Schreinern bei den «Kiwis»

Florian Moser (25) ist erst kürzlich aus Neuseeland zurück-gekehrt, wo er ein Jahr lang als Schreiner gearbeitet hat. Bild: PD

Sein Blick ist wach und aufmerksam. Wenn er von seinem einjährigen Aufenthalt in Neuseeland erzählt, von dem er kürzlich zurückgekehrt ist, fliessen die Worte nur so aus ihm heraus. Die Bilder sind noch frisch. Die Erlebnisse beinahe greifbar. Wenn man Florian Moser zuhört, scheinen sein Alter und seine Reife weit auseinanderzuklaffen. Bis zu seinem Auslandaufenthalt hatte der 25-Jährige bei seinen Eltern im aargauischen Besenbüren gelebt. Er hatte keine konkreten Ziele. «Ich wollte lediglich etwas Englisch lernen», sagt er. So setzte er sich eines Abends an den Computer und schaute sich eine Website namens «Journeyman» an, die Handwerkerjobs in alle Welt vermittelte. «Dann machte es plötzlich Klick und das Leben hat für mich entschieden.» Als er sich im Sommer 2019 am Flughafen verabschiedete, ging ein neuer Vorhang in seinem Leben auf. «Alles war neu für mich. Nicht nur das Land, die Leute, die Arbeit, die Sprache – ich musste auch lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, da ich noch nie alleine gelebt hatte.» Der Neuankömmling wurde mit offenen Armen empfangen. Die Offenheit und Warmherzigkeit der Neuseeländer haben den Aargauer zutiefst berührt. Er entschied sich für eine WG in Otorohanga, einem kleinen Dorf auf der Nordinsel. «Ich bin nicht der Grossstadtmensch. Wenn man in Besenbüren gross geworden ist, kann man nicht in Auckland leben», sagt er lachend. «In Otorohanga und Umgebung konnte ich viele Freizeitbeschäftigungen und Sportarten ausüben: Kajaken, Fischen, Fussball spielen, Biken, Surfen oder Snowboarden.»

Gearbeitet hat Moser bei einem Küchenbauer mit rund einem Dutzend Mitarbeitenden. «Die Schreinerei glich einer Schreinerei aus der Schweiz vor rund 30 Jahren. Vieles war Handarbeit.» Florian arbeitete oft mit Handhobel und Handsäge. «Der Maschinenpark war im Gegensatz zu einem Schweizer Betrieb veraltet und glich eher einer Werkstatt eines Schweizer Hobbyschreiners.» Doch die Qualität der Schreinerarbeiten sei auf hohem Niveau gewesen. «Wir verwendeten oft das widerstandsfähige, einheimische Blackwood für Küchenabdeckungen oder Tischblätter.» Zum Bauen wird oft Rimuholz oder das Holz des immergrünen Kauribaums verwendet. «Die Engländer haben sehr viel Holz gerodet in Neuseeland. Neuseeland war bis 1947 eine Kolonie Englands.» Immer wieder lässt der Schreiner geschichtliche Bezüge in seine Erzählungen einfliessen. «Mir ist es wichtig, etwas von der Geschichte eines Volkes zu erfahren, um ihre Kultur zu verstehen. Nur wenn ich die Menschen verstehe, kann ich mich auch integrieren», sagt er.

In guter Erinnerung hat er die Schreinerarbeiten auf den kleinen Inseln, zu denen er per Kleinflugzeug hinflog. «Der Puls dort schlägt einiges langsamer. Die Inselbewohner haben noch nie etwas von Stress gehört.» Hat ihn sein Aufenthalt verändert? Moser zeigt zuerst schmunzelnd auf seine Tattoos am Oberarm. Dann schlägt er einen ernsthafteren Ton an: «Ich bin stolz, dass ich es geschafft habe, ein Jahr im Ausland zu leben. Es hat mich verändert.» Die «Kiwis» hätten ihn gelehrt, gelassener mit stressigen Situationen umzugehen. Er sei offener geworden und habe gelernt, auf unbekannte Menschen zuzugehen.

«Die Schreinerei glich einer Schreinerei aus der Schweiz vor rund 30 Jahren. Vieles war Handarbeit.»

Caroline Schneider

Veröffentlichung: 29. Oktober 2020 / Ausgabe 44/2020

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