Spürbar hörbar

Die Mikroperforation in den verbauten Paneelen, Schranktüren und Wandverkleidungen ermöglicht ein durchgängiges Furnierbild. Bild: Akustikform GmbH

Raumakustik.  Verdichtetes Bauen lässt Menschen immer mehr zusammenrücken. Dies führt zu grossen Herausforderungen im Bereich der Akustik. Der Trend hin zu ständig grösseren Beton- und Glasflächen verlangt vom Schreiner innovative Lösungen in der Schalldämmung.

Man kennt es: Das anfangs gemütliche Beisammensein im Restaurant wird zunehmend unangenehmer, gestört durch den wachsenden Lärmpegel. So passt man automatisch seine Stimme an und spricht lauter. Kommunizieren gleichzeitig mehrere Personen in einem Raum, kommt es zum gegenseitigen «Aufschaukeln» und zu einem deutlichen Anstieg der Gesamtlautstärke. Je stärker der Raum hallt, respektive je schlechter die Akustik ist, desto schlechter auch die Sprachverständlichkeit. Hier spricht man vom «Lombard-Effekt». Benannt nach dem französischen Wissenschaftler Étienne Lombard (1868–1920), bezeichnet der Effekt die Beobachtung, dass ein Sprecher bei vorhandenem Hintergrundlärm seine Lautstärke und üblicherweise auch seine Tonlage erhöhen muss.

Spiegelprinzip

Harte und glatte Materialien wie Beton, Glas, Holz oder Metall sind bei Architekten und Bauherren sehr beliebt. Diese Baustoffe weisen aber aufgrund ihrer Beschaffenheit eine schlechte Schalldämpfung auf. Sie absorbieren den Schall schlecht und werfen ihn ähnlich zurück wie ein Spiegel das Licht. Hallt der Schall zu lange nach, so überdeckt der reflektierte Schall das nachfolgende Sprachsignal und erschwert so die Verständigung. Um solchen Problemen entgegenzuwirken, ziehen Architekten gemäss Kurt Heutschi, Akustiker bei der Empa, bei der Planung grösserer Projekte üblicherweise Bauphysiker hinzu.

Um die Raumakustik zu verbessern, können schallabsorbierende Materialien wie perforierte Paneele, Vorhänge, Teppiche oder Schaumstoffe eingesetzt werden. Diese helfen, die Schallreflexion zu mindern. Dabei geht die Energie nicht einfach verloren, sie wird unter anderem in Wärme umgewandelt. Entscheidend ist die korrekte Platzierung der Akustikelemente.

«Typischerweise wird in einem Klassenzimmer nicht die ganze Decke mit Elementen abgedeckt, da sonst die hintersten Schüler den Lehrer nicht mehr verstehen würden», erklärt Heutschi. «Es braucht reflektierende Abschnitte im mittleren Bereich, damit das Gesprochene auch die weiter entfernten Schüler erreicht.» Um Flatterechos zu vermeiden, könnten an der Rückwand eines Zimmers zusätzlich Absorber angebracht werden, führt er weiter aus. Flatterechos entstehen dann, wenn sich die sprechende Person zwischen zwei oder mehr schallharten Flächen befindet.

Auf den Tonbereich abgestimmt

Eine angenehme Raumakustik ist von verschiedenen Faktoren abhängig, hauptsächlich aber von der Schallabsorption und der Schallreflexion. Poröse Materialien wie Mineralfaserplatten, offenporige Schaumstoffe, schwere Textilien oder dicke Teppiche sind ideale Schallabsorber im Mittel- und Hochtonbereich. Resonanzabsorber wie Gipskartonplatten, Spiegel oder Techniken, mit offenen Schlitzen oder Löchern versehen, sind schwingungsfähige Systeme und können den Schall insbesondere in tieferen Frequenzen schlucken.

Flexible Lösung

Grosse Fensterfronten und Grossraumbüros, wie sie heute üblich sind, erfordern neue und flexible Lösungen. Eine gute Möglichkeit bieten hier Akustikvorhänge.

«Akustikvorhänge werden an Bedeutung gewinnen», ist Heutschi überzeugt. «Ihr gros-ser Vorteil ist, dass sie keine permanente Installation sind.» Die Vielseitigkeit eines Akustikvorhangs zeichnet sich nebst der flexiblen Lösung dadurch aus, dass er sich als Raumtrenner auch makellos ins Raumdesign einfügt. Die Firma Akustikform mit Sitz in Flurlingen ZH hat mit dem Produkt Maxflex einen dreilagigen Schallschutzvorhang in einer grossen Auswahl an Stoffen und Farben im Sortiment.

Der mehrschichtige Aufbau, welcher aus einer Mittellage Kautschukfolie und einem darüberliegenden Stoff besteht, absorbiert den Schall. Dies garantiert in Grossraumbüros eine gute Akustik.

Unsichtbare Schallschlucker

Für den Schreiner sind Akustikpaneele interessant, die an Decken und Wänden verdeckt montiert werden können. Die Akustik & Raum AG in Olten SO bietet mit Feinmikro ein vielseitiges Produkt an, das in Form von Platten oder Paneelen erhältlich ist. Die rasterlose Feinst-Perforation garantiert eine mühelose Planungsstruktur. Der Vorteil dabei: Durch die Mikroperforation besteht ein unsichtbarer Hochleistungs-Absorber in allen Frequenzbereichen, was von Akustikern erwünscht ist. Die praktisch unsichtbare Perforation bietet eine grosse Gestaltungsvielfalt und ermöglicht nebst einer Bildabwicklung im Furnierbereich sogar den Druck eines 3D-Bildes. Der wohl wichtigste Pluspunkt ist, dass bei solch feinen Lochmustern keine Überlagerungen der Raster, sprich Interferenzmuster, entstehen und bei Videokonferenzen deshalb keine störenden Flimmerbilder zu sehen sind.

