Sideboard mit Faltfront hat begeistert


Simone Scozzi (rechts) hat für sein Sideboard den Titel «Schreiner Nachwuchsstar 2022» sowie den Opo-Beschlagspreis gewonnen. Patrick Oeschger, der CEO von Opo, gratuliert ihm. Bild: Beat Baschung


Simone Scozzi (rechts) hat für sein Sideboard den Titel «Schreiner Nachwuchsstar 2022» sowie den Opo-Beschlagspreis gewonnen. Patrick Oeschger, der CEO von Opo, gratuliert ihm. Bild: Beat Baschung
An der Messe Holz in Basel haben rund 80 Lernende ihre Möbel beim «Schreiner Nachwuchsstar 2022» ausgestellt. Simone Scozzi holte sich die meisten Publikumsstimmen sowie einen Jurypreis.
Die Besucherinnen und Besucher der Messe Holz in Basel Mitte Oktober waren sich bei der Wahl des «Schreiner Nachwuchsstars 2022» einig. Mit Abstand am meisten Stimmen erhielt Simone Scozzi aus Leimbach AG für sein Sideboard aus amerikanischem und europäischem Nussbaum mit goldfarbenen Scharnieren und Griffen und mit der speziellen mehrteiligen Faltfront. Und zwar deren 123 von insgesamt 1562 Stimmen. Zur Wahl standen 72 Exponate von Lernenden aus der ganzen Schweiz sowie deren 5 aus Süddeutschland. Welche Objekte in Basel ausgestellt wurden, konnte jede Sektion selbst bestimmen. In der Regel waren dies Möbel, die bei Lernendenwettbewerben in den letzten drei Jahren produziert wurden. Deswegen unterschieden sich die Objekte vom Aussehen und den Dimensionen her, da die Vorgaben der Wettbewerbe unterschiedlich waren.
Der 30-jährige Aargauer, der sich im dritten Lehrjahr bei der Jörg Bolliger AG in Gontenschwil AG befindet, war nach der Auszeichnung sprachlos. Inspirieren liess er sich für sein Sideboard auf Instagram von einer amerikanischen Designerin, die ein Exponat mit aufklappbaren Türen herstellte. «Ich wollte etwas Ähnliches, aber Eigenes machen, und gemäss dem Motto des Aargauer Lernendenwettbewerbs, ‹mobili d'oro›, goldige Akzente setzen», beschrieb Scozzi. «Und ich wollte ein querlaufendes Furnierbild.» Für die Frontteile habe er kein CNC-Bearbeitungszentrum benutzt, sondern alles von Hand bearbeitet. «Ich habe Schablonen gemacht und die Streifen mit der Oberfräse ausgefräst und die einzelnen Kanten furniert.» Für das Möbel hat er 238 Stunden investiert – ohne den Aufwand für die Planung mitzurechnen. «Die Idee war, dass stabiles Holz wie ein Blatt Papier aufgeklappt werden kann.»
Scozzi stammt aus dem süditalienischen Apulien, wo er eine Ausbildung als Schiffskapitän absolviert hat. Später hat er in einer Schreinerei gearbeitet und Freude an dieser Arbeit bekommen. «Vor acht Jahren bin ich in die Schweiz gekommen», erzählte er. Nach drei Jahren im Tessin hat es ihn in die Deutschschweiz gezogen. Wegen seiner künftigen Frau sei er schliesslich in den Aargau gezügelt. «Ich wollte in der Schweiz die Schreinerlehre machen und habe einen guten Lehrbetrieb gesucht, der noch aufs klassische Handwerk setzt. So bin ich zur Bolliger AG gekommen», sagte Scozzi.
Dass er nicht nur Schreiner Nachwuchsstar wurde, sondern auch noch den Opo-Beschlagspreis gewann, konnte Simone Scozzi an der Preisverleihung kaum fassen. «Die innovative Lösung der Türöffnung mittels des Soss-Möbelscharniers hat die Jury überzeugt», begründete Patrick Oeschger, CEO der Opo Oeschger AG in Kloten ZH, bei der Laudatio die Wahl. «Trotz der einfachen Form des Sideboards ist der Überraschungsmoment bei der Bedienung der Türen sehr hoch.» Wie ein Blatt Papier lasse sich die Tür über die Achse öff- nen, ohne dass sich die Stabilität der Front verändere. «Ein tolles Beispiel, wie eine Türöffnung neu interpretiert werden kann», lobte Oeschger.
