Offen für bewegende Dimensionen

Bei den Raumteilern geht es um Gefühl und Wirkung, nicht um U-Werte, und eher selten um Brand- oder Schallschutz. Bild: ADL/Boffi

Raumteiler.  Grosse und offen gehaltene architektonische Entwürfe mit transparentem Charakter sind ein Zeichen der Zeit. Gemütlich werden solche Räume oft erst durch gliedernde Elemente wie Raumteiler. Besonders geeignet sind flexible und halbtransparente Varianten.

Orlando Della Torre und Jörg Gürber sind beide Schreiner und Betriebsinhaber. Sie kennen sich nicht, teilen aber die Leidenschaft für Design und Interieur. Beide arbeiten seit Jahrzehnten eng mit italienischen Partnern zusammen. Jörg Gürber in Küttigen AG plant Raumteiler mit ADL aus der Boffi-Gruppe, Orlando Della Torre in Luzern arbeitet mit Türen und Elementen in Aluminium und Glas des Mitbewerbers Rimadesio. Beide unterhalten an ihren Standorten Showrooms, in denen die Kundschaft eine Vorstellung vom Leben mit den halbtransparenten Elementen bekommt. Es ist etwas Besonderes, denn die Komponenten öffnen und verbinden Räume, und bei Bedarf begrenzen und separieren sie die Bereiche.

Im Kern geht es dabei um grossformatige Glaselemente mit äusserst filigranen Rahmen aus Aluminium. Die Elemente können verschiedenste Materialien, Formate und auch Funktionsweisen haben. Teile zum Schieben, feststehende Elemente und solche, die als Dreh- oder Pivottüren ausgebildet sind. Sind die Elemente transparent, lässt sich das Ensemble mit einer zusätzlichen Schiene ausstatten, die dann einen Sichtschutz aufnimmt, wie etwa Rahmen mit Lamellen. Oder aber man spielt mit halbtransparenten Scheiben, die dann Inlays aus Gewebe oder Stoff haben. So erhält ein Raum mehr Privatsphäre, ohne diesen optisch zu verschliessen. Solche spielerischen Elemente, mit dem sich wandelbare Raumwirkungen erzeugen lassen, werden in der Innenarchitektur immer beliebter.

Spiel mit ernsthaften Motiven

Architekt Mies van der Rohe hätte zweifelsfrei seine Freude an den italienischen Lösungen der Raumgestaltung gehabt. Denn die Produktlinien sind in puncto Design konsequent und entsprechen architektonisch den grossformatigen Räumen der Moderne. «Immer mehr Innenarchitekten und Bauherren kommen auf den Geschmack», sagt Orlando Della Torre (Bild). Es dauere stets einige Jahre, bis italienische Entwicklungen im Wohnbereich sich in der Schweiz spürbar etablieren. Die aktuelle Mode im Bauen aus Beton und Glas bringt es mit sich. «Die derzeitige Architektur der vollen Transparenz und Weite wird durch die flexiblen Elemente der Raumteiler etwas abgemildert. Trotzdem bleibt die Offenheit der Räume damit erhalten», sagt Gürber, der selbst auch Innenarchitekt ist. Für das Wohlbefinden eines Menschen solle ein Raum nicht endlos gross sein. Vielmehr brauche es Ecken und Nischen, die den Menschen Halt schenken und so gemütlich wirken, weiss Jörg Gürber (Bild rechts).

Offenes Denken für offene Räume

Während viele Produkte einzelne Lösungen darstellen, etwa die Pivottür, die Schiebetür oder auch feste Trennwände, spielen die italienischen Anbieter auf der Klaviatur des Möglichen und kombinieren diese munter miteinander. Das ist ein Punkt, der die Raumteiler wirken lässt. Sie bieten viele Lösungsmöglichkeiten aus einem Guss. Ein anderer Punkt: Grosse Querschnitte von Rahmen stören den Eindruck von Transparenz. Entwürfe für solche Raumteiler in Holz wirken deshalb anders, statischer, eher wie ein Raum im Raum. Bei den Modellen in Aluminium sind die Querschnitte klein. Die Herausforderungen sind dafür gross. Einen Flügel von vier Metern Höhe und einem Gewicht jenseits von 100 Kilos mit den verschiedenen Öffnungsarten auszustatten, bei Querschnitten, die solche Gewichtsklassen kaum vermuten lassen, braucht ein ziemlich durchdachtes System. Hilfreich ist dabei mutmasslich, dass die Produktlinien die Handschrift von Gestaltern tragen, deren Designansprüche konsequent umgesetzt werden. So fügen sich neue Elemente der Kollektionen gut in das Gesamtprogramm ein.

