Reparieren neu entdeckt

Küchen mit einem hohen Anteil an Holz sind in der Regel leichter zu reparieren. Bild: Lindauer

Recht auf Reparatur.  Reparieren statt ersetzen liegt im Trend, nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Das Recht auf Reparatur entwickelt sich und zeigt bald seine gesetzlichen Auswirkungen. Schreinereien können diese Entwicklung als Chance nutzen.

«Reparieren wird heute wieder als wertschätzender Umgang mit Material gesehen», sagt Michael Lindauer, Projektleiter, Mitglied der Geschäftsleitung und IT-Verantwortlicher bei der Lindauer AG. Die Schreinerei in Steinen SZ hat sich auf die Herstellung von Küchen, Möbeln und Türen in spezieller Massivholz-Bauweise spezialisiert. Gefertigt werden aber auch Schreinerarbeiten, welche zu einem Grossteil aus Holzwerkstoffen wie Spanplatten bestehen. Diese Aussage bringt auf den Punkt, was politisch und gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt: reparieren statt wegwerfen. In Zeiten knapper Ressourcen, steigender Materialpreise und wachsender Umweltverantwortung rückt das Recht auf Reparatur in den Fokus, sowohl in der Europäischen Union als auch in der Schweiz.

Neue EU-Richtlinien

Die EU hat im Sommer 2024 eine neue Richtlinie verabschiedet, die Herstellende verpflichtet, Ersatzteile und Reparaturinformationen für definierte Produktgruppen über mehrere Jahre bereitzuhalten. Ziel ist es, den Lebenszyklus von Produkten, etwa Haushaltsgeräten oder Küchenkomponenten, deutlich zu verlängern. Wer repariert statt ersetzt, soll profitieren: Bei Reparaturen innerhalb der Gewährleistungsfrist verlängert sich die Garantie automatisch um zwölf Monate. Zudem müssen Ersatzteile zu angemessenen Preisen erhältlich sein, und technische oder digitale Hürden, die Reparaturen verhindern, werden künftig untersagt. Bis Ende Juli 2026 müssen die EU-Mitgliedstaaten diese Regeln in ihr nationales Recht überführen.

In der Schweiz ist man noch nicht ganz so weit. Zwar hat das Parlament 2024 mit der Revision des Umweltschutzgesetzes, welche von der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats eingebracht wurde, die Weichen in Richtung Kreislaufwirtschaft gestellt, doch ein konkretes Recht auf Reparatur im Sinne verbindlicher Ersatzteil- und Informationspflichten besteht bislang nicht. Stattdessen setzt die Schweiz auf Anreize, Förderung und freiwillige Branchenlösungen. Erste Programme und Anpassungen werden ab 2026 erwartet. Für Schweizer Schreiner- und Küchenbetriebe zeichnet sich damit eine doppelte Dynamik ab: Einerseits beeinflussen die neuen EU-Regeln indirekt den Markt, weil viele Lieferanten aus der EU stammen. Andererseits steigen auch hierzulande die Erwartungen der Kundschaft. Langlebigkeit, Ersatzteilverfügbarkeit und Reparaturfreundlichkeit werden zunehmend als Qualitätsmerkmale verstanden. «Bei der Auswahl unserer Lieferanten aus dem EU-Raum achten wir stets darauf, dass diese sowohl spezielle Randprodukte als auch Ersatzteile anbieten können», sagt Reto Sommer, Bereichsleiter Marketing und Produktmanagement beim Beschlägehändler Rudolf Geiser AG in Langenthal BE. So wird sichergestellt, dass Reparatur und Nachrüsten langfristig möglich bleiben. Kundennähe, flexibler Service und hochwertige Produkte mit langer Lebensdauer sind für die meisten Schreinereien wichtige Werte. Die gesetzlichen Bestrebungen bestärken diese Haltung und lassen sie für die Zukunft wichtiger denn je erscheinen.