Neben dem Beschlagspreis durften die Teilnehmenden auf eine zweite Auszeichnung hoffen, die eine Expertenjury vergab. Susanne Affolter, Geschäftsführerin der Lamello AG in Bubendorf BL, übergab in Basel den Lamello-Talentpreis. Diesen hat Robin Achermann aus Buttisholz LU (Vogel Design AG, Ruswil LU) mit seinem «Octagon» gewonnen. Die Fachjury hatte dafür die Exponate angeschaut und sich zehn Favoriten ausgesucht. Diese wurden nach folgenden Kriterien bewertet: Originalität/Individualität, Funktionalität, Materialisierung, handwerkliche Verarbeitung sowie der Einsatz von Verbindungsmitteln.
«Der Gewinner hat durch das einmalige Design überzeugt», sagte Affolter. «Das aussergewöhnlich gestaltete Möbel lässt im geschlossenen Zustand seinen vielfältigen Verwendungszweck nicht erahnen.» Die Türen und Schubladen würden mit dem Rest des Korpus, der aus einzelnen Dreiecken besteht, verschmelzen. «Hier war im Vorfeld eine sehr detaillierte Planungsphase nötig, damit alle Winkel korrekt geschnitten werden konnten und der Mix aus zwei verschiedenen Werkstoffen im Bereich der Stossfugen perfekt zusammenpasste.»
Robin Achermann freute sich über die Auszeichnung. Beim Luzerner Lernendenwettbewerb 2022 mit dem Motto «My one and only», für den er das Möbel designt hatte, wurde er schon Dritter. «Ich wollte ein spezielles und aufwendiges Möbel mit einer besonderen Form herstellen», berichtete er. «Der Grundriss ist ein Achteck. Die Form besteht aus total 80 gleichschenkligen Dreiecken. Als Material habe ich amerikanisches Nussbaumfurnier und Platten, die gespritzt wurden, verwendet.» Er habe sich vom «Swiss-Re-Tower» in London von seiner besonderen Form sowie dem Gebäude der Hochschule Luzern mit seiner dreieckigen Fassade inspirieren lassen, erzählte der 20-Jährige, der im Sommer seine Lehre bei der Vogel Design AG in Ruswil LU abgeschlossen hat und weiterhin dort arbeitet. «Im 3D-CAD konnte ich dann die Form entwickeln. Die Schublade zu integrieren, war auch knifflig.»
Das «Octagon» umfasst neben einer Schublade und Regalen eine ausziehbare Bar und dient als Sideboard. «Bis ich von Zuhause ausziehe, steht das Möbel im Wohnzimmer meiner Eltern, wo man es von drei Seiten betrachten kann», sagte Achermann.
Tobia Inniger aus Wimmis im Berner Oberland hatte an der Siegerehrung ebenfalls Grund zur Freude. Er holte sich mit seinem Töggelikasten bei der Publikumswahl mit 88 Stimmen den zweiten Rang. Der 17-Jährige befindet sich im dritten Lehrjahr. bei der Gafner Creaktiv AG in Erlenbach im Simmental BE. «Mein Berufsbildner hat mich dazu animiert, ein Möbel für den Freizeitwettbewerb herzustellen», erzählte er. «Bei der Durchsicht der Möbelgalerie von vor drei Jahren ist mir ein Töggelikasten aufgefallen und hat mir gefallen. Da ich gerne spiele, wollte ich selber einen produzieren.» Die Planung sei relativ komplex gewesen und er habe doppelt so viel Zeit investiert als gedacht. Ohne Planung waren es 205 Stunden. «Ich habe dafür eine Woche Ferien geopfert. Aber es hat Spass gemacht und ich habe viel gelernt», sagte Inniger. Es seien ihm zum Glück sehr wenige Fehler unterlaufen. Verarbeitet hat er Ahorn und Nussbaum.
Inniger freute sich, den Töggelikasten nach der Messe in sein Zimmer zu stellen und endlich das erste Mal damit zu spielen. «Ich wollte ihn für die Ausstellung schonen. Denn wenn, dann spielen wir mit einem normalen und keinem weichen Ball. Wenn es nicht knallt beim Spielen, macht es keinen Spass.» Er kann sich vorstellen, das Objekt zu einem späteren Zeitpunkt einer Familie mit Kindern zu schenken, wo er oft gebraucht wird. «An wen ich diesen geben werde, weiss ich aber noch nicht. Damit lasse ich mir Zeit.»
Den Gästepreis für das Objekt aus Süddeutschland mit den meisten Publikumsstimmen, gesponsert von Festool, durfte bei der Siegerehrung Luca Poletti von der Schreinerei Dirk Schinker in Merzhausen (D) entgegennehmen.
