Schreiner gewinnt bei «1 gegen 100»

Guten Mutes und mit Gottvertrauen hat der pensionierte Schreiner Kari Scheidegger (74) bei der Quizsendung«1 gegen 100» alle Gegner besiegt. Bild: Archiv SRF

Es ist plötzlich still im Fernsehstudio, als der Lichtkegel über Kari Scheidegger stehen bleibt und ihn damit zum Einzelkandidaten in der Sendung «1 gegen 100» macht. «Was?», ruft der Ausgewählte und greift sich an den Kopf. In der Quizshow, die jeweils montagabends im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird, gilt es für den pensionierten Schreiner nun, gegen 100 Gegner anzutreten. Wird es der 74-Jährige schaffen, im heissen Studio vor laufender Kamera cool zu bleiben? Und schon eilt eine Maskenbildnerin herbei und pudert ihm die Nase. Kurz mit dem Kamm durch die Haare und schon blinkt das Aufnahmelämpchen. Innerhalb der kommenden 45 Minuten besiegt er dann seine 99 Gegner und bewältigt bange Sekunden. So muss er sich zum Beispiel zwischen den Themen «Hollywood» und «Sport» entscheiden. «Das ist für mich wie Pest oder Cholera», sagt er zur Moderatorin Susanne Kunz. Als er den englischen Begriff «Cheerleader» richtig zuordnen muss, meint er trocken: «Jetzt muss ich wohl noch mein Frühenglisch bemühen.» Rückblickend sagt er: «Ich habe gewusst, dass meine Chance bei einem Prozent lag, und glaubte gar nicht, dass ich so weit komme.» Es gibt Kandidaten, die sich regelrecht für den Fernsehauftritt fit machen. Sie verschlingen jede Zeitung und pauken Jahreszahlen. Kari Scheidegger schaut sich nur ab und zu wissenschaftliche Sendungen wie zum Beispiel «Einstein» an und löst regelmässig Kreuzworträtsel.

«Ich wollte einfach mein Glück versuchen und mit meinem Grundwissen aus Geschichte, Politik und Naturwissenschaft punkten», erklärt er. Scheidegger ist eher ein Kopfmensch und technisch interessiert.

Ein Berufsleben lang hat ihn als Schreiner anspruchsvolle Maschinenarbeit am meisten interessiert, zuerst in Vevey und Montreux, dann in Pontresina und Samedan, wo er an der Mittelschule vierzehn Jahre lang für den Unterhalt von Gebäuden und Mobiliar zuständig war. Weitere zehn Jahre arbeitete er selbstständig als Glaser und Schreiner, zuletzt als Maschinist in der Möbelwerkstatt von Ramon Zangger in Samedan. Während der Pontresiner Zeit hat er das Bergführerpatent erworben, um im Zweitberuf Gäste sicher auf Gipfel und über Gletscher zu führen. «Einerseits aus Begeisterung, andererseits als Zubrot, um die siebenköpfige Familie besser über die Runden zu bringen», sagt er.

«In den Bergen war Sicherheit stets das oberste Gebot. Gott sei Dank blieben wir vor Unfällen bewahrt. Eine Tour aufgrund des Wetters kurz vor dem Gipfel abzubrechen, bedurfte gegenüber den Gästen Durchsetzungsvermögen», berichtet er. «Gott sei Dank» ist bei Scheidegger nicht einfach so dahergesagt. Als bekennender Christ ist das Vertrauen in Gott für ihn wesentlich. Und so ist er voll Zuversicht von Bever im Engadin ins Studio Leutschenbach nach Zürich gereist.

Während seiner Abwesenheit hat seine Frau für ihn gebetet und «die Festung gehalten», wie Scheidegger es ausdrückt. Das Ehepaar führt nämlich ein Haus mit fünf Ferienwohnungen, und dieses kleine Familienunternehmen kann man nicht einfach so dem Schicksal überlassen. Kari Scheidegger hat gewonnen. Mit Verstand und Glück hat er alle 100 Gegner weggespielt und exakt 4125 Franken kassiert.

Was er denn mit dem Gewinn anstelle? Der pensionierte Schreiner überlegt nicht lange und sagt: «Zuerst einmal Steuern zahlen und dann mit der Frau eine Tour dem Inn entlang mit dem Elektrovelo unternehmen, vielleicht bis nach Passau.»

«Ich wollte einfach mein Glück versuchen und mit meinem Grundwissen aus Geschichte, Politik und Naturwissenschaft punkten.»

beb

Veröffentlichung: 12. Oktober 2017 / Ausgabe 41/2017

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