Reparatur und Service als Türöffner

Doch lohnen sich Reparaturarbeiten für die Schreinerei? «Aus unserer Sicht ganz klar. Servicearbeiten sind gute Werbung, und Kundenzufriedenheit ist uns sehr wichtig», bejaht Michael Lindauer. Was in absehbarer Zukunft vielleicht durch die Gesetzeslage zusätzlich befeuert wird, ist für viele Betriebe bereits seit Langem ein attraktives, ausbaufähiges Geschäftsfeld und bringt das eigene Angebot näher zur Kundschaft. Hochwertige Innenausbauprodukte, wie sie Schreinereien fertigen, stehen oft 20 Jahre und mehr im Einsatz. In dieser Zeit muss regelmässig in den Unterhalt der Möbel und Einrichtungen investiert werden, spätestens wenn etwas defekt ist. Und an diesem Punkt kann eine Schreinerei als Partnerin auftreten. Wer Schubladenauszüge und Topfbänder wechselt, Schrankfronten einstellt und bei Wasserschäden Möbel repariert, tritt als Retter in der Not auf, stellt den persönlichen Bezug her und gewinnt so das Vertrauen. Wenn solche Arbeiten zur Zufriedenheit der Kundschaft ausgeführt werden, stehen die Zeichen gut, dass diese sich für das nächste Projekt wieder meldet. Einfache Serviceaufträge mit geringem Risiko, oft nach Aufwand abgerechnet, werden so zum Türöffner für schöne Arbeiten. Aus dem Einbau von wenigen Innenschubladen kann so rasch die Herstellung einer neuen Kücheneinrichtung werden.

Swissness als Erfolgsfaktor

Auch seitens der Zulieferer wird das Potenzial von Servicearbeiten bestätigt, insbesondere im Zusammenhang mit Schweizer Qualitätsarbeit. Bei günstigen Produkten, welche nicht aus der Schweiz stammen, gestaltet sich die Ersatzteilbeschaffung meist schwierig, Bezugsquellen sind oft unbekannt oder nicht zugänglich. Ebenso reist kaum ein Handwerker aus dem fernen Ausland an, um einen einzelnen Beschlag vor Ort auszutauschen. So sieht Reto Sommer beim Thema Swissness einen klaren Vorteil für das Schweizer Schreinergewerbe.

«Schweizer Betriebe können mit Nähe, Service und hoher Qualität punkten», betont er. Der Schweizer Fachhandel leistet hier einen wichtigen Beitrag, indem er Schreinereien im Bereich von Ersatzteillösungen gezielt unterstützt. Seit jeher ist die Branche darauf bedacht, ein breites Sortiment an Ersatzteilen und Nachfolgelösungen zu bieten. Daher spüren die meisten Händler bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Herstellern zurzeit noch keine Änderungen, welche von rechtlicher Seite herrühren. Die eigenen Anforderungen an die Verfügbarkeit sind meist sowieso höher, als mögliche Vorgaben der EU es sein werden. Für Firmen wie die Rudolf Geiser AG ist die langfristige Verfügbarkeit von Ersatzteilen eine Herausforderung, insbesondere bei Artikeln, welche nur in geringen Mengen benötigt werden. Um die Lieferbereitschaft auch nach einer ausgelaufenen Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten und die Kunden langfristig bedienen zu können, stehen Händler in engem Austausch mit Herstellern und nehmen im Zweifelsfall Produkte ins eigene Lager. Dies ist jedoch mit Kapitalbindung und einem gewissen Risiko verbunden. Neben der besseren Qualität rechtfertigt dies die höheren Preise im Vergleich zur Konkurrenz aus dem Ausland.

Wer jedoch etwas weiter denkt, stellt fest: Die höheren Kosten werden durch kurze Wege zur Kundschaft und den langfristigen Werterhalt eines Qualitätsprodukts im Innenausbau oft mehr als wettgemacht. So profitiert neben der Kundschaft, dem lokalen Schreinergewerbe und der Umwelt die gesamte Lieferkette in der Schweiz, was den Wirtschaftsstandort stärkt und den Wohlstand für alle sichert.

