Offen für das Limit

Beim SRF in Basel lässt sich die ganze Raumbreite mit einer Kombination von Drehflügeln und Pivot-Türen öffnen. Bild: Jos. Berchtold AG

GrossFormate.  Drei Experten, die sich in Planung, Herstellung und Montage von Türen betätigen, haben mit grossformatigen Türen durchaus sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Diese spiegeln die Herausforderungen im Umgang mit grossen und schweren Türen wider.

«Die Herausforderungen bei grossen Türen sind stets ähnlich. Man muss am Ende mit dem Türgewicht umgehen können», bringt es Andrea Studer, Kundenberater Objektgeschäft bei der Zürcher Jos. Berchtold AG, auf den Punkt. Das Unternehmen hat mit Türen im XXL-Format reichlich Erfahrung. «Das haben wir häufig, zumal raumhohe Türen inzwischen fast Standard sind», sagt Studer. Im architektonischen Entwurf sind raumhohe und überbreite Türen recht einfach. In den letzten Jahren hätten die Überformate enorm zugenommen, bestätigt Eugen Pruschinowski, Leiter Verkauf und Projektleitung bei der Norma Reiden AG im luzernischen Reiden, die Vorliebe von Architekten für grosszügig dimensionierte Raumverbindungen. Doch so manche Planung kann am Ende schon Mal schlicht und ergreifend am Zugang scheitern. Grossformatige Innentüren passen nicht immer durch das Treppenhaus und schon gar nicht in den Aufzug. Und gegenüber dem Fensterbauer haben die Türenexperten einen Nachteil: Das Gerüst und der Kran sind meist schon weg, wenn die Türen die Baustelle erreichen.

Dann eben auf der Baustelle

Bevor also die Monteure beim Transport vor Ort verzweifeln, erfolgt die Endfertigung der geteilten Türenelemente durchaus öfter auf der Baustelle. «Wenn wir wirklich grosse Elemente haben, versuchen wir, diese vor Ort zu verleimen. Werden die Türen gestrichen, ist das kein Problem, ansonsten arbeiten wir auch mit Sichtfugen», erklärt Guido Jäggi, Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei in Arlesheim BL. Bei raumhohen Schiebetüren etwa, die über 1,3 m breit sind, werde es oft schwierig, diese an einem Stück in den Raum zu bringen. «Man kommt schlicht nicht in die Wohnungen hinein», sagt Jäggi. Für ihn ist deshalb bei grossen Türwünschen die Prüfung des Zugangs vor Ort meist die erste Arbeit. Im Objektbau sei dies oft einfacher, weil die Bedingungen andere seien.

Die Endfertigung am Bestimmungsort ist auch für Pruschinowski eine Option. «Gerade in Hochhäusern mit engen Treppenhäusern ist es manchmal schwierig, raumhohe Elemente in die jeweiligen Etagen zu bekommen. 250 Türen mit 2,6 m Länge auf 22 Stockwerke zu verteilen, ist dann schon eine Aufgabe und macht den Monteuren natürlich keine Freude», sagt der Experte. Auch motorische Hilfsmittel sind nicht immer einsetzbar, wenn das Treppenhaus für grosse Elemente einfach zu eng ist. Der Schwarze Peter läge dann oft bei der ausführenden Firma. «Manche Architekten wollen einfach keine Stossfuge haben, und wenn es ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht geht, ins Gebäude zu kommen, dann müssen sich eben alle bewegen», sagt Pruschinowski. Jäggi reisst sich auch wegen derartiger Erfahrungen nicht immer um Aufträge für XXL-Elemente. Grosse Formate hätten eben einfach weiterführende Konsequenzen, die von den Planern oft zu wenig beachtet würden.

Gross bedeutet auch schwer

Schreiner haben eigentlich schon immer grosse und mächtige Türen gebaut. Der Unterschied liegt vielmehr in den Funktionen, die Türen heute gleichzeitig erfüllen müssen. Dennoch: «Grundsätzlich gibt es fast kein Limit. Es kommt darauf an, was für Beschläge man verwendet», sagt Studer. Das Unternehmen unterhält eine eigene Entwicklungsabteilung, um auf spezielle projektspezifische Architektenwünsche eingehen zu können. Besondere Konstruktionen gehören dazu, aber auch eigene Beschlaglösungen entstehen so aus den einzelnen Projekten heraus und bringen Know-how mit sich. Raumhohe Türen liessen sich mit den Türrohlingen und den heute guten 3D-Bändern ohne Schwierigkeiten umsetzen, zeigen sich die Experten einig. Wichtig sei, dass man bei grösseren Formaten nicht mit zu dünnen Türblättern arbeite. «Auch bei normalen raumhohen Türen mit drei Metern Höhe muss eine Tür mindestens 65 mm stark sein. Dann erhält man den nötigen Anpressdruck auf die Dichtung im Falz. Das Element bleibt auch eher gerade, weil man stärkere Rahmenhölzer verwenden kann und eine höhere Aussteifung erreicht», sagt Studer. Während die Fläche mit Sandwich-Konstruktionen und Leichtbauwerkstoffen möglichst leicht bleiben soll, braucht es das gut dimensionierte Rahmenholz, damit die Bänder die Last der Flügel aufnehmen können. Generell dächten viele bei grossen Türen an eine schlechte Bedienbarkeit. «Das begegnet uns selbst bei Architekten. Doch dem ist nicht so. Die Bänder und die Beschläge sind heute so gut, dass auch grosse und schwere Türen mit wenig Kraftaufwand zu betätigen sind. Unsere Dreh-Klapp-Falt-Türen für sehr breite Durchgänge wären sonst nicht realisierbar», sagt Studer.