Unter der Leitung der Erne AG Holzbau in Laufenburg AG und dem Beizug der Steigmeier Akustik und Bauphysik GmbH in Baden AG wurden in einem Kindergarten in Würenlingen Wandverkleidungen und Schrankfronten mit dem Feinmikro-Produkt verbaut. «Die Herausforderung dabei war, dass der gesamte Innenausbau wie Wandverkleidungen, Schrankfronten, Türbeplankungen und Aufdoppelungen aus dem gleichen Furnier sein musste. Dies verlangte nach einer guten Koordination mit dem Schreiner, welchen wir mit dem passenden Furnier belieferten», sagt Marco Brügger, Verkauf bei Akustik & Raum.

Anderer Ansatz, gleiches Ergebnis

Dass die Schallabsorption nicht zwingend im Hintergrund stehen muss, sondern auch ein ästhetischer Blickfang sein kann, zeigen die Akustikzylinder Lina by Kula der Firma Bellton AG in Kriens LU. Die nachhaltigen und von Hand produzierten Absorber der isländischen Designerin Bryndis Bolladottir bestehen in der äussersten Schicht aus isländischer Schafwolle. Das Naturprodukt hilft, Schadstoffe und Gerüche in der Luft zu neutralisieren und ein gutes Raumklima zu schaffen. Die Akustikzylinder sind selbstreinigend sowie brandschutzgeprüft. Gerade bei hohen, offenen Räumen eignen sie sich hervorragend, um die Schallreflexionen zu schlucken. Gutes Beispiel hierfür ist die Reha-Klinik in Rheinfelden AG: Dort wurden insgesamt 48 zylindrische Absorber in drei verschiedenen Längen montiert. Deckenhängend an Stahlseilen, wurden diese mithilfe eines Lasers genau positioniert und angebracht. Dem Kunden wurde vorab eine Visualisierung präsentiert, was für ihn ein Muss war, um sich die Lösung vorstellen zu können. Ein weiteres, für den Schreiner interessantes Produkt bietet die Bellton AG mit dem Halbfabrikat Echoboard an. Die in 12 oder 24 mm erhältlichen Absorberplatten bestehen aus rezykliertem PET und können in diversen Farben, auf Mass genau oder in den vorgegebenen Plattendimensionen bestellt werden. Sie sind leichtgewichtig, einfach zu schneiden und zu montieren. Mittels Kontaktsprühkleber lassen sich diese auch gut aufkleben und bilden mit der Trägerplatte somit eine gute Absorptionsmöglichkeit.

So durfte die Bellton AG die Karl Bucher AG in Goldau SZ mit der Echoboard beliefern. Die Schreinerei konnte in einem Grossraumbüro in Rothenburg LU mithilfe der weiss durchgefärbten Echoboard die Raumakustik markant verbessern. Dies, indem vorderseitig auf die produzierten Schrankfronten die unauffälligen Echoboard aufgedoppelt wurden.

www.akustikform.chwww.akustik-raum.comwww.bellton.ch

Fachbegriffe

Was ist was?

Luftschall breitet sich durch die Luft aus und wird vom Menschen oder Tier erzeugt. Feste Materialien wie schallharte Oberflächen reflektieren den Luftschall.

Körperschall ist der Schall, welcher sich in einem Festkörper ausbreitet. Diese Vorgänge können bei Erdbeben oder auch bei Übertragungen von Schwingungen in Gebäuden, Fahrzeugen, Maschinen festgestellt werden.

Trittschall ist eine besondere Form von Körperschall. Auch bei haushaltüblichen Gegenständen wie Waschmaschinen oder Lüftungsgeräten spricht man von Trittschall.

Raumakustik beschreibt die akustischen Eigenschaften eines Raumes, wenn sich die Schallquelle innerhalb eines Raumes befindet.

Bauakustik befasst sich mit der Schallübertragung zwischen zwei Räumen bzw. zwischen Innen- und Aussenraum.

Nachhallzeit gibt die Zeitdauer an, welche die Schallquelle benötigt, um nicht mehr hörbar zu sein.

Schalldämpfung ist die Behinderung der Schallausbreitung durch Absorption und hat nichts mit der Schalldämmung zu tun. Sie ist das Hauptthema der Raumakustik: Mithilfe von Schalldämpfstoffen wird die Nachhallzeit verkürzt und die Akustik verbessert.

Schalldämmung bezeichnet die Fähigkeit eines Bauteils, den Schalldurchgang zu unterdrücken. Schwere Materialien wie zum Beispiel Beton führen zu einer hohen Schalldämmung, leichte Materialien weisen eine geringe Schalldämmung auf.

Michi Läuchli, mL

Veröffentlichung: 26. Mai 2022 / Ausgabe 21/2022

Artikel zum Thema

29. Februar 2024

Grosses Kino unterm Dach

Typisch britisch.  Den Dachausbau einer Villa in Burgdorf BE hat die Schreinerei Werthmüller ganz nach dem persönlichen Geschmack des Bauherrn umgesetzt. Das Heimkino und die Bibliothek sind geprägt durch britische Stilelemente, allen voran die Ölfarbe auf profilierten Flächen.

mehr
18. Januar 2024

Optische Entfaltung

Ladenbau.  Unweit vom Zürcher Paradeplatz erstrahlt das frisch renovierte Optikerfachgeschäft Zwicker zum 175-Jahr-Jubiläum in neuem Glanz. Der sanfte Umbau aus Schreinerhand im denkmalgeschützten Gebäude verbindet dabei geschickt Tradition mit einer Weltneuheit.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Umbauen