Snowboarder der ersten Stunde

Schreiner Christian Ryser (42) ist leiden-schaftlicher Snowboarder und sammelt historische Boards. Bild: Tobias Kilchör

Als Christian Ryser ein Kind war, stand das Snowboard noch vor dem grossen Durchbruch. Er schipperte schon damals mit einem Brett über die Piste. «Unsere ersten Snowboards bauten mein Bruder und ich in der Schreinerwerkstatt unseres Vaters. Damals wussten wir noch gar nicht, dass es so etwas tatsächlich gibt – und darum waren das auch eher Skateboards für den Schnee», erinnert sich Ryser lachend. Von seinem Wohnort in Vechigen-Boll bei Bern fuhr er damals in kleine Skigebiete. «Dort waren wir Exoten. Aber wir heimsten Beachtung und Bewunderung ein.» Das war zu jener Zeit nicht selbstverständlich – in grösseren Skigebieten war es Snowboardern oft verboten, Lifte und Pisten zu benutzen. «Boarden bedeutete für uns Freiheit. Wir fühlten uns wie Rebellen», sagt der Schreiner. Die Bretter, die er in den Anfängen fuhr, hatten nichts mit den heutigen Hightechgeräten zu tun. Gerade Snowboardschuhe waren in der Schweiz lange nicht erhältlich. Deshalb fuhr Ryser zunächst mit harten Wanderschuhen. Obwohl der 42-Jährige mittlerweile schon über 30 Jahre Snowboard fährt, ist es ihm nicht verleidet. «Ein Umstieg auf Carvingski stand nie zur Diskussion», sagt er. «Dafür liebe ich das Boarden viel zu sehr.» Es sei das Schweben auf dem Schnee, das ihn immer noch mitreisse. Deshalb fährt er besonders gern im Tiefschnee.

Doch seit um die Jahrtausendwende immer bessere Freeride-Skier entwickelt wurden, ist er beim Powdern seltener alleine. Aus diesem Grund unternimmt er heute regelmässig Touren mit dem Splitboard, einem Snowboard, das sich in einfache Tourenskier für den Aufstieg teilen lässt. Aber auch das Fahren auf der Piste habe seinen Reiz. Mit dem Brett könne man besser das Gelände nutzen und immer wieder Tricks in eine Fahrt einbauen. «Ich finde es viel gemütlicher als Skifahren – es hat immer etwas Verspieltes. Und ich kann komplett abschalten», sagt Ryser.

Freestyle-Parks und Halfpipes interessieren ihn nur wenig. «Als Jugendliche bauten wir selbst Kicker, doch irgendwann ist man dafür zu alt.» Ryser ist oft auf dem Board – wenn möglich jedes Wochenende. Nicht selten steht er an verschneiten Wintertagen frühmorgens als erster an der Gondel – damit er am Mittag schon wieder zurück im Geschäft ist. Je nach Lust und Laune greift er sich dann eines seiner fünf Boards – oder gar ein historisches Modell aus seiner Sammlung. Mit Gleichgesinnten hat er das Snowboardmuseum.ch gegründet. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von privaten Sammlern, die ihre historischen Boards der Öffentlichkeit zugänglich machen. Der Familienvater besitzt insgesamt rund 60 alte Bretter. Sein ganzer Stolz ist ein Burton Backhill aus dem Jahr 1980.

Jeden Frühling fährt er nach Stuben am Arlberg (A) zum Longboard Classic, dem «Woodstock of Snowboarding». Aber auch im Sommer kommt er vom Brett nicht los, man trifft ihn beim Wakesurfen an, wenn er nicht gerade beim Mountainbiken oder beim Schwimmen in der Aare ist. Seit Christian Ryser als Kind sein erstes Board baute, sind noch mehr Eigenfabrikate dazugekommen. Heute bietet der Schreinerbetrieb, den er seit 2012 in dritter Generation gemeinsam mit seinem Bruder führt, mit der Bündner Manufaktur Enlain Ski- und Snowboardbaukurse an. Sie passen zur Firma.

Die Rysers veranstalten regelmässig Events und Kurse im Ausstellungsraum. «Das macht riesigen Spass – und bringt auch neue Kundschaft», sagt Christian Ryser mit einem gewinnenden Lachen.

«Boarden bedeutete für uns Freiheit. Wir fühlten uns wie Rebellen.»

fg

Veröffentlichung: 07. März 2019 / Ausgabe 10/2019

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