Die Nachwuchsstar-Möbel haben an der Messe Holz sehr viele Besucherinnen und Besucher angezogen und fasziniert. Viele verweilten lange und hätten am liebsten bei jedem Objekt die Schubladen und Türchen geöffnet. Um noch ein paar tolle Möbel mehr zu zeigen, werden unten vier zufällig ausgewählte Exponate mit ihren Macherinnen und Machern stellvertretend für alle anderen vorgestellt. Hier geht es zur Bildergalerie aller Ausstellungsstücke.
Das Sideboard von Jonas Föhn aus Steinen SZ mit seinen Schrägen und dem besonderen Mittelstück mit Kupferlack fiel in der Möbelausstellung auf. «Für den Lernendenwettbewerb des VSSM Schwyz hatte ich mir viele Gedanken und Skizzen für ein mögliches Objekt gemacht. Dann hat mich ein Kollege angerufen und gesagt, dass er einen Kirschbaum aus seinem Garten für mich hätte», erzählte der 20-Jährige. «So bin ich zu diesem wunderbaren Holz gekommen.» Das Problem war, dass der Stamm nur ein Meter breit war. «Ich musste also einen Weg finden, um das Möbel damit herzustellen.» Das Thema des Wettbewerbs lautete: «Genial gelöst.»
Die Idee für ein Sideboard mit den Dreiecksformen hatte er ziemlich schnell. «Oben läuft das Holz allerdings nicht durch, das Stück war zu kurz. Deswegen habe ich es mit dem Mittelteil kaschiert», beschrieb Föhn. Den Plan mit dem Kupferlack hatte er nach dem Oberflächen-ÜK, bei dem ein Vertreter von Adler verschiedene Varianten gezeigt hatte. Die Produktion des Objekts verlief gut, wie der Schwyzer erzählte. «Bei der linken Schublade wurde allerdings das Holz wieder knapp und ich musste etwas pröbeln und ein Rädli einbauen, damit es die Schublade gerade drückt.» Das Sideboard steht nun bei ihm zu Hause im Wohnzimmer. Jonas Föhn hat seine Ausbildung diesen Sommer abgeschlossen und arbeitet derzeit weiter im Lehrbetrieb, der Koller AG in Ibach SZ, bis er im kommenden Winter in die Rekrutenschule muss.
Lena Affolter hat ein Regal gebaut, das sie individuell anpassen kann. Das Motto des Wettbewerbs «Holz-Art 2022» für die Lernenden im Kanton Solothurn lautete, ein Möbel herzustellen, das sich an eine veränderte Lebens- und Wohnsituation anpassen kann. Mit ihrem Werk hatte sich die 18-Jährige aus Subigen SO, die sich im vierten Lehrjahr bei der Schreinerei Gebr. Frei AG in Deitingen SO befindet, den dritten Platz gesichert. «Gemäss dem Motto habe ich Kisten gemacht, die ich unterschiedlich zusammenstecken kann», erzählte sie an der «Holz». Sie könne also ein oder zwei Möbel daraus machen und dieses könne hoch oder breit sein, je nach Situation.
«Im Furnierkeller meines Lehrbetriebs hatten wir noch dieses wunderschöne Kirschfurnier. Das alleine wäre aber irgendwie zu viel gewesen. Da ich wollte, dass sich ein ganzes Bild ergibt, habe ich die Idee eines Kollegen umgesetzt.» Dieser schlug vor, dass sie hinten Einleimer aus grünen MDF-Platten machen könnte, und sie diese so fase, dass die grünen Kanten hervorkommen.
In der Rückwand hat Lena Affolter Druckfedern eingebaut, damit man einfach drücken, diese rausnehmen und anders zusammensetzen kann. Da ihr Lehrbetrieb kein CNC-Bearbeitungszentrum besitzt, habe sie alles in einzelnen Schritten produzieren müssen. «Ohne Planung habe ich gut 120 Stunden investiert. Ich habe den Aufwand unterschätzt und die Zeit wurde etwas knapp», sagte sie. Sie sei sehr erfreut darüber, wie das Möbel herausgekommen sei. «Es kommt nun ins Wohnzimmer.»
