Silber für Reto Ettlin

Reto Ettlin (l.) holte an den World Skills Silber. Mirco Signer erhielt ein Diplom. Bild: Raphael Hünerfauth

World skills 2015. Reto Ettlin hat in der Kategorie Massivholzschreiner die Silbermedaille gewonnen. Mirco Signer verpasst trotz guter Leistung einen Spitzenplatz. Beide wurden nach ihrem WM-Abenteuer von vielen Fans in Zürich herzlich empfangen.

Kaum öffnet sich die Tür an der Tramhaltestelle Fernsehstudio, hört man schon die Kuhglocken. Blickt man in jene Richtung, von der das Gebimmel herkommt, entdeckt man eine rote Menschentraube, viele Plakate mit Glückwünschen und Schweizer Fahnen ragen in die Höhe. Es ist Mittwochabend in Zürich Oerlikon, kurz davor ist das Schweizer WM-Team in Kloten gelandet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der World Skills haben einen mehrstündigen Flug über den Atlantik hinter sich. Freunde, Verwandte und Bekannte sind zum Fernsehstudio Leutschenbach von SRF gepilgert, wo sie es kaum erwarten können, ihre WM-Helden in die Arme zu schliessen und ihnen zu gratulieren.

Herzlicher Empfang

Das Studio 1 ist proppenvoll. Moderatorin Linda Fäh heizt die Menge nochmals richtig an, bevor dann endlich die WM-Teilnehmer mit ihren Expertinnen und Experten unter tosendem Applaus und lautem Kuhglockengebimmel auf der Bühne erscheinen. Das ist ein sehr emotionaler Moment für die jungen Berufsleute wie auch für die Angehörigen. Hier und da kullert ein Tränchen über die Wangen. Immer wieder muss Linda Fäh die Fans auffordern, ihre Plakate nicht allzu lange in die Höhe zu halten, da sie die Sicht der Kamera verdecken. Die Willkommensfeier wird live auf dem Internetkanal von Swiss Skills übertragen. Die 40 Kandidatinnen und Kandidaten stehen in Reih und Glied. In der Mitte warten Mirco Signer und Reto Ettlin, bis sie mit ihren Experten aufgerufen werden.Mirco ist die Enttäuschung über den neunten Rang anzusehen. Dem zweifachen Schreiner-Schweizermeister war während der vier Wettkampftage kein gravierender Fehler unterlaufen, und doch hat es nur für Rang 9 gereicht. «Ich bin nicht ganz glücklich mit dem Ergebnis», sagt er dann auch. «Die Spitzengruppe bei den Möbelschreinern war sehr eng beieinander. Am Schluss haben winzige Details entschieden. Jeder wusste, dass es sehr knapp werden würde.» Mit Österreich, Grossbritannien, Italien, Ungarn und Korea teilten sich fünf Nationen den ersten Platz. Taiwan sicherte sich Bronze. Bei den Massivholzschreinern war die Spitzengruppe viel kleiner. Reto Ettlin hatte während des Wettkampfes nie das Gefühl, dass er zuvorderst dabei sei. «Besonders der dritte Tag lief bei mir nicht optimal. Die Konzentration liess nach den beiden intensiven ersten Tagen deutlich nach. Zum Glück hat mich mein Experte, Roger Huwyler, immer wieder motiviert, nicht aufzugeben und die Sache durchzuziehen», erzählt Reto dankbar.

«Doofer Schnitzer»

In der Kategorie Massivholzschreiner musste sich Reto gegen 21 Konkurrenten und eine Konkurrentin behaupten. Während des Wettkampfs galt es, zwei Objekte abzuliefern: einen Rahmen mit Bogenelement und zwei schrägen Sprossen sowie einen Hocker. Die Masse des ersten Objekts waren bei Reto ausgezeichnet. Beim Bauen des Hockers hatte der 20-jährige Obwaldner etwas mehr zu kämpfen. «Das Tropenholz, mit dem wir arbeiten mussten, hat ölige Eigenschaften, das bereitete mir am vierten Tag beim Verkleben aller Elemente etwas Mühe. Zudem passierte mir noch ein doofer Schnitzer beim Kehlen.» Gereicht hat es trotzdem für Silber. Den zweiten Platz teilte Reto mit Frankreich, Korea und dem Gastgeberland Brasilien. Mirco Signer musste bei den Möbelschreinern gegen 25 Konkurrenten antreten und nach den vier Wettkampftagen ein Möbel mit Schubladen und zwei Türen abliefern.Mirco und Reto haben sich mithilfe ihrer Experten monatelang auf ihren Einsatz an den World Skills in São Paulo vorbereitet. Rückblickend würden beide nichts ändern und nochmals das gleiche Vorbereitungsprogramm absolvieren. Zwischendurch habe es während des Wettkampfs zwar eine kleine Justierung am Arbeitsplan gebraucht, damit zeitlich alles aufging, aber sonst seien sie perfekt vorbereitet gewesen, sagen Mirco und Reto übereinstimmend.

Einmaliges Erlebnis

Für die beiden Schreiner war die Berufsweltmeisterschaft ein unvergessliches Erlebnis. Nicht nur, weil sie sich in ihren Kategorien an den Besten der Welt messen konnten, sondern auch, weil beide zum ersten Mal in Brasilien waren. Das fünftgrösste Land der Welt hat Mirco und Reto sehr beeindruckt. «Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist schon gewaltig», sagt Mirco. «Die Menschen ticken anders als in der Schweiz. Brasilianer habe ich als stets freundlich und gemütlich, aber auch etwas unpünktlich kennengelernt.» Dem stimmt Reto zu: «Die Leute dort sind sehr offen und sprühen von Lebensenergie, dafür braucht es viel Geduld mit ihnen. Aber am Wettkampf war zum Glück alles sehr gut organisiert.» Nun, wie geht es weiter mit den beiden Topschreinern? Reto wird noch rund ein Jahr arbeiten, anschliessend die Rekrutenschule und dann berufsbegleitend die Berufsmatur absolvieren. Der 18-jährige Mirco wird das letzte Lehrjahr nachholen und die Lehre abschliessen. Was danach kommt, ist noch offen.

www.swiss-skills.ch

MS

Veröffentlichung: 03. September 2015 / Ausgabe 36/2015

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