Tiefe Einblicke


Die neue Studie macht das Befinden bei den Schreinereien und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern messbar. Bild: VSSM
Die neue Studie macht das Befinden bei den Schreinereien und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern messbar. Bild: VSSM
Branchendemografie. Mit welchen Herausforderungen sich die Unternehmen konfrontiert sehen und wie es um die Weiterbildung der Mitarbeitenden steht. Antworten auf diese und weitere Fragen liefert eine neue Studie von VSSM und der Gewerkschaften Unia und Syna.
Die gute Nachricht vorab: Die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Mitarbeitenden der Schreinerbranche sind mit ihrem Arbeitsalltag mehrheitlich zufrieden. Und sie fühlen sich für ihre Aufgaben grösstenteils richtig qualifiziert.
Fragt man die Mitarbeitenden jedoch, wie häufig sie daran denken, den Arbeitgeber oder gar die Branche zu wechseln, entsteht ein nicht mehr ganz so optimistisches Bild. Denn ein Drittel der Befragten denkt gelegentlich oder sogar intensiv darüber nach, dem Arbeitgeber oder der Branche den Rücken zu kehren. Noch alarmierender ist, dass diese Werte seit dem Jahr 2013 deutlich angestiegen sind.
Fast drei Viertel der befragten Mitarbeitenden fordern von der Schreinerbranche der Zukunft mehr Struktur und weniger Stress. Das sind 13 % mehr als noch 2013. Rund 60 % wünschen sich sichere Arbeitsplätze und eine zeitgemässere Infrastruktur. Positivere Langzeitaussichten und bessere Aufstiegschancen sind zwei weitere Aspekte, die mehr als 50 % der Mitarbeitenden als dringende Entwicklungen bezeichnen. Im 2013 lag dieser Anteil noch bei 41 %.
Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten haben sich auch bei der Arbeitgeberwahl zu einem wichtigen Entscheidungskriterium entwickelt. Während 2013 nur knapp die Hälfte der befragten Mitarbeitenden diesen Aspekt berücksichtigt haben, sind es heute bereits drei Viertel.
In der Umfrage wurde zugleich ermittelt, inwiefern im aktuellen Betrieb Kriterien erfüllt sind, die für die Arbeitgeberwahl relevant sind. Erfreulich: Rund 90 % der Mitarbeitenden geniessen ein gutes Arbeitsklima und erfreuen sich eines attraktiven Jobs beziehungsweise eines interessanten Aufgabengebiets. Etwa 80 % schätzen die modernen Technologien, die im Betrieb eingesetzt werden. Die Kehrseite der Medaille: Die Organisation beziehungsweise die Aufgabenteilung ist in den letzten Jahren unklarer, die Arbeitswege sind länger geworden. Ausserdem werden aus der Perspektive der Mitarbeitenden die Arbeitsplatzsicherheit und die Angemessenheit der Entlöhnung abnehmend bewertet.
Noch immer sind Frauen in Schreinereien deutlich in der Unterzahl. Und doch: Unter den Mitarbeitenden lässt sich ein Plus von 12 % feststellen. Aktuell beträgt der Frauenanteil unter den Angestellten 18 %. Bei den Unternehmerinnen und Unternehmern beträgt der Zuwachs hingegen lediglich 2 % und liegt bei total 5 %.
Bei den Arbeitspensen zeigen sich ebenfalls kleine Veränderungen gegenüber 2013. So sind immer noch über drei Viertel der befragten Mitarbeitenden in einem 100%-Pensum tätig, jedoch ist dieser Anteil seit 2013 um ein Zehntel gesunken. Stattdessen sind Teilzeitpensen, insbesondere jene um die 80 % bis 90 %, etwas häufiger anzutreffen.
Fachkräftemangel ist ein Schlagwort, das in der Schreinerwelt immer wieder zu hören ist. Und genau so widerspiegelt es auch die Branchendemografie: Unternehmer haben deutlich mehr Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen als noch 2013. Zwei Drittel der Unternehmer haben Mühe, Stellen von Berufsarbeitern zu besetzen. Bei Kaderstellen stehen rund die Hälfte der befragten Unternehmer vor dieser Herausforderung. Der triftigste Grund ist wie bereits 2013 die unzureichende fachliche Qualifikation der Bewerber. An zweiter Stelle folgen persönliche Eigenschaften wie Charakter, fehlende Sozialkompetenzen oder unpassendes Alter, die eine Anstellung verhindern. Dieser Punkt sorgt insbesondere bei Kaderstellen vermehrt für Schwierigkeiten. Weiter verfügen laut den Unternehmern die Stellenbewerber oft nicht über die nötige Praxiserfahrung. Was der Sache wenig dienlich ist: Nur 46 % der Mitarbeitenden verfügen über eine Stellenbeschreibung. Immerhin sind dies fast 10 % mehr als noch im 2013. Und doch besteht noch viel Luft nach oben. Denn nur, wenn ein Unternehmer weiss, was er sucht, kann er das auch finden.
