Nach den Ferien geht es richtig los


Im Rahmen seiner Individuellen Praxisarbeit hat Nigel Büsser eine Vitrine für den Gabentisch des ESAF 2025 hergestellt. Bild: Nigel Büsser
Im Rahmen seiner Individuellen Praxisarbeit hat Nigel Büsser eine Vitrine für den Gabentisch des ESAF 2025 hergestellt. Bild: Nigel Büsser
Viele Lehrabgänger befinden sich auf der Zielgeraden und erhalten bald ihr Fähigkeitszeugnis. Drei zukünftige Schreiner geben einen Einblick in ihre Lehrzeit und erzählen, was sie nach ihren Sommerferien machen.
Eigentlich wollte Nigel Büsser aus Näfels GL immer Koch oder Metzger werden. «Handwerkliche Berufe liegen in der Familie, mein Vater ist gelernter Automechaniker, der Bruder machte eine Lehre als Zimmermann.» Das Gleiche wie sein Bruder machen wollte er aber nicht. Büsser schnupperte also in verschiedenen praktischen Berufen, darunter auch als Metallbauer. «Das hat mir aber nicht gefallen, weil ich ständig ölige Hände hatte», sagt der 19-Jährige. Trotz mehrerer Schnupperlehren als Koch wollte er sich noch einen hölzigen Beruf anschauen, deshalb schnupperte der Glarner noch im Schreinerberuf. Koch und Schreiner gefielen ihm, die Arbeitszeiten des Schreiners sagten ihm aber mehr zu. «Beim Kochen schaut man ständig die Teller und das Essen an, beim Schreinern kann man aber etwas Dauerhaftes und Schönes ansehen.»
Einblicke in den Schreinerberuf bekam er in unterschiedlichen Betrieben, am Ende unterschrieb er seinen Lehrvertrag bei der Seliner Schreinerei AG in Niederurnen GL. Auf die Firma aufmerksam geworden ist er durch seinen Götti, der ihm empfohlen hat, sich doch mal dort zu melden. Zum Lehrbeginn war Büsser mehr auf der Baustelle, sein Mitlernender aus demselben Lehrjahr mehr in der Werkstatt. Nach einer Weile wechselten sie sich ab. Dadurch konnten beide Lernende vielfältige Arbeitserfahrungen sammeln.
Büssers Ausbildungsbetrieb stellt eine Vielzahl an Produkten wie Türen, Fenster, Einbauschränke, Tische, Badmöbel und Wintergärten her. «Am meisten gefällt mir, etwas Schwieriges und Spezielles zu machen, das man noch nie gesehen oder hergestellt hat. Möbel zu montieren, die einzigartig sind, und dann die Reaktion der Kunden zu sehen, ist für mich das Schönste.»
Ein Highlight seiner Lehrzeit war für Büsser seine Individuelle Praxisarbeit (IPA). Die bestand darin, für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) 2025 im Glarnerland eine moderne, dennoch auf Tradition bezogene Vitrine zu planen und herzustellen. Im oberen Teil geben zwei Glastüren Einblick ins Innere, wo sich zwei geschwungene Tablare befinden. Im unteren Bereich sorgt eine Klappe für Verstaumöglichkeit, gedacht für Grappa-Flaschen. Auf der rechten Seite lässt sich eine Schublade ausziehen, die gleichzeitig als Tablar für die Gläser dient, um einschenken zu können. «Oben könnte der Schwinger die Kränze oder sonst etwas aufhängen und präsentieren», sagt Büsser. Die Arbeit hat sich ausbezahlt – mit einer Note von 5,2 wurde er Drittbester seines Kantons. «Ich bin erleichtert, dass ich alles hinter mir habe.» Die Berufsschule vermisst der Glarner nicht. «Wir hatten einen guten Zusammenhalt, aber dass es nun vorbei ist, ist fast schöner, obwohl man die Leute nicht mehr sieht.» Die letzten Monate seien schon stressig gewesen.
Die wohlverdienten Sommerferien geniesst der angehende Schreiner in der Natur Finnlands, wo er für knapp drei Wochen die Zeit mit einem seiner grossen Hobbys, dem Fischen, verbringt. Was danach kommt, ist für ihn klar: Er kann im Betrieb bleiben und dort weiterarbeiten. «Mein Chef hat mich gefragt, was ich nach der Lehre machen möchte. Ich sagte immer, dass ich gerne auf Montage gehen würde.» Obschon ihm die Werkstattarbeit gefällt, bevorzugt er anderes: «Wegen des Kundenkontakts finde ich die Arbeit auf der Baustelle schöner.»