Altbewährte und moderne Techniken

Stehen für eine Reparatur keine passenden Originalersatzteile mehr zur Verfügung, lohnt es sich zunächst, nach passenden Nachfolgelösungen Ausschau zu halten. Hersteller hochwertiger Lösungen versuchen in der Regel, Bohrbilder und Bearbeitungen für nachfolgende Generationen von Beschlägen zu übernehmen. So passen moderne Topfbänder oder Schubladenführungen meist auf alte Bohrbilder und können problemlos ausgetauscht werden. Fehlen solche Nachrüstlösungen oder kompatible Alternativen, sind individuelle Varianten gefragt. Ältere Teile können durch eine versierte Schlosserei oft aufgefrischt oder repariert werden. Beispielsweise lassen sich an defekten Türschlössern gebrochene Federn und Führungen ersetzten, was den Ersatz und das aufwendige Einpassen von neuen Modellen unnötig macht und sich daher viel günstiger umsetzen lässt. Viele Komponenten sind heute in Kunststoff gefertigt, und wenn hier passender Ersatz fehlt, kann der 3D-Druck als moderne Fertigungsart Abhilfe schaffen. Hier bieten Spezialfirmen Lösungen für Einzelstücke und Kleinserien an. Das Angebot ist mittlerweile nicht mehr nur auf den Druck ab eigener 3D-Datei beschränkt, viele Firmen bieten auch den vorgängigen 3D-Scan von Musterteilen an. Bei diesem als «Reverse Engineering» (zu Deutsch «rückentwickeln») bezeichneten Verfahren wird das Originalteil mittels 3D-Scanner zunächst vermessen. Auf dieser digitalen Basis lässt sich das Teil anschliessend mit 3D-Druck in Kunststoff oder sogar Metall neu fertigen. Wer die Möglichkeiten kennt, findet in vielen Fällen eine kostengünstige Option und kann auf den kompletten Ersatz verzichten.

Die Reparatur beginnt bei der Planung

Ob eine Schreinerarbeit später auf ideale Weise repariert werden kann, entscheidet sich bereits bei der Konstruktion. Hier lohnt sich der Blick auf Design und Planung. Wer folgende mögliche Punkte berücksichtigt und entsprechend weitsichtig löst, ebnet den Weg für Unterhalt und Reparatur seiner Produkte.

  • Möbel so konstruieren, dass Geräte und Beschläge später einfach ausgetauscht werden können (auch marken- und herstellerübergreifend), beispielsweise durch den Einsatz der SMS-Norm bei Küchen.
  • Korpusse mit lösbaren Verbindungen wie Korpusverbinder oder Schrauben ausführen. Verzicht auf verleimte und genagelte Verbindungen. Zugang zu verdeckten Befestigungen sinnvoll planen.
  • Modulare Bauweise, wie beispielsweise Küchenmöbel, welche sich einzeln demontieren und tauschen lassen.
  • Einsatz einer Norm statt vieler Sonderlösungen, damit auch nach Jahren nachvollziehbar ist, wie eine Konstruktion ausgeführt wurde.
  • Produktionsdaten wie Pläne, Werkstoff- listen und Beschlägelisten immer voll- ständig erstellen und archivieren, damit Daten wie Herstellernummern und Bezeichnungen später für Reparaturen abrufbar sind.
  • Enge Zusammenarbeit mit Lieferanten im Ersatzteilbereich, eventuell ein eigenes Lager mit häufig benötigten Standardbeschlägen anlegen.

Die Firma Lindauer geht bei ihren Massivholzprodukten einen entscheidenden Schritt weiter. Produkte, welche in Massivholz-Bauweise gefertigt werden, weisen allesamt komplett leimfreie Verbindungen auf. Dies bedeutet, dass einzelne Teile mittels speziell entwickelter Steck-, Klick- und Schiebeverbindungen, Dübeln und Gratleisten zusammengehalten werden. Diese selbst entwickelten Techniken begünstigen die Reparierfähigkeit, denn sogar einzelne Teile an Küchenfronten, Korpusteilen, Möbeln oder Türen können praktisch ohne Beschädigungen auseinandergebaut und ersetzt werden. «Leimfreie, modulare Konstruktionen erleichtern Reparaturen enorm», betont Michael Lindauer.

