Schreinern mit Nebenwirkungen

Verleimtes Massivholz ist in der Ökobilanz näher an der Span-platte, als man denkt. Andere Gründe für Holz wiegen deutlich schwerer. Bild: Gual

Ökologie.  Derzeit rücken ressourcenschonendes, ökologisches und nachhaltiges Arbeiten in der Möbelbranche wie auch in der Architektur verstärkt in den Blickpunkt. Ein wichtiger Baustein bei der Bewertung sind die Ergebnisse der Ökobilanzen, die aber auch nicht alles erklären.

Wer Äpfel mit Birnen vergleicht, liegt ganz bestimmt falsch. Es sei denn, das Ganze geschieht mit der Methode der Ökobilanzierung. Genau das soll mit ihr möglich sein. Die Vergleichbarkeit der Umweltbelastung durch ein Material, ein Produkt oder ein ganzes Gebäude. Ausgedrückt in Umweltbelastungspunkten pro Einheit lässt sich zunächst einfach ablesen, dass ein Kilogramm Acrylglas die Umwelt rund zehn Mal so stark belastet wie ein Kilogramm Weichfaserplatte. Und zwar unter Berücksichtigung vieler Aspekte von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung des Materials.

Ein solcher Vergleich hinkt jedoch, da die beiden Werkstoffe gänzlich unterschiedlich eingesetzt werden. Dazu gesellt sich eine zweite Unzulänglichkeit: Bezogen auf ein Kilogramm, was die Ökobilanzierung stets macht, lassen sich auch Materialien für ein und denselben Einsatzzweck nicht wirklich vergleichen. Denn die Werte für ein Kilogramm Beton und ein Kilogramm Holz sagen zunächst wenig.

Es geht immer um Äpfel und Birnen

Gleichwohl gibt es das Bedürfnis nach Orientierung, Vergleich und damit auch nach Bewertung der Materialien. Gerade derzeit will jedes Möbellabel nachhaltig sein und gibt an, bei der Produktion strikt auf Umweltaspekte zu achten. Auch beim Konsumenten ist das Bedürfnis nach Orientierung gross. Schliesslich lässt sich trefflich vermuten, dass es einen Unterschied macht, ob ein Stuhl überwiegend aus Holz, Kunststoff oder Aluminium besteht. Diese Unterschiede sichtbar zu machen, ist auch das Anliegen von Emma Olbers. Die schwedische Designerin und Beraterin zeigte an der diesjährigen Möbelmesse in Stockholm eine Ausstellung, in der sie die Materialien mit ihrem CO2-Fussabdruck je Kilogramm in Bezug setzt.

Die Ausstellung zeigte, wie viel eines Materials man pro Kilogramm CO2 erhält. Und das ist wichtig. «Bei Möbeln sind die getroffenen Materialentscheidungen in der Regel für etwa 50 % des Kohlenstoff-Fussabdruckes verantwortlich», so Olbers. Eine prominent platzierte Erkenntnis der Ausstellung formuliert Olbers so: «Wenn man für einen Stuhlsitz Birkenholz statt Leder verwendet und die Materialien das gleiche Gewicht haben, kann man theoretisch den CO2-Ausstoss um das 300-Fache reduzieren.» Dabei wird allerdings nur das Material betrachtet, nicht das Möbel, dessen Gebrauchsdauer und so weiter. Dann wäre man wieder bei den Umweltbelastungspunkten und den Ökobilanzen.

Damit das Ganze leichter und direkt vergleichbar wird, haben sich die Macher der Wanderausstellung «Graue Energie und graue Emissionen pro m2 Baustoff» für die Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich daran gemacht, die Materialien in üblicher Anwendungsdimension mit ihren Umweltbelastungen zu versehen (siehe Tabelle Seite 17). So lässt sich hinsichtlich des Einsatzes von grauer Energie und der CO2-Emissionen tatsächlich einfach ablesen, was es bedeutet, sich für das eine oder andere Material zu entscheiden.

Wege zum nachhaltigeren Schreinern

Ökobilanzierungen helfen bei der Bewertung von Materialien und Bauteilen, aber auch beim eigenen Agieren. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von digitalen Werkzeugen, mit denen sich Kennzahlen zur ökologischen Bewertung ermitteln lassen. So können konkrete Bauvorhaben mit glaubwürdigen Zahlen dokumentiert werden. Auch vor der Kundschaft kann dies ein Argument für eine bestimmte Variante sein und so als Beratungswerkzeug dienen.

Schreiner brauchen neben Hilfsstoffen und Energie in erster Linie Material für ihre Produkte. Bei der Wahl der Werkstoffe für eine Arbeit werden die Weichen in puncto Ökologie und Nachhaltigkeit gestellt. Denn die Materialisierung entscheidet auch über andere wichtige Parameter wie Konstruktion oder Oberfläche. Daraus wiederum lassen sich charakteristische Eigenschaften wie Wohngesundheit, Reparaturfreudigkeit und Langlebigkeit ableiten. Allesamt wichtige Aspekte für möglichst nachhaltige Arbeiten aus den Werkstätten.

Was Möbel nachhaltiger werden lässt, ist nicht so einfach klar zu benennen. Viele Versuche, den nachhaltigen Möbelkauf zu definieren, klingen ähnlich, wie bei den Lebensmitteln. Neben den kurzen Wegen der Produkte in der Wertschöpfungskette, der Regionalität und der damit einhergehenden fairen Produktion, sollen Möbel frei von problematischen Stoffen sein, sich durch hohe Qualität und damit ein langes Leben auszeichnen. Das vielleicht entscheidende Kriterium dabei und deshalb zu Recht oft an erster Stelle genannt: Das nachhaltige Möbel besteht aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aus echtem Holz, das den genannten Aspekten entspricht.

Wer wenig Geld ausgibt, kauft öfter

Wie lange Möbel genutzt werden, bevor sie im Müll landen – darüber gibt es kaum verlässliche Zahlen. Die Tendenz ist jedoch klar: Wer billig kauft, kauft öfter. Etwa alle fünf Sekunden verkauft Ikea nach eigenen Angaben irgendwo auf der Welt ein Billy-Regal. Und so manches Billigmöbel übersteht noch nicht einmal den ersten Umzug.

Möbel aus Spanplatten zu reparieren, ist kaum sinnvoll, ihre Lebensdauer ist äusserst begrenzt. Ein Umstand, den die Ökobilanzierung nicht berücksichtigt. Deshalb ist es wichtig, den blanken Daten etwas mehr Leben einzuhauchen, indem Aspekte wie Langlebigkeit und Reparaturfreudigkeit einbezogen werden. Mit dem Einsatz von Massivholz und hochwertigen Werkstoffen lässt sich dies sinnvoll umsetzen.

Denn die stoffliche Wiederverwertung der eingesetzten Materialien ist bislang kaum eine praktikable Option. Gerade die wichtigsten Holzwerkstoffe wie Span- und Faserplatten landen in der Verbrennung. Nur ganz wenige Hersteller von Holzwerkstoffen setzen bei der Produktion bislang auf die Wiederverwertung.

www.emmaolbers.comwww.baumuster.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 16. Februar 2023 / Ausgabe 7/2023

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