Start in ein neues Leben

Patrik Arnold (26) hat den Kampf gegen die akute myeloische Leukämie gewonnen. Seine ehemalige Klasse hat ihm ein Bild ans Spitalbett gebracht. Bild: Caroline Schneider

«Als gleich acht Ärzte ins Behandlungszimmer traten, um mir die Ergebnisse der Blutuntersuchung mitzuteilen, wusste ich, dass es etwas Schlimmes ist», sagt Patrik Arnold. Es waren die drei unheilvollen Buchstaben «AML» für akute myeloische Leukämie. Diese Diagnose erhielt der heute 26-Jährige im März 2016. «In jenem Augenblick ahnte ich noch nicht, welche Wendung mein Leben durch diese drei Buchstaben nehmen würde.» Angefangen hatte alles mit ein paar harmlosen Symptomen wie Müdigkeit, Rückenschmerzen und einer Zahnfleischentzündung. Wer ahnt schon, dass dahinter Leukämie steckt? «Die Ärzte waren überrascht, dass ich noch auf den Beinen stand, denn meine Krankheit war schon weit fortgeschritten», erinnert sich der Schreiner. Nach dem ersten Schock sei der ganze «Gefühlscocktail» hochgekommen. «Das Schwierigste für mich war es, meine Familie und meine Freunde zu informieren.» Der damals 23-Jährige wurde sofort mit der ersten von drei Chemotherapien behandelt. Sieben Tage am Stück hängte man ihn im Zwei-Stunden-Takt an den Tropf. «Da ich eine Hochrisiko-Leukämie hatte, war für die Ärzte klar, dass ich eine Blutstammzell-Transplantation benötigte.» Seine beiden Schwestern kamen als Spenderinnen nicht infrage. Das bange Warten auf einen Spender begann. «Ich musste kämpfen, damit ich nicht in ein Loch fiel», sagt Arnold. Doch er unterbrach die Abwärtsspirale aus eigener Kraft. «Was bringt es mir, wenn ich schwarzsehe und jammere?», fragte er sich und nahm von da an Tag für Tag.

Schlimmer als die Nebenwirkungen war die sterile Abgeschlossenheit von seiner Umwelt. Die Vorsichtsmassnahmen gegen das Auftreten einer Infektion waren streng. «Ich konnte nicht nach draussen gehen, durfte nicht einmal das Fenster öffnen.» Seine Familie und Freunde mussten Schutzmasken und Handschuhe anziehen, wenn sie ihn besuchten.

«Was mir während der 140 Tage im Spital am meisten geholfen hat, war mein soziales Umfeld. Ich fühlte mich keinen Moment alleine.» Der Patient organisierte aus dem Spitalbett heraus eine Blutstammzell-Spendenaktion in Altdorf UR. «Ich stellte fest, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass jeder Blutstammzellen spenden und damit Leben retten kann.» Wenn ein passender Spender gefunden ist, muss er lediglich für die Dauer einer Woche ein Medikament einnehmen, das bewirkt, dass seine Blutstammzellen in den Blutkreislauf gelangen. Anschliessend wird ihm Blut entnommen. Arnolds Aktion wurde ein grosser Erfolg. 400 Menschen haben sich registriert. «Ich bin überzeugt, dass die Solidarität in der Bevölkerung gross ist und auch die Bereitschaft, Blutstammzellen zu spenden. Was es braucht, ist Aufklärungsarbeit», sagt er.

Und dann kam der Tag, an dem ein Spender für ihn selber gefunden wurde. Innerhalb von 48 Stunden musste die Transplantation im Unispital Basel vonstatten gehen. Heute ist der Urner wieder gesund. Er betrachtet die Krankheit als eine wichtige Lebenserfahrung. Die Leukämie ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. «Körperlich bin ich nicht mehr so belastbar, werde schneller müde, brauche Erholung und genügend Schlaf.» Auch sonst hat ihn die Krankheit verändert. «Ich bin dankbarer, sensibler und demütiger gegenüber dem Leben geworden.»

Patrik Arnold strahlt eine angenehme Ruhe und Gelassenheit aus. Die Gratwanderung zwischen Leben und Tod hat ihn gestärkt und reifer gemacht.

«Ich stellte fest, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass jeder Blutstammzellen spenden und damit Leben retten kann.»

cs

Veröffentlichung: 11. Oktober 2018 / Ausgabe 41/2018

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