Schreiner als Beerenkönig

Der gelernte Schreiner Harri Meienberg (44) braucht das Leben im Schatten von Obstbäumen und den Duft von Stroh. Bild: Beatrix Bächtold

Gross und saftig präsentieren sich die Beeren auf dem «Beerihof» von Harri und Daniela Meienberg. In der Luft liegt das Gackern von 50 glücklichen Hühnern; zwei «Güggel» krähen um die Wette. Hier in Steinmaur, gut zehn Kilometer vor den Toren der Stadt Zürich, stehen Traktoren auf dem Platz und in einem Kistchen vor dem Hofladen warten Setzlinge von nützlingsfreundlichen Pflanzen auf Hobbygärtner. Zentrum dieser ökologischen Landwirtschaftsidylle ist das Ehepaar Meienberg. Seit zehn Jahren sind die beiden Pächter dieses 15 Hektar grossen Anwesens. Auf drei Hektar kultivieren sie Beeren und Obst, auf dem Rest betreibt Meienberg Ackerbau – und so kommt es, dass er seine Erdbeeren auf eigenes Stroh betten kann. Harri pflückt nach eigenen Aussagen am liebsten Kirschen. «Auf der Leiter auf dem Kirschbaum hat man einfach den besten Überblick. Man steht etwas über den Dingen und kann die Welt von oben betrachten.» Die Meienbergs verkaufen ihre gesamte Ernte, inklusive Honig der eigenen Bienen, direkt im Hofladen. Überschüsse werden von Daniela Meienberg und ihren sechs Mitarbeiterinnen zu Konfi, Sirup oder Dörrobst verarbeitet. Daniela Meienberg ist es auch, die aus der Milch der eigenen Ziegen Käse herstellt. «Wir haben gemeinsam eine Alpausbildung gemacht. Damals, bevor wir ein Jahr lang als Älpler für 30 Kühe, 40 Rinder und eine Herde Geissen im hochgelegenen Urner Fellital verantwortlich waren», sagt Harri Meienberg.

Wenn man ihn so erzählen hört, so möchte man fast glauben, er habe sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. «Zum Teil stimmt das. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe vermutlich das Talent meines Vaters geerbt.»

Und trotzdem hat Meienberg nach der Schule zuerst einmal eine vierjährige Schreinerlehre gemacht und danach zehn Jahre lang auf dem Beruf gearbeitet. «Viel auch auf dem Bau, Montage, Parkett verlegen», sagt er, und aus seinem Strahlen schliesst man, dass er diesen Beruf geliebt hat. «Bei der Berufswahl stand nicht der Nützlichkeitsgedanke im Vordergrund. Es machte mir einfach Freude, mit Holz zu arbeiten», sagt er. Unwillkürlich fragt man sich, was den Ausschlag für den Kurswechsel gegeben hat. Meienberg lässt seinen Blick über die Wiesen schweifen und atmet tief ein. Dann sagt er: «Jeden Frühling spürt man brutal die Natur da draussen. Alles wächst und gedeiht. Das gefällt mir. Ich habe den Schreinerberuf geliebt, doch im Herzen hatte ich immer Sehnsucht nach dem Umfeld meiner Kindheit.» Eine Erinnerung an seine Kindheit, oder besser gesagt an seine Schulzeit, ist auch der Name des 44-Jährigen: Denn Harri Meienberg ist eigentlich auf den Namen Erwin getauft. «Seit der Primarschule rufen mich alle Harri. Das ist so etwas wie mein Künstlername», sagt er, und das goldene Dreieck an seinem Ohrring baumelt, als er schallend lacht.

Das Leben mit und von der Natur klingt romantisch und beschaulich, doch es birgt auch seine Tücken. «Mit der Globalisierung ist die Kirschessigfliege zu uns gekommen und hat es auf unsere Früchte abgesehen. Zusätzlich drückt der Einkaufstourismus auf die Preise und das macht uns schon zu schaffen. Doch ich will nicht jammern. Wir können von unserer Arbeit leben und haben treue Kunden», sagt er.

Harri Meienberg hat den Kurswechsel nie bereut. Und das, was er früher als Schreiner gelernt hat, ist ihm dabei nützlich. Er sagt: «Den Hofladen habe ich selber gebaut, und kürzlich habe ich in den Zimmern unseres Hauses Korkboden verlegt.»

«Ich habe den Schreinerberuf geliebt, doch im Herzen hatte ich immer Sehnsucht nach dem Umfeld meiner Kindheit.»

BEB

Veröffentlichung: 25. August 2016 / Ausgabe 34/2016

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