Für den Militärdienst hat sich Büsser erst auf 2028 angemeldet. «Ich habe ihn extra spät eingegeben, damit ich erstmal als Schreiner arbeiten und schauen kann, ob es auch das ist, was ich will und mir Freude macht.» Schliesslich sei es etwas anderes, ob man als Lernender arbeitet oder ob man angestellt oder gar selbstständig ist. Auch eine Weiterbildung möchte Nigel Büsser noch machen, allerdings sei ihm noch nicht ganz klar, welche.
Die mehrtägige Schnupperlehre bei der Brunner Küchen AG habe ihn sehr überzeugt. «Ich konnte eine Holzfigur mit der Japansäge und eine Überplattung mit dem Handhobel und Stechbeitel herstellen», sagt der Lernende Michael Keller aus Sarmenstorf AG. In den Schnuppertagen ging es auch um das Planverständnis, um die Arbeit mit Handmaschinen sowie darum, einen kleinen Schemel mit Zapfen- und Dübelverbindungen herzustellen. Überdies erhielt Keller Einblick in die verschiedenen Produktionspositionen der Firma. «Dass ich einen handwerklichen Beruf lernen möchte, wusste ich relativ schnell», sagt der 20-Jährige. Zwar machte er auch noch andere Schnupperlehren, beim jetzigen Ausbildungsbetrieb gefiel es ihm aber am besten. «Spezialarbeiten, die man nicht normal mit den Maschinen nach Schema F produziert, sondern bei denen man auch mal überlegen musste, habe ich am liebsten.» Geblieben ist ihm auch ein spezieller Auftrag, an dem er mitarbeiten durfte. «Das Möbel bestand aus zwei gerundeten Fronten; die Seiten, den Boden und Deckel mussten wir dementsprechend daran anpassen, was ziemlich eine spannende Aufgabe war.» Ein weiteres Highlight war für den Aargauer die IPA, wo es ihm – ausser der Zeitvorgabe – freistand, was er realisieren wollte. Entstanden ist schliesslich ein Sideboard. Es besteht aus einem Rahmen aus Spanplatten, die mit Nussbaum furniert wurden. In diesem sind vier einzelne Möbel verbaut, zwei davon sind mit Massivholzschubladen, zwei mit furnierten Türen ausgestattet. Auf der Oberseite liess er ein Intarsienbild ein, das aus zwei Kreisen und einem siebenzackigen Stern besteht. Um die Schablone dafür herzustellen, bediente er sich an der CNC, alles andere machte Keller an den üblichen Maschinen respektive von Hand. «Das Beste finde ich, ist, wenn man mit der Arbeit fertig ist, sie dann anschauen und sagen kann: ‹Jawohl, das habe ich gemacht, und darauf bin ich stolz›.»
Die Note für seine Arbeit hat Keller noch nicht erhalten. «Ich weiss aber, dass es ein Möbel ist, das mir gefällt. Und ich kann hinter der Arbeit stehen, die ich abgeliefert habe, das zählt für mich.» Mit dem Ergebnis ist auch sein Ausbildner zufrieden und findet, es sei eine gute Arbeit, die der angehende Schreiner in der benötigten Zeit abgeliefert hat. Dass Keller das Qualifikationsverfahren und damit auch die Lehre bestanden hat, weiss er schon, auch wenn er die Note noch nicht kennt. Die Lehrabschlussfeier findet im August statt. Auf seine Lehrzeit und die verschiedenen Ereignisse schaut der angehende Schreiner stolz zurück. «Der Zeitpunkt, wo man mit allen Prüfungen fertig ist, zurückschaut und realisiert, wie sehr man sich über die Jahre verbessert hat, ist ein bleibender Moment.»
In seinem Lehrbetrieb gefällt es Keller ausgezeichnet: «Mit dem Team hatte ich es stets gut, es war eine schöne Arbeitsatmosphäre, man verstand sich immer.» Schade finde der Aargauer, dass er seine Schulkollegen nicht mehr regelmässig in der Schule sieht, der Kontakt bleibe aber. «Freundschaften, die nicht einfach nur Zweckfreundschaften sind, bleiben auch nach der Lehre noch bestehen.» Weil Keller schon lange klar war, dass später noch eine Weiterbildung folgen sollte, absolvierte er zusätzlich zur Berufsschule die technische Berufsmatura. «Als Ziel habe ich mir gesetzt, in Zukunft an der Fachhochschule Biel Holztechnik zu studieren.»
