Unikate für die Piste

Bild: Christian Ryser In einem Wochenende bauen die Teilnehmer ihr Wunschbrett oder ihre Traumskis.

Workshop.  Skis und Snowboards selbst bauen, das kann jeder – sofern er dabei fachkundige Unterstützung hat. Die Schreinerei Ryser AG führte zum zweiten Mal gemeinsam mit den Bündner Ski- und Snowboardbauern von Enlain einen Kurs durch. Ein Augenschein.

Es wird fleissig gearbeitet an diesem Samstagnachmittag im Februar in Vechigen nahe der Stadt Bern. Es wird gemurmelt, gefachsimpelt, irgendwo wird geschliffen, andernorts wird geschimpft, hinten im Produktionsraum der Ryser AG kreischt eine Kreissäge. Schon seit dem frühen Morgen werkeln acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ski- und Snowboard-Workshops der Bündner Manufaktur Enlain am Sportgerät, das sie am Sonntagabend in den Händen halten wollen.

Bretter für jeden Zweck

Schicht um Schicht entstehen Snowboards oder Skis – und jeder einzelne Schritt braucht seine Zeit. «Das Spezielle ist bei diesem Kurs, dass wir vieles selbst produzieren», erklärt Christian Ryser. So etwa das Deckblatt. «Und auch beim Kern schleifen wir das Profil selbst», sagt der Schreiner, der den Kurs gemeinsam mit zwei Kursleitern von Enlain und seinem Bruder Michael Ryser durchführt. Die Teilnehmer mussten sich zu Kursbeginn zunächst entscheiden, wofür sie ihre Skis oder Snowboards nutzen wollen. Form und Materialbeschaffenheit hängen nämlich stark davon ab, ob die Bretter schliesslich auf der Piste oder im Gelände zum Einsatz kommen. Wer zum Beispiel powdern will, braucht Board oder Skis mit viel Auftrieb.

Wer schnittig auf der Piste unterwegs ist, muss vor allem darauf achten, dass die Skis hart und schön tailliert sind. «Heute macht die grosse Mehrheit der Kursteilnehmer Skis, am liebsten gut fahrbare Carving- oder Allroundskis», sagt Ryser. Er selbst ist Snowboarder der ersten Stunde und fertigt an diesem Wochenende ein Freeride-Board.

Knifflige Kantenarbeit

Ausgehend von variablen Formen aus MDF-Platten schneiden die Teilnehmer zunächst mit einer Oberfräse den Belag aus Polyethylen zu. Für den Ski- und Snowboardbau verwendet Enlain stets den ultrahochmolekular gesinterten P-Tex-Belag.

«Dieses hochspezialisierte Produkt aus dem Ski- und Snowboardbau läuft im Schnee deutlich besser als ein herkömmlicher Kunststoffbelag», erklärt Marco Steiner von Enlain. Danach – und das ist die erste Geduldsübung – gilt es, die Kanten am Belag zu befestigen. Die gehärteten Stahlkanten, welche extra für den Ski- und Snowboardbau fabriziert werden, müssen Zentimeter für Zentimeter mit einer Zange gebogen und an den Belag angebracht werden.

«Das ist möglicherweise die kniffligste Übung bei der Entstehung eines Boards», so Christian Ryser.

Während die einen Teilnehmer sich noch lange an den Kanten abmühen, können andere an diesem Nachmittag bereits den rund 15 Millimeter dicken Kern aus Eschen- oder Pappelholz in Angriff nehmen. Er wird grob zurechtgeschnitten und auf der Breitbandschleifmaschine profiliert.

Wer ein möglichst leichtes Brett will, verwendet Balsaholz, muss dann jedoch zusätzlich Kanten mit einer härteren Holzart ansetzen. Auch die sogenannten Inserts, die metallenen Einsätze für die Verschraubung der Bindung, müssen bei Balsaholz in einem Sperrholzstück verankert werden, das mit dem Kern verleimt wird. «Das Balsaholz würde sonst der Belastung nicht standhalten», erklärt Ryser.

Deckschicht aus Furnier

Die Härte eines Bretts ist abhängig von der Dicke des Kerns sowie von der Legierung, wie der Mitinhaber der Ryser AG erklärt. Während einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Skis und Snowboards lediglich mit Flachsfasergewebe verstärken, setzen andere wiederum zusätzlich Karbonfasern ein. Für besondere Robustheit bringen einige zusätzlich vorne, an der sogenannten Nose oder den Tips, sowie hinten am Tail noch Kunststoffeinsätze an.

Als Deckblatt, das dem Brett oder den Skis schliesslich das Aussehen verleiht, wird Furnier verwendet. «Ideal ist eine Dicke zwischen 0,8 und 1,1 Millimetern, sodass sich das Deckblatt auch schleifen lässt», sagt Christian Ryser. Den Teilnehmern stehen zahlreiche Furniere – etwa in Arve, Sipo, Palisander, Eiche oder Esche – zur Auswahl. Sie fräsen die Furnierstücke auf die richtige Grösse – oder setzen sie für aufregendere Designs mit Furnierkleber zusammen. «Jeder Ski ist ein Unikat. Deshalb gefällt es mir besonders, meinen eigenen Ski zu fertigen», sagt Teilnehmer Michael Roth aus Bern, während er Streifen von verschiedenen Furnieren zusammensetzt.