Für den Freizeitwettbewerb des VSSM des Kantons Bern, an dem angehende Schreinerinnen und Schreiner vom zweiten bis vierten Lehrjahr teilnehmen durften, hat Marcel Nyffeler aus Oberönz BE eine Vitrine hergestellt. Das Objekt musste dem Ausbildungsstand entsprechen, liess den Lernenden aber sehr viel Freiraum für ihre Kreativität. «Es durfte einfach nicht über drei Meter gross sein», erzählte er. «Die Vitrine steht sonst in meinem Schlafzimmer und dient zugleich als Nachttisch. Dafür habe ich die Aussparung unten eingeplant, damit ich dort den Wecker reinstellen kann.» Für das Objekt hat der 20-Jährige Eichenholz verwendet. Die Front sei massiv, der Rest aus Spanplatten, die er furniert habe. Unten hat er noch eine lackierte MDF-Platte verwendet.
«Als ich das passende Eichenbrett gefunden hatte, kamen unter dem UV-Licht die Wurmlöcher zum Vorschein. Diese sehen jedoch noch schön aus und machen das Möbel zu einem Unikat», findet er. Wie viel Zeit er genau aufgewendet hat, weiss Nyffeler nicht. «Ich denke zwischen 40 und 50 Arbeitsstunden.» Der Berner ist sehr zufrieden mit seiner Vitrine.
Diesen Sommer hat er seine Ausbildung abgeschlossen und ist weiterhin in seinem Lehrbetrieb, der Schreinerei Schmid AG in Oberönz, angestellt. «Ich habe einen kurzen Arbeitsweg, was sehr angenehm ist.» Wie seine Zukunftspläne aussehen, kann Nyffeler noch nicht sagen. «Ich möchte nun einfach mal arbeiten und schaue dann weiter.»
Lukas Trüssel aus Grosswangen LU hat die Planung für sein Möbel mit dem Muster in der Mitte angefangen. «Das ist ein Kumiko und kommt aus Japan. So eines hatte ich auf YouTube entdeckt und wollte selbst eines herstellen», erzählte der 20-Jährige. «Die Informationen fand ich aber nur auf Englisch, doch ich habe mich durchgekämpft, da es mich wirklich interessierte.» Für die Produktion des Musters hatte er einen separaten Schlitten für die Tischfräse angefertigt.
Sein Sideboard sollte rund sein, weil es optisch sehr schön sei und es schräge Varianten sehr häufig gebe. «Die runden Öffnungen waren eine Herausforderung. Mein Berufsschullehrer hat mich dabei unterstützt, auch bei den Beschlägen», sagte Trüssel. Das Schwierigste sei gewesen, dass am Schluss alles zusammenpasste. Es war wichtig, sich genug Zeit zu nehmen. Investiert hat er rund 300 Arbeitsstunden, ohne die Planung gerechnet. Verwendet hat der Luzerner Nussbaumholz, weil es ihm sehr gut gefällt und edel wirkt. «Mir war zudem wichtig, dass ich das Möbel individuell nutzen kann.» Er hat es «Minarai» getauft und freut sich über das Ergebnis. «Es gibt aber kleine Fehler, die mich etwas ärgern. Ich bin eben ein Tüpflischisser», sagte er.
Beim Lernendenwettbewerb «Art in Wood 2022» der Luzerner Schreiner hat er mehrere Auszeichnungen abgeräumt, auch den Gesamtsieg. «Das war unerwartet.» Trüssel ging nach seinem Lehrabschluss diesen Sommer zur Schweizer Armee und wird danach in seinen Lehrbetrieb, die Bühlmann AG in Nottwil LU, zurückkehren.
1. Simone Scozzi, Leimbach AG (Lehrbetrieb Jörg Bolliger AG, Gontenschwil AG): 123 Stimmen. 2. Tobia Inniger, Wimmis BE (Gafner Creaktiv AG, Erlenbach im Simmental): 88. 3. Aurelio Ehrbar, Scharans GR (TM Schreinerei, Zillis GR): 66. 4. Nadine Brülisauer, Brülisau AI (Koch Möbelhandwerk AG, Gonten AI): 64. 5. Elia Wettstein, Gerlikon TG (Schreinerei Fehlmann AG, Müllheim TG): 59. 6. Severine Moser, Trubschachen BE (Schreinerei Eichenberger GmbH, Trub BE): 57. 7. Robin Achermann, Buttisholz LU (Vogel Design AG, Ruswil LU): 54. 8. Valentin Länzlinger, Mosnang SG (Scherrer Holzbearbeitung GmbH, Lütisburg-Station SG): 53. 9. Loïc Theurillat, Courrendlin JU (Menuserievoisard.ch Sarl, Vicques JU): 50. 10. Jonas Föhn, Steinen SZ (Koller AG, Ibach SZ): 45. Insgesamt wurden 1562 Stimmen abgegeben.
Veröffentlichung: 03. November 2022 / Ausgabe 44/2022
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