Einfach grosse Glasflächen umzusetzen, genügt nicht. Das Spiel mit Weite und Begrenzung will gelernt sein. «In der zeitgemässen Architektur hat man manchmal das Gefühl, ins Nichts zu fallen, weil die Glasflächen einfach nur offen sind und dem Auge keinen Halt bieten», sagt Gürber. Aber der Wunsch nach dem Gefühl von Weite im Wohnumfeld sei vorhanden, schliesslich seien die meisten Projekte für die Raumteiler Umbau- und Erweiterungsvorhaben, so Gürber. Man müsse verstehen lernen, den Raum als Gesamtheit anzusehen und nicht einzelne Elemente. Auch Regale, Küchenblöcke, Vorhänge oder bauseits vorhandene Unterzüge und andere Merkmale können einen Raum gliedern.

Technische Kabinettstückchen nötig

Warum solche Raumteilersysteme bislang praktisch nur aus Italien stammen, dafür sehen die Experten mehrere Gründe. Zum einen sei analog dem Möbeldesign das lombardisch-venetische Cluster mit dem Epizentrum Mailand ein Treiber. Der Wettbewerbsdruck ist dort hoch, und auf der anderen Seite ist die Ballung der Unternehmen in den Regionen eine Spielwiese für Kooperationen. «Die enge Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen mit Zulieferanten in der Nachbarschaft ist im Norden Italiens einzigartig. So bilden sich Cluster», sagt Gürber. Und dann kommt eines zum anderen und befeuert sich gegenseitig. Ein Beschlag, der hohe Belastungen aufnehmen kann, aber in ein kleines Aluminiumprofil passen soll, den gibt es nicht von der Stange, ist aber nicht unmöglich.

Auch die Kompetenz für das Ummanteln von Aluminiumprofilen mit Furnier kommt von Unternehmen aus Norditalien. Es gibt sogar solche, die sich exakt darauf spezialisiert haben. So wirken die feinen Leisten und Profile wie aus Holz, die aber nur dank des Kerns aus Aluminium für Raumteiler verwendet werden können.

Planerische Kompetenz gefragt

Gefertigt werden die Raumteiler in Italien. Der Ablauf für die Realisierung ist meist ähnlich. Die Kundschaft findet durch Beratung in den Ausstellungsräumen ihre Lösung, Gürber und Della Torre messen und planen darauf hin, und dann gehen die Unterlagen nach Italien. Nach der Fertigstellung montieren die Schweizer Schreinereien. «Auf Lager habe ich lediglich einige Stäbe der Grundprofile, damit wir direkt im Bauprozess die Vormontage der Profile in die Decke bewerkstelligen können», sagt Della Torre.

Oft seien es Möbelhäuser, die Bestellungen einholen. Doch sei die Planungskompetenz dort gering, weshalb die Aufträge dann öfter bei den Experten landeten. «Man braucht viel Detailwissen über die Produkte, um im konkreten Fall zu sehen, was wie möglich ist», sagt Gürber. Sie seien Partner von allen Beteiligten. Weder hätten Architekten den Überblick, noch könne der Schreiner alles einfach so leisten. Schliesslich müsse man das Ganze anschauen, sprich den Raum und nicht eine einzelne Lösung oder ein Produkt.

 

Alle denkbaren Arten von Türen

Neben Rimadesio und ADL/Boffi gehört ein dritter Name in die Reihe der Anbieter von Raumteilern, der hierzulande nicht ganz so bekannt ist. Das hat seinen Grund. Ansässig in Mailand, hat das Unternehmen Lualdi mit ihren Türen und den schlanken Aluminiumrahmen schon vor vielen Jahren nach London und in die USA expandiert. Ursprünglich wie viele andere mit einfachen Drehtüren am Markt hat Lualdi früh das Potenzial von Raumteilern erkannt und bietet heute wie die Mitbewerber ebenfalls ein breites Portfolio mit mehreren Linien der Kollektion und vielen Materialisierungen und allen Spielarten von Türöffnungen.

Eine Partnerschreinerei wie im Falle von ADL und Rimadesio hat das Unternehmen in der Schweiz bislang nicht, verkauft werden die Produkte in der Schweiz jedoch über mehrere Anbieter, zumeist Einrichtungsgeschäfte wie etwa Salvioni in Lugano TI.

www.lualdiporte.com

 

Italienisches Flair aus Luzern

«Rimadesio hat derzeit etwa 180 verschiedene Varianten an Farben, Materialien, Hölzern, Stoffen für die Raumteiler im Programm. So ist es möglich, stets eine Verwandschaft zwischen Möbel und Innenausbau herzustellen», sagt Schreiner Orlando Della Torre. Wenn es um Rimadesio geht, ist er vor allem Planer, Gestalter und Organisator. So eine Kollektion bedinge ein hohes Mass an Planungsdichte und Planungskompetenz.

