Persönlichkeiten aus gutem Holz

Die Fahrt durch «seinen» Gotthardtunnel war Bahnpionier Alfred Escher erst als Holzfigur vergönnt. Bild: Bruno Augsburger

Schweizer Holz.  Mit 20 Holzfiguren, gefertigt aus ebenso vielen Holzarten, zeigt die Woodvetia-Kampagne die Vielfalt des Holzes und der Holzbranche auf. Am Beispiel des Bahnpioniers Alfred Escher wird die Entstehung der Statuen dokumentiert.

198 Jahre alt wäre Alfred Escher am 20. Februar 2017 geworden. Und an diesem Geburtstag, 135 Jahre nach seinem Tod, wurde dem Bahnpionier eine Ehre zuteil, die ihm zu Lebzeiten verwehrt geblieben war: eine Zugfahrt durch «seinen» Gotthardtunnel. Für dieses Projekt hatte der Zürcher Nationalrat Zeit seines Lebens nach Kräften gekämpft. Doch sein grösster Erfolg sollte am Ende zu seiner grössten Niederlage werden. Massive zeitliche Verzögerungen und die daraus resultierenden Kosten ruinierten den Ruf des Unternehmers.
So kam es, dass der Visionär beim Durchschlag des Tunnels im Jahr 1880 nicht einmal eingeladen war und zwei Jahre später, kurz nach dessen Eröffnung, starb.
Doch nun, 135 Jahre später, wurde Escher die Ehre zuteil, als Holzfigur in einem Zugabteil sitzend durch «seinen» Gotthardtunnel zu fahren.

Escher aus Eiche

Alfred Escher ist eine von 20 Holzfiguren, die im Zuge der Woodvetia-Kampagne geschaffen wurden. Die Kampagne wurde von der Initiative Schweizer Holz und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) initiiert, um die Bevölkerung für den Wert des Schweizer Holzes zu sensibilisieren.
Dargestellt wurden Persönlichkeiten aus Politik, Sport, Kultur und Gesellschaft. Jede Figur aus einer anderen Holzart. Escher ist – anders, als der Name vermuten liesse – nicht aus Esche gefertigt, sondern aus Eiche. Genauer gesagt aus einer 150 Jahre alten Stieleiche, die an einer Bahnlinie in der Region Zürich gewachsen ist.
Sie hat wie Escher eine hohe Widerstandskraft und wird oft als Bahnschwelle verwendet, womit sich der Kreis zum Eisenbahnpionier schliesst.

Vom Bild zum Modell

Von der Auswahl der Persönlichkeit bis zu deren Umsetzung standen viele Arbeitsschritte und noch mehr Arbeitsstunden an. Als Erstes galt es, einen geeigneten Baum aus der Herkunftsregion der Persönlichkeit zu bestimmen. Dieser wurde gefällt, aufgeschnitten und getrocknet. Zeitgleich vertiefte sich der Zürcher Künstler Inigo Gheyselinck in die sorgfältige Nachbildung des Kopfes der jeweiligen Persönlichkeit. Für das Modellieren des Tonkopfes diente ihm in den meisten Fällen lediglich ein Bild als Vorlage. «Ich war froh, dass man bei der Arbeit mit Ton – anders als beim Holz – nicht nur Material abtragen, sondern auch hinzufügen kann», gesteht er.
15 bis 20 Stunden waren nötig, um die Mimik detailgetreu in Ton zu realisieren. Danach wurde der Kopf eingescannt, um die notwendigen Daten für die CNC-Bearbeitung zu erfassen. Für den Scan des Körpers kam eine Person mit ähnlichen Massen wie die geplante Figur und einem passenden Kostüm zum Einsatz.

Weihnachten mit Marie Tussaud

Bei der Vorbereitung des Holzes wurde zwischen Kopf und Rumpf der Figur unterschieden. Die Bretter für den Kopf wurden vorschriftsgemäss getrocknet und verleimt, um Risse zu vermeiden. Beim Rumpf hingegen waren eben diese Risse durchaus erwünscht. Da die Bretter aufgrund der zeitlichen Vorgaben des Projektes eine recht kurze Trocknungszeit aufwiesen, wurden sie nicht verleimt, sondern mit groben Holzdübeln zusammengefügt. «Weihnachten habe ich mit Marie Tussaud verbracht», sagt Gheyselinck mit einem Lachen. «Das Lindenholz war nass gefräst worden und deshalb faserig wie ein Pelz.» Gefräst wurden die Figuren – abgesehen von Johanna Spyri, welche von der IBW umgesetzt wurde – in der Vock GmbH im aargauischen Wohlen. «Das Fräsen war eine Herausforderung», erklärt Hanspeter Vock. «Wir mussten die Bearbeitungen den unterschiedlichen Holzarten anpassen und waren froh, dabei auf eine grosse Erfahrung zurückgreifen zu können.» Das Fräsen des Körpers habe jeweils zwischen 10 und 15 Stunden gedauert, der Kopf 7 bis 10 Stunden.

Das Eigenleben macht Holz einzigartig

Nach dem Fräsen seien die Figuren meist schon erstaunlich detailliert ausgearbeitet gewesen, sagt Inigo Gheyselinck.
Trotzdem bedurfte es für den Künstler noch einiger Stunden an sorgfältiger Handarbeit, um die Konturen der Figur zu verfeinern, bevor diese schliesslich geschliffen und geölt werden konnte. Beim Körper ging es insbesondere darum, die für den Bohrkopf unerreichbaren Hinterschneidungen auszuarbeiten sowie die beim Zusammenfügen entstandenen Querrisse zu schiften. Mehr Feinarbeit war beim Kopf gefragt. «Hier kann bereits ein kleines Detail den Charakter der Figur vollkommen verändern», sagt Gheyselinck. «Bei einem so schönen Rohstoff wie Holz sollte man sich als Künstler nicht mehr einbringen als nötig.» Er habe sich bei der Fertigung deshalb bewusst zurückgenommen. «Holz ist nicht uniform, es hat Varietät drin, und genau dieses Eigenleben macht es als Werkstoff einzigartig.»
Eindrücke von der Woodvetia-Gesamtschau in Bern folgen auf Seite 21.

www.inigo.chwww.vock.ch

mh

Veröffentlichung: 16. November 2017 / Ausgabe 46/2017

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