Serviceabos als Chance

Wer im Bereich Service und Reparatur langfristig und planbar Fuss fassen will, sollte das Angebot von Serviceabos prüfen. «Ich sehe bei der Pflege von Oberflächen und regelmässigen Einstellarbeiten an Türen, Küchen, Schränken und Möbeln ein grosses Potenzial», sagt Michael Lindauer. Was im Bereich Brandschutz- und Fluchttüren heute bereits eine rechtliche Vorgabe ist, lässt sich auf weitere Produkte und Leistungen übertragen. Insbesondere für Geschäftskunden wie Immobilienverwaltungen kann diese Möglichkeit ein attraktives Angebot sein, mit welchem sich auf lange Frist hohe Kosten durch den budgetierten Werterhalt vermeiden lassen. Das Prinzip ist einleuchtend: Wer regelmässig pflegt und unterhält, vermeidet frühzeitige, hohe Kosten durch einen Totalschaden. Neben der Verhinderung von grossen Schäden stärken solche Serviceeinsätze auch die Kundenbindung, denn zufriedene Kunden kaufen die neue Kücheneinrichtung eher bei einem Servicepartner, mit welchem sie gute Erfahrungen gemacht haben. Für Schreinereien ergeben sich so planbare Aufträge und wiederkehrende Kontakte, für Kundinnen und Kunden eine längere Lebensdauer der Einrichtung und langfristig tiefere Gesamtkosten. Eine Win-win-Situation, welche sich erfolgreich umsetzen lässt.

Das Wissen macht den Unterschied

Schlussendlich gilt es zu betonen, dass sich Reparaturen nur mit dem nötigen Fachwissen umsetzen lassen. Hier braucht es erfahrene Fachleute, welche mögliche Lösungen kennen und auch gezielt einsetzen können, statt einfach etwas neu anzufertigen und Altes zu entsorgen. Gute Kundenberatung und eine professionelle Umsetzung sind wichtige Erfolgsfaktoren, auch im Bereich der Reparatur. «Wir legen grossen Wert auf eine gute Schulung unserer Monteure, denn sie machen den Unterschied bei der Kundschaft vor Ort», betont Michael Lindauer. Es ist also zentral, Mitarbeitende im ganzen Betrieb gezielt auf mögliche Reparaturlösungen zu schulen. Denn Reparieren kann heute nicht nur ein Nebengeschäft sein, sondern eine zukunftsweisende, professionelle Dienstleistung mit stabilem Ertrag, hoher Kundennähe und klarem Nutzen.

www.lindauerag.chwww.gela.ch

Recht auf Reparatur

Das Recht auf Reparatur bezeichnet den politischen und rechtlichen Anspruch, dass Produkte so gestaltet, dokumentiert und unterstützt werden, dass sie über einen längeren Zeitraum repariert statt ersetzt werden können. Es verpflichtet Hersteller dazu, Ersatzteile, Reparaturanleitungen und Diagnosetools über mehrere Jahre verfügbar zu halten, auch für unabhängige Werkstätten und Endnutzer. Ziel ist es, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, Ressourcen zu schonen und die Wegwerfmentalität zu durchbrechen. Als Zeithorizont für die Reparierbarkeit werden aktuell meist fünf bis zehn Jahre genannt, ein Zeitraum, an dem sich viele Schweizer Hersteller bereits freiwillig orientieren. Eine Reparatur eines Produkts soll sich wieder lohnen, der Ersatz soll erst als letzte Option gewählt werden. Langfristig geht es beim Recht auf Reparatur nicht nur um Umweltaspekte, sondern auch um Transparenz, Produktqualität und Kundenzufriedenheit. Wer reparieren kann, statt ersetzen zu müssen, spart Ressourcen und verlängert den Lebenszyklus hochwertiger Produkte erheblich, was dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft entspricht.

Roland Wildi, RW

Veröffentlichung: 11. Dezember 2025 / Ausgabe 50/2025

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