Die Schwierigkeiten mit der Stellenbesetzung haben vielleicht auch ihre guten Seiten. In den Resultaten der Studie lässt sich eine verstärkte Förderung von internen Mitarbeitenden feststellen. 2013 förderten nur knapp die Hälfte der Unternehmerinnen und Unternehmer Mitarbeitende für Kaderpositionen. 2018 sind es erfreulicherweise bereits zwei Drittel. Zudem sagen über 60 % der Mitarbeitenden, dass ihr Arbeitgeber bereit und in der Lage sei, sie nach einem Diplomabschluss in einer entsprechenden Position weiterzubeschäftigen. 2013 lag dieser Wert erst bei etwas über 40 %.
Auch das ist ein erfreuliches Resultat – und möglicherweise eine Folge der VSSM-Bildungsinitiative 2015 bis 2018: Die Anzahl absolvierter Weiterbildungstage ist seit 2013 deutlich gestiegen, und zwar sowohl bei Unternehmern wie bei Mitarbeitenden. Fast 90 % der Unternehmer und über 60 % der Mitarbeitenden haben in den letzten drei Jahren durchschnittlich mindestens drei Weiterbildungstage besucht.
Und doch folgt ein Aber: Noch immer hat ein Viertel der Mitarbeitenden in den letzten drei Jahren durchschnittlich nur einen Weiterbildungstag absolviert und somit die vom GAV festgelegten drei bezahlten Weiterbildungstage nicht genutzt. Schade, denn Weiterbildung nützt, sagen die Befragten. Fast 80 % der Mitarbeitenden sowie Unternehmer haben in den absolvierten Weiterbildungen wesentliche Impulse für ihre berufliche Weiterentwicklung erhalten. Im Jahr 2013 belief sich dieser Anteil bei den Mitarbeitenden lediglich auf 63 %. Ob insgesamt der Stellenwert der Weiterbildung im Unternehmen grösser geworden ist, ist hingegen nicht ganz klar. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmerinnen und Unternehmer sagt ja. Bei den Mitarbeitenden hat etwas über ein Drittel eine positive Veränderung festgestellt.
Gründe, warum man keine Weiterbildung absolviert, gibt es viele. Am häufigsten nennen die Befragten die Absenz von der Arbeit sowie die hohen Kosten. Der Ausfall am Arbeitsplatz hindert fast 60 % der Unternehmer daran, Weiterbildungen zu absolvieren. Bei den Mitarbeitenden sind es knapp 40 %. Ebenfalls jeweils rund 40 % der Mitarbeitenden und Unternehmer erwähnen die Kosten als Grund gegen eine Weiterbildung. Einem Drittel der Mitarbeitenden fehlt ausserdem die Aufforderung durch den Vorgesetzten. An vierter Stelle sind es die geringen finanziellen Anreize beziehungsweise beruflichen Perspektiven nach absolvierter Weiterbildung, welche die Mitarbeitenden davon abhalten, sich weiterzubilden.
Hier kommen die Unternehmer und ihre Kommunikation mit den Mitarbeitenden ins Spiel. Idealerweise fördern Unternehmer ihre Mitarbeitenden mittels verbindlicher Zielvorgaben und Entwicklungsmassnahmen. Dies unterlassen allerdings 40 % der befragten Unternehmer bis heute. Nur rund ein Drittel der Unternehmerinnen und Unternehmer fördert alle Mitarbeitenden, 17 % fokussiert sich auf Berufsarbeiter und fast ein Zehntel investiert speziell in Kadermitarbeitende.
Damit mehr Unternehmer ihre Mitarbeitenden gezielt fördern, hat der VSSM im Rahmen der Bildungsoffensive das Mitarbeiterförderungstool (MFT) geschaffen. Mit dem Instrument unter der Internetadresse www.mft-vssm.ch erstellen Unternehmer in wenigen Schritten individuelle Mitarbeiterbeurteilungen und Zielvereinbarungen.