Die Schienen brauchen etwas Platz

Das fängt schon damit an, dass zunächst zu klären ist, wie viele Elemente in welcher Form beweglich sein sollen und in welcher Ausprägung. Bei ausladend öffnenden Schiebeelementen etwa kommt unter Umständen ein ganzes Paket an Flügeln zusammen. «Die wiegen dann vielleicht 400 Kilos und hängen zusammengeschoben alle auf einer Stelle von 1,5 Metern Breite. Mit dem jüngsten System von Rimadesio sind Flügel von bis zu 140 Kilos möglich», sagt Della Torre. Die Profile für Schiebeelemente brauchen deshalb auch etwas Platz. Die Schienen gibt es verdeckt als Einbauvariante, als Aufbauschiene und für die Wandmontage. Das Prinzip ist dabei stets das Gleiche. Die Schiene, die den Laufwagen aufnimmt, wird im Profil der Montageschiene befestigt. So bleibt diese frei zugänglich und tragfähig. Eine Revision des kugelgelagerten Schiebewagens ist zudem so jederzeit gut möglich.

Halbtransparente Gläser mit Einlagen aus feiner metallischer Gitterstruktur seien derzeit sehr beliebt und natürlich die raumhohe Tür – davon seien sehr viele begeistert, weil dies einfach ein besonderes Raumgefühl mit sich bringe.

Im zweiten Schritt beliebt

So ein Raumtrenner ist auch eine kostenintensive Angelegenheit. «Oft ist das Budget beim Neubau begrenzt. Später wird dann der Wunsch nach einem halbtransparenten Raumteiler konkret», sagt Della Torre. Für den Küchenbereich sei das ideal. So könne man für sich seinen oder den Raum öffnen und so die Bereiche miteinander vereinen. «Der Ansatz ziehe sich nicht selten durch ein ganzes Haus», sagt Della Torre.

www.dellatorre.chwww.rimadesio.it

 

Aus der Küche in den Raum

Die Marke Boffi ist vielen durch die Küche und das Badezimmer ein Begriff. Das Unternehmen spannt seit einiger Zeit mit dem Möbelproduzenten De Padova und dem Hersteller von feinen Raumteilern ADL zusammen. Dadurch können Räume in Gänze ausgestattet werden. Neben festen Elementen sind mit den ADL-Systemen Schiebetüren, Schiebefalt-Türen, Pivot- und Drehtüren sowie Ganzglastüren realisierbar.

Kombinierbare Vielfalt

Bei ADL hat man verschiedene Typen und Linien entwickelt. Oft messen die Aluminiumrahmen nur 18 × 36 Millimeter. Bei den Gläsern sind recht viele Varianten verfügbar. Die Palette reicht vom einfachen transparenten Glas über solche mit geätzter Oberfläche, Spiegel und reflektierenden Gläsern, mit bedruckter Rückseite bis hin zu laminierten Sicherheitsgläsern mit Zwischenlage aus Metallgewebe oder Stoffen.

Für die Belegung der Aluminiumprofile mit Holz kommt Konzeptholz zum Einsatz. Gewählt werden kann zwischen Eiche geräuchert, Natur oder in der Anmutung von Nussbaum. Rund 120 Kilos kann das Flügelgewicht maximal betragen. Damit erhält der Planer viel Freiheit und kann auch grosse Abmessungen umsetzen.

Auch bei ADL bemüht man sich, dass Details und scheinbar nebensächliche Teile zusammenpassen. Dafür zeichnet im Unternehmen seit vielen Jahren der Designer Piero Lissoni verantwortlich. «Er ist zwar etwas stur, aber das Ergebnis gibt ihm recht», sagt Jörg Gürber. Für den Verarbeiter bedeutet das jedoch, dass er die enorme Produktevielfalt und ihre Kombinationsmöglichkeiten kennen muss.

Im Umbau sehr gefragt

Gürber gestaltet und plant mit den ADL-Produkten überwiegend bei Umbauvorhaben. Häufig gehe der Weg zum Kunden über den eigenen Boffi-Showroom in Aarau. Die neue Küche dient dann als Türöffner. «Die Planung ist schon sehr komplex, auch was die Einhaltung des Budgets betrifft. Ein Glas mit Metallgewebe sorgt schnell für einige Tausend Franken höhere Kosten», weiss Gürber. Da sei es gut, wenn man den Blick über den Daumen beherrscht.

www.adldesign.itwww.guerber.ch

Christian Härtel

Veröffentlichung: 16. März 2023 / Ausgabe 11/2023

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