtes Glas an. Es fühlt sich zwar an wie richtiges Glas, ist jedoch deutlich leichter, widerstandsfähiger und flexibler. Zudem lassen sich die 19 mm dicken Platten normal bearbeiten. Mit der Anti-Fingerprint- Oberfläche ist «Crystal Deep Matt» einfach zu reinigen, hat eine hohe Kratzbeständigkeit und weist durch die Kombination aus Glas- und Metalloptik eine starke Tiefenwirkung auf.

www.formex.ch

 

Metallische Oberfläche

Die neue Metallstruktur «Steel Matt» von Pfleiderer wirkt wie gebürsteter Edelstahl. Dabei verbindet das neue Oberflächenmaterial zwei Trends: metallische Dekore und matte Oberflächen. Der feine Schliff ist scharfkantig und unregelmässig unterbrochen. Dies reflektiert das Licht unauffällig und sorgt für einen leichten Schimmer. «Steel Matt» ist in verschiedenen Metall- und Unidekoren erhältlich.

www.pfleiderer.com

 

Neue Leichtbauplatte

«Finlight» ist eine leichte Faserplatte, die gegenüber einer MDF-Platte 40 % weniger wiegt. Die Mittellage besteht dabei aus leichtem MDF, die Deckschichten jeweils aus 3 mm dicken HDF, was zu einem besseren Ergebnis beim Lackieren und Belegen führt. Des Weiteren besitzt «Finlight» eine stossresistentere Decklage als eine MDF-Platte und bleibt dadurch formstabiler, je nach Dimension beträgt das Gewicht zwischen 380 und 420 kg/m³. Sie enthält 50 % weniger Holz sowie 25 % weniger Harz und Leim als eine normale MDF-Platte: Damit hat «Finlight» die Einstufung als Platte mit niedrigem Formaldehydgehalt (Klasse E1).

www.herzog-elmiger.ch

Michi Läuchli, ML

Veröffentlichung: 31. August 2023 / Ausgabe 35/2023

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