Mitarbeitende und Unternehmer führen noch ein Argument gegen die Weiterbildung ins Feld: Rund 25 % der Befragten sagen, dass kein passendes Angebot vorhanden sei. Dieses Ergebnis erstaunt angesichts der vielfältigen Weiterbildungspalette der Schreinerbranche. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die bestehenden Weiterbildungen die Bedürfnisse nicht abdecken oder ob die Angebote schlicht nicht bekannt sind. Doch auch hier bietet der VSSM durch den VSSM-Bildungscoach Unterstützung an. Dabei geht es nicht darum, Weiterbildungen zu verkaufen. Der Bildungscoach steht Unternehmerinnen und Unternehmern beratend zur Seite, wenn es darum geht, die Unternehmens- und Personalentwicklung langfristig zu planen und aufeinander abzustimmen. Die Kosten des Bildungscoachs werden zu je einem Drittel von der Maek und dem VSSM getragen.
Auch die hohen Kosten als Argument gegen eine Weiterbildung erstaunen. Denn Mitarbeitende können von grosszügigen Rückvergütungen durch die Maek, ZPK und bei Diplomausbildungen zusätzlich durch den Bund profitieren. Die Maek- und ZPK-Rückvergütungen sind unter den Mitarbeitenden in den letzten Jahren bekannter geworden. Noch immer kennen aber von den befragten Mitarbeitenden 20 % die ZPK- und 30 % die Maek-Rückvergütungen nicht. Bundesbeiträge für Diplomausbildungen sind sogar bei beinahe 60 % der Mitarbeitenden unbekannt. Unter den Unternehmern ist das Wissen bezüglich Rückvergütungen deutlich besser ausgeprägt. Eine Ausnahme bilden die Bundesbeiträge: Nur knapp die Hälfte der Unternehmer kennen diese.
Eigentlich können Unternehmerinnen und Unternehmer nach wie vor gut den Anforderungen an ihre Tätigkeit entsprechen. Und der betrieblichen Zukunft gegenüber sind sie mehrheitlich positiv eingestellt.
Allerdings hat sich der Anteil Unternehmer, die eher pessimistisch in die Zukunft blicken, seit 2013 von 9 % auf 15 % erhöht. Als grösstes Risiko in Bezug auf die unternehmerische Zukunft betrachten Unternehmerinnen und Unternehmer die ausländischen Mitbewerber. Chancen sehen sie vor allem in der Digitalisierung, bei Normen und gesellschaftlichen Veränderungen (zum Beispiel bei Teilzeitpensen und flexiblen Arbeitszeiten).
Die Fluktuationsrate hat in den Schreinerbetrieben gemäss Angaben der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer leicht zugenommen. Bei zwei Dritteln der Betriebe liegt sie jedoch immer noch unter 5 %. Aus Sicht der Mitarbeitenden zeigt sich ein ähnliches Bild. Sie sind gemäss eigener Angaben weniger lang in derselben Funktion und beim gleichen Arbeitgeber tätig. Rückgängig ist zudem die Anzahl Mikrobetriebe mit 1 bis 9 Mitarbeitenden. Dagegen sind Betriebe mit 20 und mehr Mitarbeitenden häufiger vertreten.
Im Vergleich zu den Resultaten von 2013 zeigt die aktuelle Auflage der Branchendemografie einige erfreuliche, aber auch einige alarmierende Ergebnisse. Mit der Bildungsinitiative konnte der VSSM Impulse für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Branche setzen, und er stellt entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung. Mit dem Legislaturprogramm 2019 bis 2022 setzt der VSSM dieses Engagement fort. Schliesslich liegt es aber an jedem einzelnen Unternehmer und an den Mitarbeitenden selbst, die betriebliche beziehungsweise die berufliche Zukunft in die Hand zu nehmen.
www.vssm.ch/verband/zahlen-faktenwww.mft-vssm.chBei der Branchendemografie handelt es sich um eine Umfrage zu personellen Themen in Schreinereien. Sie wurde erstmals 2013 durchgeführt, für die zweite Ausgabe sind die Daten im Laufe des Jahres 2018 erhoben worden. VSSM, Unia und Syna sind die Auftraggeber der Studie. Rund 2700 Unternehmer in der deutschsprachigen Schweiz wurden von der Zentralen Paritätischen Berufskommission Schreinergewerbe (ZPK) angeschrieben. Die Unternehmer wurden aufgefordert, den Fragebogen an ihre Mitarbeitenden weiterzuleiten. Es resultierte ein Rücklauf von rund 14 % bei den Unternehmern (401 Antworten) und 3 % bei den Mitarbeitenden (415 Antworten).
Veröffentlichung: 20. Dezember 2019 / Ausgabe 51-52/2019
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