Mit Ninja-Blut in den Adern

Bild: PD

Die Kamera läuft, Jessy Lemmenmeier springt los, und die Menschen im Zürcher Hallenstadion halten den Atem an. Wie der starke Mann wagemutig über dem Wasserbecken pendelt, gerät er aus dem Takt. Um den fehlenden Schwung auszugleichen, löst er die vordere Hand, greift schnell nach. Buzzer, rotes Licht. «Nein!», rufen die Zuschauer, einige kreischen. Lemmenmeier ist soeben bei «Ninja Warrior Switzerland 2019» gescheitert. Wobei «scheitern» das falsche Wort ist, denn der Schreiner aus Muhen AG hat geschafft, was nur ganz wenige vor ihm geschafft haben. Er turnte, hangelte, kletterte, schwang und kämpfte sich ins Finale der Action-Show, die an fünf Abenden auf TV24 ausgestrahlt wurde. Deshalb nimmt er es gelassen, dass ihn im Finale ein falscher Handgriff um den Traum vom Titel und 100 000 Franken Preisgeld gebracht hat. «Ich bin disqualifiziert worden, weil ich in der Hitze des Gefechts mit der Hand die Kette des Hindernisses berührt habe. Wenigstens bin ich nicht ins Wasser geplumpst», sagt der Sonnyboy, der im richtigen Leben bei der Märki AG im aargauischen Gränichen Türen produziert. Der Schreiner ist offen für Neues, hat Mut zum Abenteuer, und vermutlich pulsiert auch ein Tropfen Ninja-Blut in seinen Adern.

«Ninja Warrior» wird weltweit ausgetragen und gilt als der härteste Hindernisparcours überhaupt. Für die zweite Auflage in der Schweiz meldeten sich 800 Athleten an. Nur jeder Zweite schaffte es ins Casting und 160 in die Sendung. 25 von ihnen kamen ins Finale, und wiederum nur die Allerbesten unter die Top Ten.

Alleine mit sonnigem Gemüt ist es da nicht getan. Jessy Lemmenmeier hat sportlich einiges auf dem Kasten, obwohl er es selbst so nie formulieren würde. Vielmehr erklärt er, dass er kein Kraftprotz sei und nicht übermässig trainiere. Teilgenommen habe er «just for fun» und nicht, weil er den Ruhm oder die Bekanntheit suche. In seiner Freizeit macht der Schreiner Parkour. Dabei handelt es sich um eine höchst körperbetonte und spektakuläre Fortbewegungsart, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Der Parkourläufer bestimmt seinen eigenen Weg durch die Umgebung und überwindet alle Hindernisse durch eine abgestimmte Kombination aus Bewegungsabläufen. Jessy Lemmenmeier trainiert zweimal pro Woche in der Halle. Bei Gelegenheit vollführt er auch mal kühne Sprünge durch die malerische Altstadt im griechischen Santorini oder in der Wüste Nevada. Tausende klicken seine Filme auf den Social-Media-Kanälen an. Diese beweglichen Typen in Baggy Pants und mit verkehrt herum aufgesetztem Snapback-Cap sind so etwas wie Helden. Lemmenmeier ist im Pro Team der Zofinger Free-Z GmbH, einer Start-up-Firma, die 2012 aus der gleichnamigen Trainingsgruppe heraus gegründet wurde. Damit setzt er sich für die Sportart «Parkour & Freerunning» ein. Er führt seine Wall Climbs, seine Backflips und seine Zick-Zack-Sprünge auch in Schulen vor, um Kinder und Jugendliche zur Bewegung zu animieren.

«Parkour schult nicht nur die physischen Fähigkeiten, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf die mentale Stärke», sagt er. Und genau deshalb kann sich der Schreiner auch vorstellen, im kommenden Jahr erneut bei «Ninja Warrior Switzerland» anzutreten.

«Parkour schult nicht nur die physischen Fähigkeiten, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf die mentale Stärke.»

beb

Veröffentlichung: 12. Dezember 2019 / Ausgabe 50/2019

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