Der Verzug von Türblättern, selbst bei grösseren Formaten, halte sich in Grenzen. «Wir haben damit kaum Schwierigkeiten. Bei 25 000 Türen im Jahr gibt es zirka ein bis zwei Reklamationen wegen Verzugs», sagt Pruschinowski. Eine Voraussetzung sei freilich, dass im Unternehmen Massnahmen wie etwa zusätzliche Rahmenhölzer für eine höhere Stabilität für Schiebetüren ab 2,25 m Länge als Standard gelten.

Dreh- und Angelpunkt sind die Bänder

Werden grosse Formate als Schiebetüren geplant, ist es relativ einfach. Auch Pivot-Türen, bei denen die Lasten stehend aufgenommen werden, sind unproblematisch. Dagegen bleiben bei grossen Drehflügeln Auswahl, Anzahl und Platzierung der Bänder die ewige Fragestellung für den Planer. Bei einer stumpf einschlagenden Tür mit Übergrösse von 2,5 × 1,2 m entsteht eine ziemliche Zugkraft auf die Bänder, bei umlaufender, relativ schmaler Fuge. «Als Projektleiter ist es nicht ganz leicht zu entscheiden, wann ich wie viele Bänder einsetze», sagt Pruschinowski. Der Experte hatte sich schon daran gemacht, eine Liste als Hilfsmittel für junge Projektleiter zu erstellen, die Orientierung bietet, in welchen Fällen wie viele Bänder eingesetzt werden müssen und wie diese platziert sein sollten. «Ich habe das Vorhaben aber wieder abgebrochen, weil die Anwendung von Bändern einfach nicht zu globalisieren ist.» Wenn man standardisiert, müssen auch Sicherheiten vorgesehen werden, und bei Objekten mit hunderten Türen können die Mehrkosten für ein zusätzliches Band durchaus über die Auftragsvergabe entscheiden.

Klare Regeln sind kaum möglich, und auch unter den Fachleuten ist es durchaus strittig, wie im jeweiligen Fall am besten zu verfahren ist. Auffallend jedoch ist, dass man vom Schweizer Standard, mit drei Bändern zu arbeiten, immer öfter abrückt. «Entweder zwei gut dimensionierte Bänder oder dann eben gleich vier Bänder. Denn die asymmetrische Platzierung mit dem Standardabstand von 350 mm zwischen den beiden oberen Bändern geht meist mit einem Band ohne Lastaufnahme einher», erklärt Pruschinowski. Aber es komme eben auf die Höhe an. Eine Tür mit 2,6 m Länge sollte ein drittes, in der Mitte platziertes Band aufweisen. «Wir versuchen, wo es immer geht, das bessere Band zu verwenden und vor dem Kunden zu argumentieren. Denn auch der Architekt kennt natürlich die Produkte nicht im Detail, zumal es eine recht ansehnliche Anzahl von Bandtypen gibt», sagt Pruschinowski.

In Zukunft viele Herausforderungen

Grossformatige Raumöffnungen werden bei der Jos. Berchtold AG oft mit einer Kombination unterschiedlicher Konstruktionen gelöst. Denn grossformatige Drehflügel haben prinzipiell das Problem, dass sie viel Platz zum Öffnen brauchen. Nicht zuletzt deshalb werden breite Öffnungen kombiniert gefaltet, geklappt oder geschoben.

Auch deshalb erwarten Pruschinowski und Jäggi künftig noch mehr Schiebelösungen, während der klassische Drehflügel bei grösseren und breiten Formaten eher weniger häufig werden dürfte. Denn die Experten sehen auch die Technisierung von Türen als wichtigen künftigen Anspruch. Neben motorisch öffnenden Türen geht es inzwischen öfter um die Sensortechnik für das berührungslose Bedienen. «Die Sensortechnik kommt bislang vor allem bei Schiebetüren zum Einsatz. Bei Drehflügeln ist das weitaus schwieriger. Denn eine sich selbsttätig bewegende Tür muss überwacht werden, damit es nicht zu Unfällen kommt», sagt Studer.

www.josberchtold.ch

www.norma.ch

www.schreinerei-jaeggi.ch

 

CHRISTIAN HÄRTEL

Veröffentlichung: 30. Juli 2020 / Ausgabe 31-32/2020

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