Martin Beglé aus Biglen hingegen hat selbst einen Stoff mit einer modernen Camouflage designt und bedrucken lassen und will diesen nun als Deckschicht auf seine Skis aufziehen. «Meinen Ski habe ich selbst gezeichnet – er ist eine absolut massgeschneiderte eierlegende Wollmilchsau», sagt der Maschinenkonstrukteur lachend.

Alle helfen einander

Dass die Arbeiten nach wenigen Stunden schon sehr unterschiedlich weit fortgeschritten sind, das mache gar nichts, sagt Christian Ryser. «Wir erklären immer wieder einmal den nächsten Arbeitsschritt und lassen danach die Teilnehmer in ihrem eigenen Tempo arbeiten.» Die Stimmung im Kurs ist gut – und so gehen sich die Teilnehmenden auch gegenseitig immer wieder einmal zur Hand. Denn die Zielvorgabe ist klar: Am Abend müssen alle Komponenten bereit sein und die Bretter zusammengestellt werden, sodass sie über Nacht gepresst werden können.

Irgendwann gegen 19 Uhr ist es dann so weit. Nun schichten die Teilnehmer Komponente über Komponente, verkleben und laminieren sie mit Epoxidharz und packen sie schliesslich sorgfältig in eine Vakuumfolie ein. Wer seinem Sportgerät eine Vorspannung geben will, unterlegt es bei diesem Schritt mit kleinen Hölzern.

Mit Profi-Vakuumpumpen wird nun ein Vakuum erzeugt. «Damit gelingt es, die Bretter richtig zu pressen. Wir erreichen mit dieser Technik einen Druck von bis zu fünf Tonnen», erklärt Marco Steiner. Zum Aushärten bringen die Ski- und Snowboardbauer die Vakuumsäcke in den Heizungsraum. «So können wir unsere Fabrikate morgen fertig bearbeiten», erklärt er. Bis an diesem Abend jedoch alle Bretter bereit sind, wird es Nacht. «Der erste Tag ist immer am strengsten und heute hatten wir auch noch zwei, drei Pannen», erklärt Christian Ryser lachend. Das jedoch tut der guten Stimmung keinen Abbruch – fast alle Teilnehmer warten bis spätabends auf die anderen und helfen sich gegenseitig.

Geölte Oberfläche

Nach einer kurzen Nacht stehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sonntagmorgen wieder im Produktionsraum in Vechigen. Nun kommt der Moment der Wahrheit, wenn sie ihre Bretter aus den Säcken auspacken. Hält das Ganze? Natürlich – immerhin hat Enlain schon mehrjährige Erfahrung im Bau von Skis und Snowboards. Nun müssen die Teilnehmenden ihre Skis und Snowboards mit einer Stichsäge möglichst nah an der Metallkante ausschneiden. Den überstehenden Kern schleifen sie selbst mit Kantenschleifmaschinen ab. Um Unebenheiten und Kleberresten auf der Oberfläche zu beseitigen, benutzen sie Handschleifmaschinen. Den letzten Schliff erhalten die selbst gefertigten Unikate bei der abschlies-senden Oberflächenbehandlung. «Die meisten Teilnehmer ziehen eine Behandlung mit Öl vor. Man könnte auch mit Epoxidlack arbeiten, aber viele finden, dass es zu Holzboards oder -skis gehört, dass sie geölt sind», erklärt Christian Ryser. Die geölten Bretter seien erstaunlich robust. Und wenn Schnee und Steine irgendwann doch Spuren hinterlassen, lassen sich die Skis oder Snowboards einfach wieder etwas nachbearbeiten und nachölen.

www.ryser-ag.ch

Manufaktur

Pioniere aus dem Bündnerland

Enlain – auf rätoromanisch «aus Holz» – heisst die Bündner Manufaktur, die sich auf den Bau von Skis, Snowboards, Skateboards, Surfbrettern sowie Kite- boards, Wakesurfbretter und Stand-up Paddles aus Holz spezialisiert hat. Sie bietet seit drei Jahren regelmässig ein- bis viertägige Baukurse an, bei denen Interessierte auch ohne Vorkenntnisse in der Holzbearbeitung ihre eigenen Sportgeräte bauen können. Die meisten Kurse finden in der Enlain-Werkstatt in Laax GR statt. Seit letztem November bietet jedoch auch die Ryser AG in Vechigen bei Bern sporadisch Workshops in Zusammenarbeit mit Enlain an. Die nächsten gemeinsamen Kurse finden im Rahmen der diesjährigen Bea in Bern statt. Die Kosten für einen Ski- und Snowboardbaukurs betragen inklusive Material 1180 Franken.

www.enlain.com

FG, fg

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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