Mit Volldampf ins Glück

«Fliegt» Fabian Huser (30) auf seinem Rad durch die Ostschweiz, ist es ihm richtig wohl. Bilder: PD

Leute. Einen Tag lang auf der Couch abhängen, die Beine ausstrecken und sich dem süssen Nichtstun hingeben? «Oh nein, lieber nicht!», sagt Fabian Huser und lacht.

Der 30-jährige Toggenburger fand schon seinen Alltag als Schreiner zu gemütlich. «Abends kam ich nach Hause und dachte, dass noch gar nichts passiert sei.» Also setzte er sich aufs Rad und fuhr los. Schnell und kraftvoll. «Ich merkte, wie gut mir das tut.» Aus seinem Bedürfnis nach «Austoben» ist eine kleine Erfolgsgeschichte im Strassenradsport geworden, dabei war das gar nie Husers Ziel. Er fuhr in einem Radteam aus Steinmaur ZH mit und errang 2019 bei den Schweizer Meisterschaften im Strassenrennen den 18. Rang. Ja, Wettkampfgeist habe er schon, sagt der Sportler über sich selber. Doch ihm gehe es mehr ums Team als um seine Person: «Ich leiste gerne meinen Beitrag, um es als Team an die Spitze zu bringen.» Inzwischen hat er sein Radsportpensum reduziert, damit sein vollgepackter Alltag nicht aus der Balance gerät. Es war eine intensive Zeit, an die er gerne zurückdenkt – durchaus mit Wehmut. «Ich vermisse das Wettkampfgefühl, den Adrenalinschub vor dem Start, den Moment, als es losging und man wusste: Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.» Gut nur, hält auch sein Berufsleben einige Challenges für ihn bereit.

«Wenn du hinfällst, steigst du wieder auf und trittst in die Pedale, ohne ein Tamtam um deine Wunde zu machen.»

Bei der Möbelmanufaktur Keller in Züberwangen bei Wil SG ist er für den Verkauf und die Planung zuständig. An jenem Tag steht er an seinem Stehpult im neuen Ausstellungsraum mit Blick auf saftiggrüne Wiesen und den Veloweg. Ob es darum geht, die Kundschaft bei der Realisation eines Projekts zu unterstützen oder sie von den Vorzügen einer Sitzgruppe zu überzeugen: Huser sieht zahlreiche Parallelen zum Radsport, hier wie dort zählen Ausdauer und eine positive Einstellung. «Velofahren ist eine gute Lebensschule», sagt er. «Du fährst bei gleissender Sonne und strömendem Regen oder bissigem Wind, und wenn du hinfällst, steigst du wieder auf und trittst in die Pedale, ohne ein Tamtam um deine Wunde zu machen.» Er habe gelernt, auf die Zähne zu beissen und durchzuhalten, selbst wenn die Beine schon längst nicht mehr wollten, erzählt er in seiner ruhigen, über- legten Art. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im beschaulichen Necker- tal, machte Huser schon als Bub begeistert im Turnverein St. Peterszell mit und merkte rasch, dass er mehr wollte als Plausch und Spiel. Alsbald fand er sich in der Leichtathletik wieder, absolvierte an den Wochenenden Wettkämpfe, Weitsprung als liebste Disziplin. Heute ist er vor allem in Organisationskomitees aktiv, wo er zusammen mit seinen Kollegen die Fäden zieht, wenn es Feste oder Ausflüge zu veranstalten gilt. Im Vordergrund stehe nun die Kameradschaft, die Momente mit seinen Freunden, die er seit Jahren kennt.

Zum Austoben hat er noch immer ein Rennrad im Keller. Wenn er in hohem Tempo durch die Ostschweiz «fliegt», ist es ihm so richtig wohl. Kann er auch langsam, mit Genuss? Er lacht und nickt. Doch, ja, auf den Velotouren mit seiner Freundin geniesse er den Blick in die Natur, in die Freiheit. Unterwegs gemütlich ein Käfeli zu trinken, gehöre einfach dazu. Das genügt ihm als Entspannung vollkommen – wozu also noch einen Tag auf dem Sofa chillen?

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 10. Juli 2023 / Ausgabe 27-28/2023

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