Schneidern mit Holz

Sieht sanft und geschmeidig aus: mit Holz kombinierter Stoff. Bild: Andreas Dürner (TF Bern)

Forschergeist. Jerica Moser und Renato Walker haben am Nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» teilgenommen. Mit ihrem Projekt «Stoff aus Holz» stiessen sie bei der Jury und den Besuchern auf grosses Interesse.

Wie macht man Holz flexibel, damit es für die Mode genutzt werden kann? Mit dieser Frage haben sich zwei Schreinerlernende der Technischen Fachschule (TF) Bern für ihre Vertiefungsarbeit im Fach Allgemeinbildung befasst. Jerica Moser aus Rüschegg und Renato Walker aus Finsterhennen hat es dabei so richtig die Ärmel reingezogen. Das Duo wurde letztes Jahr von der TF Bern für die Idee und den tollen Einsatz mit der Auszeichnung «beste Arbeit» belohnt. Lehrmeister Andreas Dürner schlug den beiden deshalb vor, das Projekt für den Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» anzumelden. «Das fanden wir spannend, und wir entschieden uns, dort mitzumachen», erzählt die 21-jährige Jerica.

Wie alles begann

Als Jerica ein Thema für ihre Vertiefungsarbeit auswählen sollte, stand sie vor einem Problem. Sie hatte schlicht keine Idee. Das Thema sollte aussergewöhnlich sein und zu ihr passen. So stiess sie auf die Mode. Sie überlegte weiter: «Es gibt zwar bereits Taschen aus Holz, diese sind aber aus Massivholz und starr. Es braucht also flexibles Holz.» So kam sie auf die Idee, eine Tasche herzustellen, die aus Holz besteht und angenehm zum Tragen ist. Jerica erzählte ihrem Klassenkollegen Renato davon und fragte ihn, ob er sie bei der Arbeit unterstützen möchte. Er war einverstanden. So machten sich die beiden Lernenden auf die Suche nach flexiblem Holz. Sie recherchierten fleissig im Internet und unternahmen auch einige Versuche, um das Holz weich zu machen. Aber es liess sich weder Holz mit den gewünschten Eigenschaften finden noch selber herstellen.

Ausflug ins Tessin

Beide waren schon fast verzweifelt, als sie plötzlich in der Lehrwerkstatt eine Entdeckung machten. Jerica fand ein langes, hauchdünnes Stück Band aus Holz. Was das denn sei, fragten sie und Renato ihren Lehrmeister. Es sei ein Span aus einer japanischen Putzhobelmaschine, gab dieser zur Antwort. «Er erklärte uns dann, dass die Schweizer Vertretung des Maschinenherstellers Arco Baleno heisse und sich im Tessin befinde», sagt Renato.

In der Folge rief Jerica beim Unternehmen an und stellte einige Fragen. Die beiden Jungforscher wurden prompt nach Faido eingeladen. Sie durften die Firma besichtigen und Fragen stellen. Und sie fanden so heraus, dass die Putzhobelmaschinen in Japan von der Firma Marunaka gebaut werden. Anders als normale Hobelmaschinen haben diese ein grosses Messer. Bretter werden mithilfe einer Gummiwalze über die Klinge geschoben. Die Maschine gibt dem Holz eine saubere Oberfläche. Durch das grosse Schneidwerkzeug werden hauchdünne Späne abgetragen. Diese sind ein Abfallprodukt. Ideal für die beiden jungen Forscher. Mit viel Wissen und einigen Fichtenspänen kamen Jerica und Renato zurück in die Deutschschweiz.

Leder aus Stoff

Wieder in Bern, standen sie vor dem nächsten Rätsel. «Wie lassen sich die Hobelspäne verbinden, damit sich daraus ein Kleidungsstück kreieren lässt?» Jerica und Renato verklebten die Späne unter anderem mit Leder und Stoff. Dabei sog der Stoff den Klebstoff auf, wurde unflexibel und hart. Beim Leder lief es besser. Die Tüftler konnten das Leder sogar zerknüllen, ohne dass das Holz einen Schaden nahm. «Wir waren sehr erstaunt, wie gut das funktionierte, und auch unser Lehrmeister Andreas Dürner war begeistert», sagt Renato.

In einem nächsten Schritt berechneten Renato und Jerica, wie viel Material es für eine Tasche braucht. Die Späne haben eine fixe Breite von 35 cm. Die Stösse verklebten sie mit Furnierkleber und zogen das Ganze auf das Leder auf. Anschliessend konnte das Muster aufgezeichnet, ausgeschnitten und zusammengenäht werden. Jerica besorgte einen Reissverschluss und Knöpfe. So entstand Schritt für Schritt eine erste flexible Holztasche. Sie ist so gross, dass ein iPad darin Platz hat. Um die Idee der natürlichen Materialien weiterzuverfolgen, stellten sie den Henkel aus Kokosfasern her. «Das Nähen ging erstaunlich gut, auch mit der Nähmaschine», erzählt Jerica begeistert.

Schweizer Jugend forscht

Nach diesem Erfolg machte ihnen Andreas Dürner den Vorschlag, beim Nationalen Wettbewerb der Stiftung «Schweizer Jugend forscht» mitzumachen. So stellten die beiden ihr Forschungsprojekt in einer zehnminütigen Präsentation Fachpersonen aus dem Bereich Kunst und Architektur vor und qualifizierten sich für den 51. Nationalen Wettbewerb. Mit der Unterstützung einer Expertin konnte das Forscherduo sein Projekt weiter verbessern. Am vergangenen Samstag fand im Berner Kursaal das Wettbewerbsfinale statt. Jerica und Renato traten mit ihrer Arbeit gegen 84 Projekte anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.

Mit Erfolg: Die Arbeit «Stoff aus Holz» hat neben fünf anderen die höchste Auszeichnung erhalten. Bundespräsidentin Doris Leuthard, die der Preisverleihung beiwohnte, informierte sich selber bei Jerica und Renato über deren Erfindung und gratulierte zum hervorragenden Abschneiden. ms/AJ

www.sjf.chwww.tfbern.chwww.arcobaleno.ch

Veröffentlichung: 04. Mai 2017 / Ausgabe 18/2017

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