Eigentlich wäre der Plan gewesen, nach der Lehre ins Militär zu gehen, daraus wird jedoch nichts, weil er als untauglich eingestuft wurde und nun Zivilschutz leisten muss. Mit seinem Chef hat Keller vereinbart, dass er nach den Sommerferien sicher bis zum Winter im Betrieb weiterarbeiten kann; was danach folgt, ist noch nicht klar. «Mir gefällt es, als Schreiner zu arbeiten, und ich möchte gerne noch etwas hierbleiben und Erfahrungen sammeln.»
Schon als Kind war für Niclas Inderbitzin aus Wald ZH klar: Er möchte mit den Händen arbeiten. Gemeinsam mit seinem Vater baute er zu Hause ein Baumhaus, später ein Bett und ein Sofa. «Das Werken hat mir immer gelegen», sagt der 20-Jährige. Die Begeisterung fürs Handwerk brachte ihn schliesslich zum Schreinerberuf. Nach mehreren Schnupperlehren als Zeichner, Zimmermann und Schreiner fiel die Entscheidung klar aus. Besonders überzeugte ihn der Beruf des Möbelschreiners – die Kombination aus kreativem Gestalten und handwerklicher Arbeit gefiel ihm. «Mir war schnell klar, dass ich lieber mit Holz arbeiten möchte, als vor dem PC zu sitzen.»
Seine Lehre absolvierte er bei der Firma Bertschinger Innenausbau AG in Bubikon ZH. Bereits während der Schnupperlehre durfte er dort abwechslungsreiche Einblicke gewinnen. Einen Tag war er auf der Baustelle, einen Tag in der Werkstatt, und einen Tag durfte er selbst etwas herstellen. Auch das Team überzeugte ihn sofort: «Ich hatte das Gefühl, das könnte richtig gut passen – und das hat sich auch bestätigt.» Während seiner Lehrzeit arbeitete Inderbitzin wie üblich auf dem Bau und in der Werkstatt. Besonders beeindruckend fand der angehende Schreiner eine grosse Baustelle in einem fünfstöckigen Bürohaus, wo er über längere Zeit Küchen, Schränke, einen Podcast-Raum und eine Bar mit Rundbänken einbaute. «Insgesamt war ich während meiner Lehre mehr auf der Baustelle – das gefällt mir auch besser.» Auch innerbetrieblich konnte der Lernende mitwirken – etwa beim Umbau des Büros im ersten Stock, den er gemeinsam mit einem Mitlernenden realisierte.
Die Arbeit auf dem Bau bringe aber auch Herausforderungen mit sich. Bei einem Transport klemmte er sich den Finger ein und fiel zwei Wochen aus. «Solche Sachen passieren leider – kleinere Schnittwunden gehören fast zum Alltag», meint er. Lärm, Staub und körperliche Belastung seien ebenfalls Teil des Berufs, doch das nehme er gerne in Kauf.
Sein persönliches Highlight sei seine IPA gewesen, bei der er ein Bett aus Nussbaumholz plante, konstruierte und produzierte. Es zeichnet sich durch einen breiten, abgeschrägten Rahmen und ein schräg montiertes Kopfteil aus. «Die Planung war aufwendig, aber es hat grossen Spass gemacht, eigene Ideen umzusetzen», sagt der Zürcher Oberländer. Zum Lehrbetrieb, der unter anderem Möbel, Türen, Küchen und Innenausbauten produziert, gehört auch eine Zimmerei.
Nach dem Lehrabschluss bleibt Niclas dem Betrieb erhalten. Er ist dann als Monteur angestellt. «Ich freue mich, dass ich bleiben darf. Ich habe mich gut eingelebt und arbeite gerne hier.» In Zukunft kann er sich vorstellen, noch andere Betriebe kennenzulernen, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Ob er Militär- oder Zivildienst leisten muss, erfährt er bald. Erstmal gönnt er sich zusammen mit Familie und Freunden auf einem Hausboot in Holland eine Auszeit. Ob eine Weiterbildung oder vielleicht sogar eine Neuorientierung infrage kommt, lässt Inderbitzin offen.
Veröffentlichung: 03. Juli 2025 / Ausgabe 27-28/2025
Lernende aus dem Berner Oberland und Thun präsentierten in Lauterbrunnen ihre selbst gebauten Möbel. Die Ausstellung zeigte eindrücklich das handwerkliche Können und die Kreativität des Schreinernachwuchses.
mehrNach Matura, Zivildienst und Studienabbruch führt ein unkonventioneller Weg in die Schreinerlehre – geprägt von Neugier, Tatkraft und der Suche nach einem sinnstiftenden, praktischen Beruf.
mehr